Gottes Handwerk. Katrin Pirc

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Gottes Handwerk - Katrin Pirc

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der Behandlung häuften sich auch wieder die Arzttermine. Meine Konsequenz, immerzu der Zeit hinterherzujagen und meinen persönlichen Anforderungen gerecht zu werden, war: meine Arbeitsstunden zu reduzieren. Ich empfand die Zeit dort als sehr kräftezehrend und versuchte, meine Wehwehchen und emotionalen Konflikte zu ignorieren. Ich konzentrierte mich auf den immer näher rückenden Tag, an dem die Behandlung für mich einen noch aktiveren Part übernahm.

      Ich bekam zur Stimulierung der Eierstöcke Hormone, die ich mir über mehrere Tage in einem durchkalkulierten Zeitfenster und genauer Dosierungsvorschrift selbst injizieren musste. Die erste Spritze kostete überraschend viel Überwindung. Zudem nahm ich weitere Präparate ein, die meinen Körper auf eine anstehende Schwangerschaft vorbereiten sollten. Die Hormone zeigten ihre Wirkung und ich kann nicht sagen, dass es mir während der Einnahme schlecht ergangen wäre. Ich bemerkte Veränderungen in meinem Körper, die sich aber nicht negativ auf mein Befinden auswirkten. Dass ich mein Umfeld etwas gefühlsbetonter, sensibler wahrgenommen habe, musste nicht zwangsläufig auf die Hormone zurückzuführen sein. Es gab keine Anhaltspunkte für Komplikationen. Der Verlauf war wie gewünscht mit sichtbar wachsenden Eibläschen, die planmäßig punktiert werden konnten. Hierbei gilt es, eine größere Anzahl an Eizellen zu gewinnen, damit sich die Chance auf Zellen erhöht, die auch zu befruchten sind. Nicht alle Eizellen erreichen den Grad der Reife, um sich befruchten zu lassen. Wenn sich im Ergebnis immerhin ein paar dieser Zellen befruchten und weiterkultivieren lassen, kann von einem Erfolg gesprochen werden.

      Die herangewachsenen Eizellen wurden unter Narkose vom Eierstock abgesaugt. Exakt 36 Stunden vor dieser Punktion, auf die errechnete Minute genau, musste ich mir eine Spritze injizieren, die den Eisprung auslösen würde. Das Sperma meines Mannes wurde zuvor aufbereitet und für die Verschmelzung bereitgestellt. Ich konnte nach der komplikationslosen Punktion und einer gut überstandenen Narkose wieder nach Hause, wo ich, kaum angekommen, körperliche Veränderungen spürte: Binnen kürzester Zeit nahm ich Spannungen in allen Gliedmaßen wahr. Über Nacht nahm der Wasseranteil meines Körpers so enorm zu, dass ich am nächsten Morgen kaum aus dem Bett kam. Mein Körper war total aufgequollen. Meine Haut spannte. Es fühlte sich an wie tausend Nadelstiche. Jedes Körperglied kribbelte bis auf die Knochen. Ich kam weder in meine Hose noch in meine Schuhe. Mein Bauch war stark gewölbt. An den Beinen war kaum noch ein Gelenkknochen zu erkennen. Mir war nur noch zum Weinen zumute, ohne Kontrolle darüber zu haben. Mein Mann, rat- und hilflos, beschloss kurzerhand, wieder mit mir in die Praxis zu fahren.

      In einer weit ausgedehnten Jogginghose meines Mannes und ausgelatschten Hausschuhen saß ich im Auto und wusste nicht, wie mir geschah. All meine Mühe, mich zusammenzureißen, brach mit dem ersten Schritt in die Praxis wie ein Kartenhaus zusammen. Ich habe trotz versuchter Gegenwehr Rotz und Wasser weinen müssen. Die Arzthelferinnen an der Anmeldung führten mich an allen anderen wartenden Frauen und Männern vorbei, die mich mit großen Augen anstarrten. Eine Ärztin kam umgehend zu mir und bat mich mit einem verzerrten Ausdruck des Mitgefühls ins Untersuchungszimmer. Mit der Vorstellung meines Aussehens konnte ich lachen und zeitgleich in Tränen ausbrechen.

      Es stellte sich heraus, dass die turbulente Karussellfahrt meiner Emotionen, meiner ganzen körperlichen Verfassung, eine nicht angekündigte Überstimulation war. Auf dem Ultraschall zeigten sich meine Eierstöcke um das Vierfache vergrößert. Das heißt, ich hatte einen Eierstockumfang von 16 Zentimetern im Unterleib! Enorme Wassereinlagerungen führten zu den Schmerzen und der rasanten Gewichtszunahme.

      Die Ärztin nahm dies zum Anlass, sich im Labor nach den Ergebnissen zu erkundigen. Ihrem Gesicht und ihrer Stimme war erhebliche Überraschung anzumerken.

      Sie prustete lachend auf und schwieg einen Moment:

      30 gewonnene Eizellen, davon 27 reif, 26 erfolgreich befruchtet!

      Sie sagte einen Satz, den ich wohl nie vergessen werde:

      „Tja, Frau Pirc, Sie produzieren nicht nur Masse, sondern auch Klasse!“

      Mit dieser Nachricht trockneten meine Tränen, die Schmerzen ließen nach, mein Hormonhaushalt feierte eine Endorphin-Party. Der Wermutstropfen an dieser doch zugleich glücklichen und unglücklichen Misere war, den sogenannten Transfer, also die Übertragung der befruchteten Eizellen (der Embryonen) in die Gebärmutter, derzeit nicht durchführen zu können. Das Abschwellen der Eierstöcke hatte erst einmal Priorität. Die Praxis hatte sich bereiterklärt, unter den gegebenen Umständen die Eizellen für ein Quartal auf eigene Kosten zu kryokonservieren, also einzufrieren.

      Ich weiß nicht, wie ich meine Gefühle zu jener Zeit beschreiben soll. Aber ich würde schon sagen, dass mich das Ergebnis durchaus mit Stolz erfüllte. Andererseits hat mich die Aussicht, wieder warten zu müssen, niedergeschlagen. Hinter allem stand sowohl Erfolg als auch Misserfolg. Immerhin: Eine stationäre Aufnahme ins Krankenhaus war aus Sicht der Praxis nicht notwendig. Kurativmaßnahmen sollten schon bald Besserung bringen. Dazu gehörten eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme von mindestens vier Litern Wasser, Tee oder ähnlichen Getränken, Thrombosespritzen und ganz viel Schonung. Hormonell stark beeinflusst, extrem angeschlagen in meiner körperlichen Verfassung und in ständiger Wechselstimmung kam aber alsbald auch die Frage „Was, zur Hölle, tust du da eigentlich?“ in mir auf.

      Ohne zu wissen, wie ich liegen oder sitzen sollte, weil einfach alles schmerzte, lief ich umher, weil mich eine extreme innere Unruhe packte. Die kleinste Anstrengung erschwerte das Atmen und machte die Situation irgendwie gespenstisch. Die ganze Flüssigkeit hing mir irgendwann aus dem Hals heraus. Mein Mann musste mich immerzu massieren, weil mich das Jucken und Kribbeln, abgesehen von den Schmerzen auf und unter der Haut, beinahe in den Wahnsinn trieb. Ob er wirklich verstanden hat, was mit mir und meinem Körper geschah, wage ich zu bezweifeln. Mit klarem Verstand, ohne Grund ständig weinen zu müssen und im nächsten Moment wieder lachen zu können, war schon fast komisch. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, als den Notdienst der Praxis anzurufen.

      „Die Frau mit den 30 Eiern!“

      Es reichte aus, meinen Namen zu nennen. Mein Anliegen musste ich nicht mehr schildern. Die Ärztin am Telefon versuchte, beruhigend auf mich einzureden, und erklärte mir verständlich die Ursachen von Schmerzen und Atemnot.

      „Im Krankenhaus würde man mit Erschrecken die Eindickung des Blutes feststellen und zunächst nichts weiter als eine Flüssigkeitszufuhr am Tropf veranlassen.“

      Sie hatte äußerst viel Mitgefühl und betonte, dass ich bald Besserung verspüren würde, wenn ich weiterhin ausreichend Flüssigkeit aufnähme.

      Da ich nicht auf einen Klinikaufenthalt aus war und ihren Worten Vertrauen schenkte, fasste ich den Entschluss, geduldig zu bleiben, und riss mich am Riemen. Nach einer schlaflosen Nacht purzelte am nächsten Tag das erste Pfund.

      Mein Gesamtzustand besserte sich am Folgetag weiter. Der Heilungsprozess nahm jedoch insgesamt einige Wochen für sich in Anspruch.

      Bis zum Transfer sollten weitere zwei Monate vergehen. Zwei Monate, in denen ich viel Zeit zum Grübeln hatte. Zwei Monate, in denen meine Zuversicht vollends der Belastungsprobe ausgesetzt war. Ich musste mich vor dem Transfer zwar nicht mehr der hormonellen Strapaze unterziehen, dennoch musste mein Körperrhythmus wieder auf eine Schwangerschaft eingestellt werden.

      Doch zunächst stand die Überlegung im Raum, einen der beiden Eileiter operativ entfernen zu lassen. Die Ärztin wies auf das Risiko hin, dass der entstellte Eileiter, der mit Wasser vollgesogen war, das Wasser in die Gebärmutter spülen und somit das Einnisten der Eizelle verhindern könnte.

      Das Ausmaß des kranken Eileiters war inzwischen mehr als deutlich auf dem Ultraschallbild zu erkennen.

      Bei all dem, was bisher unerwartet geschehen war, reifte in meiner Ungeduld die Entscheidung

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