Der gebrochene Schwur. Мэри Элизабет Брэддон
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Acht Jahre waren verstrichen seit dem hellen Octobermorgen, wo Claribel Merton ihre Hand dem jungen Baronet gegeben. Acht Jahre und Sir Reginald, Malvin, Bernard Lisle war an einer anderen feierlichen Ceremonie in der kleinen Dorfkirche betheiligt; denn die sterblichen Ueberreste des jungen Mannes lagen in dem bedeckten Sarge mit den silbernen Wappenschildern von kostbarer Arbeit unter dem sammtenen Baldachin, getragen von den Vornehmsten von Lislewood. Eine neue Tafel von Marmor und Porphir erhob sich unter den wurmbenagten Statuen von Marmaduk-Lisle, hoch geehrten Ritter und Diener Ihrer Majestät Königin Elisabeth, und Martha, seine ermalin, sich gegenüber knieend auf einem Marmorkissen; eine neue Tafel mit der Aufschrift, daß Reginald, Malvin, Bernard, Sohn des Oscar, letztem Baronet, in der Gruft unter der Kanzel beigesetzt sei, wo die Asche seiner edlen Vorfahren ruhte.
Sir Reginald starb an einer schleichenden Krankheit, welche im Hause Lisle vorherrschend war; seit drei Generationen waren die Häupter der Familie gestorben, bevor sie das dreißigste Jahr erreichten, einzige Söhne hinterlassend, den Titel und die Güter zu erben, so daß in dem Falle, wenn Sir Reginald kinderlos gestorben wäre, ein sehr entfernter Anverwandte, Liebhaber der Musik und Malerei, in Neapel residirend, sein Nachfolger in der Baronie geworden wäre. Aber Sir Reginald, wie sein Vater, Großvater und Urgroßvater vor ihm, hinterließ einen einzigen Sohn, einen blassen, zarten Knaben von sechs Jahren, seiner Mutter ähnlich sowohl äußerlich als in ihren Neigungen; still und ruhig wie sie, ohne hervorragende Talente oder Energie des Charakters. Sir Reginald und Lady Lisle waren kein unglückliches Paar gewesen. Er liebte die Jagd, Pferde und Hunde, Waffen und Wetten, und all’ jene Vergnügungen für Herren, die viel Geld und wenig zu thun haben. Er hatte eine große Oekonomie, und machte viele neue Experimente und Versuche, die viel kosteten und gewöhnlich nichts taugten, ihn aber unterhielten, und er schleppte sein junges Weib durch gepflügte Felder und über nasse Wiesen, in Regen und Sonnenschein, seine neuen Anstalten zu bewundern.
Zuweilen hielt er Rennpferde, und ganz Lislewood war dann voll Lärm von Stallmeistern und Stallburschen; aber bald ermüdete ihn dies Vergnügen, wie die andern, und eines schönen Morgens fand man den ganzen werthvollen Rennapparat, Eigenthum des Sir Reginald Lisle, Claribel, den Sieger bei dem letzten Rennen in Lislewood-Park mit eingeschlossen 2c. 2c. zum Verkaufe in einem Londoner Blatte ausgeboten.
Alles ermüdete ihn mit der Zeit, jede Unterhaltung verfehlte ihn zu beschäftigen, und es schien endlich, als ob er in die genannte Krankheit verfiele, weil er sonst nichts zu thun hatte.
Claribel war sanft und fügsam, wenn auch nicht zärtlich, sie ging mit ihm, wenn er reisen wollte, sie trank Mineralwasser in deutschen Bädern, wenn er es verlangte, sie schlenderte mit ihm durch italienische und niederländische Bildergallerien, ohne daß eines von ihnen einen Titian von einem Tenier, oder einen Salvator Rosa von einem Rubens unterscheiden konnte. Wenn er begehrt hätte, daß sie den Montblanc besteige, sie würde sich tapfer angestrengt haben, den Gipfel zu erreichen, auch wenn sie dabei umgekommen wäre. Doch war dieser stille Gehorsam kaum eine Tugend zu nennen, sondern eher die angeborene Lässigkeit eines trägen Temperaments; Alles war weniger anstrengend für sie als Widerstand. Sie hörte ihm zu, wenn er sprach, sie las ihm an Sonnabenden lange Beschreibungen aus der Zeitung vor, obgleich sie kein Wort davon verstand; sie saß in ihrem Ponhphaëton, bei einem Wettrennen in der Nacharschaft, wenn sie auch den Sieger nicht kannte, wenn er vor ihr stand, und kaum die Namen wußte von ihres Gatten Pferden. Als er krank ward, pflegte sie ihn sanft und geduldig; war er unwillig, so ertrug sie es still; war er niedergedrückt, so that sie ihr Bestes, ihn aufzurichten, und als er starb, betrauerte sie ihn nach ihrer ruhigen, stillen Weise. Sie eilte hinweg von Lislewood gleich nach der Beerdigung, und lebte zurückgezogen in einem kleinen Badeort an der Küste mit ihrem Sohne und ihrer Dienerin. Das große, leere, glänzende Haus, in das der Tod so plötzlich eingetreten, hatte etwas Fürchterliches für sie, sie schauderte bei dem Anblicke der düsteren Alleen in dem dicht bewaldeten Park. Ihre Tante war längst todt, sie hatte keine Anverwandte und wenig Bekannte, ja kaum ein Wesen, das den Namen Freund verdient hätte; ihren Sohn liebte sie jedoch leidenschaftlich, und ihm widmete sie sich gänzlich. Gedachte sie nun wohl des hübschen Offiziers, jetzt wo sie wieder frei war? Sie mochte wohl zuweilen, und vielleicht war es ein Theil ihres Schmerzes, sich erinnern, wie sie vor acht Jahren sein liebendes Herz verwundet und gequält hatte. Sie wußte nicht lebte er oder war er todt, und hatte kein Mittel sich dessen zu versichern. Sir Reginald hatte nie den Namen seines ehemaligen Freundes genannt nach dem Streit, welcher sie Beide getrennt hatte. Sie durfte seiner nicht gedenken, es schien ihr unrecht, herzlos und unweiblich, so lange die Tafel noch so neu war in der Kirche zu Lislewood und der Deckel des Sarges kaum geschlossen in der Gruft unter der Kanzel. Sie ging auf Reisen mit ihrem Sohne und ihrer Dienerin; sie zeigte dem Knaben die großen, düsteren Kirchen, in welche sie sein Vater geführt hatte; sie ging mit ihm nach Antwerpen, Köln, Brüssel und München, und kehrte nach einer sechsmonatlichen Abwesenheit nach Lislewood zurück, wo sie den Tag nach ihrer Ankunft Arthur Walsingham an derselben Stelle, an der sie sich vor acht Jahren von ihm getrennt, begegnete.
Drittes Kapitel.
Der neue Herr von Lislewood-Park.
Ein halbes Jahr ist vergangen seit der Rückkehr des indischen Officiers, und der stürmische Märzwind rüttelt die Zweige der Eichen in dem stattlichen Parke von Lislewood. Eine reiche und ausgedehnte Besitzung das Erbe von Lislewood; weit über die Berge von Sussex erstrecken sich die großen Ländereien, welche dem kleinen Baronet zu eigen sind; weit über die nackten weißen Bergrücken, welche die öden Dünen begrenzen, liegen noch niedliche Wohnsitze und wohlhabende Meierhöfe, worin nach der Ernte, dem Schlachten oder der Schafschur der Pachtzins zurückgelegt ward, um ihn, wenn das Halbjahr um sei, an Sir Rupert Lisle Baronet zu zahlen. Man konnte meilenweit wandern durch beschattete Heckenwege und lange, gedehnte, weißbesandete Landstraßen, durch Wälder von niederem Nadelholz, durch kleine Dörfer, die so versteckt lagen in dem Schatten der großen Hügelkette, daß man zu ihnen hinabsah von den hoch gelegenen Gründen wie in einen Brunnen; doch frug man wo immer nach dem Eigenthümer der belaubten Wege von Haselbüschen und wilden Rosen, oder der fruchtbaren Wiesen hinter den Hecken, den kleinen, zusammengewürfelten Hütten, die aussahen als wollten sie über dem ersten besten unvorsichtigen Wanderer zusammenstürzen, der sich in ihren Schatten wagte, immer und überall hörte man den Namen Sir Rupert Lisle.
Wenn man in ein halb vergessenes Wirthshaus trat, um eine Erfrischung zu verlangen, brauchte man nur aufzublicken zu dem ländlichen Schild, glänzend in der Hochsommersonne, um das Wappen der Lisle zu erkennen oder die Chiffre Sir Rupert’s. Ging man müßig einen Bauern beobachtend, wie er seine Leute anweisend oder selbst mithelfend auf dem Heuwagen stand, oder an dem Thor einer Scheune, so war es sicher ein Pächter Sir Rupert’s. Der Name Lisle war so alt und bekannt in der Grafschaft, wie die Schlacht bei Hastings selbst, in welcher Oscar Seigneur von Lisle eine tapfere Compagnie Bogenschützen befehligte gegen den Kern der Leute von Saxon Harald’s.
Das Geschlechtsregister der Ahnen des siebenjährigen Baronets hätte die Fläche der längsten Allee in dem Park von Lislewood bedeckt, hätte man die großen Rollen der alten, staubigen