Verloren und Gefunden. Мэри Элизабет Брэддон

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Verloren und Gefunden - Мэри Элизабет Брэддон

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Und ich hatte einst geträumt, ich würde ein großer Künstler werden!«

      Er seufzte laut in der Bitterkeit seiner Seele, und dann, sich von der Staffelei nach dem Bette wendend, warf er einen Blick des Hasses aus die schlafende Gestalt.

      »Wenn Du eine bessere Frau gewesen wärst,« sagte er leise, »so wäre ich ein anderer Mann, Du bist das Unglück meines Lebens.«

      Darauf nahm er Brod und Fleisch aus seiner Tasche und legte es dem Kinde vor. Der kleine Knabe aß begierig und der Vater sah ihm mit einem Lächeln zu, dem ersten, das an diesem Tage sein Gesicht erheitert hatte; aber er rührte selbst nichts an.

      »Papa,« rief das Kind, »bist Du nicht auch hungrig?«

      »Nein, mein Herz.«

      Gervoise warf sich auf einen Stuhl, dem niedrigen Feldbett gegenüber, und die Ellbogen auf den Knieen und das Kinn in den Händen beobachtete er die schlafende Frau.

      Sie rührte sich nicht. Die müden Augenlider erhoben sich niemals von den trüben Augen und der schwere Kopf lag aus dem Kissen, wo er hingefallen war.

      Sie trug noch immer die Spuren ihrer früheren Schönheit an sich. Das unordentliche Haar, das auf das elende Kissen niederfiel, war schwarz und üppig, ihr Gesicht regelmäßig, und lange dunkle Wimpern umsäumten die geschlossenen Lider.

      Der Künstler saß in derselben Stellung da, weder sprechend, noch das Auge von der Gestalt auf dem Bette abwendend. Als das Kind gegessen hatte, schlich es an die Seite seines Vaters und setzte sich auf dem Boden zu seinen Füßen nieder.

      Die Sonne ging in aller ihrer Sommerherrlichkeit unter, die Abendschatten verdichteten sich allmälig in dem Gemache und auf dem Gesichte des Malers; aber ehe das Licht vollkommen verschwand, zog sich Gervoise Gilbert den kleinen Tisch an’s Fenster. Auf dem schmalen Gesimse, das als Kamin diente, fand er ein Pfennigglas mit Dinte und eine rostige Stahlfeder. Diese nahm er nebst einem Blatt Papier von einem alten Brief, auf das er langsam und mit Ueberlegung folgende Zeilen schrieb:

       »Agatha Gilbert! Als ich Dich vor fünf Jahren zum ersten Mal sah, war ich ein ehrgeiziger Mann mit einer schönen Zukunft vor mir. Ich heirathete Dich, und von jener Stunde an bis heute hat sich das Unglück an meine Fersen geheftet.

       »Hast Du jemals daran gedacht, daß es die Pflicht einer Frau ist, dem Manne, dessen Namen sie trägt, eine Hilfe und ein Trost, nicht ein Hinderniß und eine Bürde zu sein? Hast Du jemals dies bedacht und mir im Kampfe des Lebens beizustehen gesucht? Nein, so wahr ich lebe, nicht ein einziges Mal!

       »Ich bin des Kampfes müde, Agatha. Ich bin es müde, gegen dieses verhaßte Laster zu kämpfen, das Deinen Leib und Deine Seele zu Grunde richtet. Wenn das Gesetz uns scheiden könnte, so würde ich mich an das Gesetz wenden. Aber unglücklicher Weise haben die Gerichte kein Heilmittel für Uebel wie die meinigen. Das Gesetz gewährt dem Gatten keine Hilfe, dessen Frau ihr Kind des Brodes beraubt, damit sie für das Geld Gin kaufen kann.

       »Ich entferne mich deshalb aus eigener Machtvollkommenheit. Jedes Band, das uns vereinigt hatte, ist gebrochen, jede Hoffnung auf häusliches Glück ist zerstört, jedes Gefühl von Liebe, das einst mein Herz erwärmte, ist erstorben, nur die bittere Asche der Reue zurücklassend.

       »Ich weiß noch nicht, wohin ich gehe. Ich nehme den Knaben mit, um dessen willen ich dieses elende gebrochene Leben noch ertrage. Wenn es nicht seinetwegen wäre, so würde ich an den nächsten Fluß gehen und mein Elend in tiefere Vergessenheit begraben, als sie Dir der Gin zu geben vermag.

       »Lebe wohl. Ich will es versuchen, nicht bitter von Dir zu denken, ich will es versuchen, Dir zu vergeben, wie ich Dich bitte, mir alles Leid, das ich Dir zugefügt, zu vergeben. Ich bin oft ungeduldig, hart und heftig gewesen, aber ich habe dafür gebüßt und schwer gebüßt. Noch einmal, lebe wohl. Versuche nicht, mir zu folgen oder mich aufzufinden. Du wirst mich niemals mehr sehen, nie mehr von mir hören, noch von Deinem Kinde.

       »Du hast Deinen Weg im Leben gewählt, unbekümmert darum, welches Elend Du über mich brachtest; ich wähle jetzt den meinigen, und er führt mich weit von Dir weg.

      Gervoise Gilbert.«

      Der junge Mann faltete dieses Papier zusammen und legte es auf den Kamin, wo er sicher sein konnte, daß es seiner Frau in die Hände fallen würde. Dann weckte er den Knaben auf, welcher mit dem Kopf auf dem Knie seines Vaters eingeschlafen war.

      »Du hast doch ein wärmeres Röckchen, nicht wahr, Georgey?« fragte der Vater, auf das zerrissene Baumwollenkleidchen deutend, welches das Kind anhatte.

      »Nein, Papa.«

      »Du hattest doch ein wollenes Röckchen, zwar abgetragen, aber dick und warm.«

      »Ja; aber die Mama hat es mir fortgenommen und nicht wiedergebracht.«

      Der Vater murmelte eine Verwünschung. Er hatte nach und nach alle Bequemlichkeiten eines anständigen Haushalts dahinschwinden sehen, bis es so weit wie jetzt gekommen war« Er hatte hart gegen die grimmige Armuth angekämpft, aber es war umsonst gewesen. Was nützte sein Ringen und Kämpfen, wenn seine Frau jeden Schilling, den sie aus ihm herauspressen konnte, in Gin vertrank?«

      Sie hatte ihren Gatten und ihr Kind jeder Bequemlichkeit, ja selbst der gewöhnlichen Bedürfnisse des Lebens beraubt und zuletzt sogar die Kleider ihres Kindes zum Pfandleiher getragen.

      »Setze Deine Kappe auf,« Georgey,« sagte Gervoise Gilbert, »Du wirst mit Papa eine weite Reise machen. Ist Dir das recht?«

      »O, ja, ja; ich will überall mit Dir hingeben, Papa.«

      »So komm denn, mein Herz. Aber Du darfst nicht vergessen, daß wir zu Fuß gehen müssen. Wir sind zu arm, um zu fahren; wenn Du aber müde bist, so wird Dich Papa tragen.«

      »Aber ich werde nicht müde sein, Papa,« sagte der Knabe stolz.

      Gervoise Gilbert blickte mit liebendem Lächeln auf ihn nieder.

      »Muthiger Geist!« rief er, »edler Geists das Blut der Palgraves von Palgrave-Chase spricht aus ihm.«

      Der Künstler hatte keine großen Vorbereitungen zu machen, um diesen elenden Zufluchtsort zu verlassen. Er besaß nur ein einziges reines Hemd und dieses war so zerrissen, daß es nur deshalb den Klauen des Pfandleihers entgangen war. Er besaß keinen überflüssigen Rock, keinen Reisesack, keinen Eisenbahnshawl, womit er sich zu belasten brauchte.

      Er steckte das Hemd in die Tasche, setzte seinen Hut auf, nahm ein altes Tuch von seinem Halse und band es dem Kinde um, dann nahm er den Knaben an die Hand und verließ mit ihm das Haus.

      Die Schatten verdichteten sich in den engen Straßen, das Purpurlicht, das zerbrochene Scheiben von gewöhnlichem, Glas schöner erglänzen läßt als es die kostbarsten Edelsteine in den Läden der Juweliere vermögen, verschwand nach und nach, die, Fenster dunkel zurücklassend.

      Es war vollkommen finster, als Agatha Gilbert von ihrem trunkenen Schlaf erwachte und nach dem Kamin taumelte. Sie fühlte mit ihrer rechten Hand auf dem Sims herum, bis sie eine Büchse mit Streichhölzchen und einen Stumpen Talglicht fand, das in einer alten Flasche stak. Sie zündete das Licht an und sah sich langsam um.

      »Noch nicht zu Hause,« murmelte sie unzufrieden, »noch nicht zu Hause gekommen, obschon

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