Liebe im Exzess. Eliza Haywood
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Als er zu einer Antwort ansetzte, wurden sie durch das Geräusch von jemandem, der hastig die Treppe an einem Ende des Salons herablief, genötigt, sich dorthin zu wenden. Es war die unglückliche Amena, die den Gedanken daran, im Haus ihrer Rivalin zu bleiben, nicht ertragen konnte, und die versunken in ihr Leid und ohne Rücksicht darauf, was aus ihr werden könnte, sich anschickte, diesen abscheulichen Ort zu fliehen, sobald sie hörte, dass die Tore geöffnet waren. Alovisa erschrak angesichts dieses Widerstands, denn sie hatte gehofft, mit dem Count eine Weile sprechen zu können, bevor die beiden sich begegneten; doch sie verbarg ihre Bestürzung. hielt Amena fest, als sie vorbeilaufen wollte, und fragte sie, wohin sie wolle und was der Grund für ihre Aufregung sei.
„Ich fliehe“, antwortete Amena, „vor einem falschen Liebhaber und einer falschen Freundin. Aber warum sollte ich Euch tadeln?“
Sie blickte wütend zwischen dem Count und Alovisa hin und her.
„Verräterisches Paar, nur zu gut kennt Ihr die Niedertracht des anderen und meine Missetaten; haltet also nicht länger eine Unglückliche fest, deren Gegenwart, wenn ihr auch nur das geringste Gefühl von Ehre, Dankbarkeit oder gewöhnlicher Menschlichkeit hättet, euer Gewissen mit Reue und Scham erfüllen würdet, und die jetzt keinen anderen Wunsch hat als den, euch für immer zu meiden.“
Bei diesen Worten versuchte sie sich aus Alovisas Armen zu befreien, doch diese hielt sie trotz ihres Schrecks immer noch fest. D´Elmont war nicht minder verstört und wusste, ohne die Bedeutung jener Worte zu verstehen, nicht, was er dazu sagen sollte, bis sie ihre Anschuldigungen wieder aufnahm:
„Warum, ihr barbarischen Ungeheuer, erfreut ihr euch am Anblick des Unglücks, das ihr angerichtet habt? Reicht nicht das Wissen um mein Elend, mein immerwährendes Elend, um euch zu befriedigen? Und muss mir das einzige Heilmittel für mein Leiden verwehrt bleiben? Der Tod! Ach, welch grausamer Lohn für meine Liebe und meine Freundschaft und das Vertrauen, das ich in euch gesetzt hatte! Ach, wie tief bin ich gesunken durch mein zu weiches und unbefangenes Wesen; es ist das harte Los der Zartheit, andere zu heilen, aber sich selbst zu verwunden – gerechter Himmel!“
Hier hielt sie ein; ihre Wut erstickte ihre Worte und entlud sich in Seufzern; dann fiel sie in Ohnmacht. So fassungslos der Count und Alovisa auch waren, sie unterließen nichts, um Amena wieder zu Sinnen zu bringen. Als sie damit zu Werke gingen, fiel jener verhängnisvolle Brief, welcher die Aufregung verursacht hat, aus ihrem Busen, und im Versuch, ihn als erster zu fassen zu kriegen (im Glauben, dass er etwas enthülle), ergriffen beide ihn im gleichen Augenblick. Der Brief war nur leicht gefaltet und offenbarte ihnen gleich, was die Quelle von Amenas Verzweiflung war; ihre Vorwürfe an Alovisa und die Schamröte und Bestürzung, die der Count auf ihrem Gesicht wahrnahm, als sie den Brief öffneten, machten dem Geheimnis ein Ende. Auch jemand mit geringerer Auffassungsgabe als D´Elmont hätte sofort erkannt, dass die unbekannte Bewunderin keine andere als Alovisa war. Um ihre Bestürzung zu überspielen, rief sie ihre Dienerinnen herbei und befahl ihnen, Amena in ein anderes Zimmer mit mehr Luft zu bringen. Bevor sie ihnen folgte, wandte sie sich, noch immer sehr verwirrt, an den Count und sagte:
„Verzeiht mir bitte, mein Herr, wenn die Sorge um meine Freundin mich verpflichtet, Euch zu verlassen.“
„Oh Madame“, antwortete er, „Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen, vielmehr ruft all Eure Güte auf, um einem Unglücklichen zu vergeben, der so blind für das Glück war wie ich.“
Sie konnte oder wollte darauf nicht antworten, sondern tat so, als hätte sie es nicht gehört, ging eilig in das Zimmer, wo Amena nun war, und ließ den Count mit seinen ratlosen Gedanken zurück. Die Sanftheit seines Gemüts ließ ihn bedauern, der Urheber von Amenas Unglück zu sein, doch wie erbärmlich steht es um eine Frau, wenn sie wegen ihres Ungeschicks auf einen so armseligen Trost angewiesen ist wie das Mitleid ihres Liebhabers; das männliche Geschlecht ist im Allgemeinen zu lebenslustig, um lange schwermütig zu bleiben, und es ist unwahrscheinlich, dass D´Elmont ein Leiden zu beklagen imstande wäre, das er wegen seiner geringen Vertrautheit mit der Leidenschaft, der es entsprang, gar nicht verstehen konnte. Die Freude an der Entdeckung des Geheimnisses, das er so lange hatte erkunden wollen, hinderte ihn daran, dem Abenteuer, das dazu geführt hatte, allzu viel Aufmerksamkeit zu widmen; er kam aber nicht umhin, sich einer unverzeihlichen Dummheit zu zeihen, wenn er sich die Einzelheiten von Alovisas Verhalten, ihre Ohnmacht auf dem Ball, ihre ständigen Blicke sowie ihr häufiges Erröten, wenn er mit ihr sprach, vor Augen führte; und in all seine Betrachtungen, gleich ob über Alovisa oder Amena, mischte sich Verwunderung über die Macht, die von der Liebe ausgehen kann.
Die Vielfalt seiner Gedanken würde ihn noch länger beschäftigt haben, wenn nicht ein hereinplatzender Page ihn mit der Nachricht unterbrochen hätte, dass der junge Chevalier Brillian gerade in Paris angekommen sei und ungeduldig die Rückkehr des Count erwarte. Und so sehr D´Elmont ein Fremder in der Welt der Liebesaffären war, so vertraut war er mit der Welt der Freundschaft; und weil er nicht zweifelte, dass die erstere hinter der letzteren in jeder Hinsicht zurückzustehen hatte, sagte er einer von Alovisas Dienerinnen beim Hinausgehen einfach nur, er würde ihr am Abend erneut seine Aufwartung machen, und eilte so schnell wie möglich nach Hause, um seinen geliebten Bruder, den er nach so langer Abwesenheit zurückersehnt hatte, willkommen zu heißen; und tatsächlich bekundeten beide durch die Art, wie sie sich wiederbegegneten, eine uneingeschränkte und aufrichtige wechselseitige Zuneigung.
Der Chevalier war nur ein Jahr jünger als der Count; sie waren von Kindheit an zusammen aufgewachsen und so seelenverbunden und so ähnlich in ihrer Erscheinung, dass ihre Liebe zueinander weit über das hinausging, was zwischen Verwandten sonst üblich ist. Nach der Begrüßung begann D´Elmont seinen Bruder auszufragen, wie er die Zeit seit ihrer Trennung verbracht hatte, und tadelte ihn ein wenig dafür, nicht so oft geschrieben zu haben, wie er es eigentlich erwartet hätte.
„Es tut mir leid, liebster Bruder“, antwortete der Chevalier. „Mir sind seitdem einige Abenteuer widerfahren, die meine Nachlässigkeit hoffentlich entschuldigen, wenn ich sie berichte.“
Er seufzte dabei, und ein melancholischer Ausdruck zog über sein Gesicht und verdunkelte das muntere Funkeln in seinen Augen, was in dem ungeduldigen Count den Wunsch erweckte, den Grund dafür zu erfahren. Als er darum bat, erfüllte der Chevalier (nachdem er seinen Bruder verpflichtet hatte, bis zum Ende des Berichts keine Anzeichen von Spott zu zeigen, egal welche Gründe er auch fand, sich über die Torheit des anderen lustig zu machen) den Wunsch auf diese Weise:
Die Geschichte des Chevalier Brillian
Dem unglücklichen Chevalier kamen bei diesen Worten die Tränen, so dass der Count, als er dies sah, ihn liebevoll umarmte und zu trösten versuchte, wie es von einem herzlichst verbundenen Freund zu erwarten ist. Um das zu erreichen, wollte der Count seinen Bruder nicht aus seinen Armen entlassen, denn er glaubte, dass von den Abenteuern eines anderen zu hören (besonders von jemanden, an dem er überaus interessiert war) für den Bruder das sicherste Mittel sei, mit seinen melancholischen Gedanken Frieden zu schließen. Also erzählte der Count ihm alles, was ihm seit seiner Ankunft in Paris geschehen war: die Briefe, die er von einer unbekannten Lady erhielt, seine kleinen Galanterien mit Amena und der Vorfall, der ihm die unbekannte Lady als eine der reichsten Frauen von ganz Frankreich offenbarte.
Nichts konnte dem Chevalier das Herz mehr erwärmen als zu hören, dass sein Bruder von Ansellinas Schwester geliebt wurde. Er bezweifelte nicht, dass das die Möglichkeit eröffnete, Ansellina früher wiederzusehen als erhofft; so begannen die beiden Brüder sich ernsthaft über diese Angelegenheit zu beraten, was mit ihrem Entschluss endete, ihre Schicksale daran zu binden. Der Count hatte noch nie eine Schönheit gesehen, die spektakulär