Das Lächeln von Kleopatra. Albert Morava

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Das Lächeln von Kleopatra - Albert Morava Die Flucht

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Mutter, die ausgezeichnet Geige spielte, obwohl sie keine professionelle Violistin war, war angetan von der jüdischen Volksmusik und dem Geigenspiel jüdischer Interpreten. Jans Vater hatte als Arzt viele jüdische Kollegen. Die Juden waren anders, sie waren interessant, manchmal wurden sie beneidet.

      In der Kleinstadt gab es ein historisches Stadtviertel, welches den verhängnisvollen Namen der Judengassen trug. Hier war es auch im Sommer immer dunkel und kalt, die verwinkelten Straßen waren schmal und ohne Sonne. Die Judengassen waren feucht und voll übler Gerüche. Somit ging Jan so gut wie nie hin; hier wohnten nur die Benachteiligten und die Armen. Auch zugereiste Landfahrer aus der Slowakei wurden gelegentlich hierher umgesiedelt. Freilich war es damals völlig ausgeschlossen, dieses vernachlässigte und gottverlassene Stadtviertel als ein "Ghetto " zu bezeichnen.

      Mit zwölf Jahren gehörte Jan zu den Klassenbesten, er hatte nur einen Rivalen, der als Sohn eines Parteibonzen bei der Benotung meistens immer noch eine Spur besser abschnitt. Insbesondere tat Jan sich aber beim Vorlesen von komplizierten Texten aus dem Russischen hervor - durch nahezu akzentfreie Aussprache dieser melodischen Sprache.

      Außerdem fiel er den Lehrern durch schlagkräftige Antworten in anderen Fächern auf; daher schauten einige Klassenkameraden zu ihm auf - mit gelegentlicher Bitte um Hilfe.

      Benda, ein kleiner Einzelgänger, der kaum Freunde unter den anderen Jungs hatte, kurzsichtig, mit auffallend rotem Haar, war einer von denen, die nur zu gerne von Jan abschrieben. Jan ließ dies zu, mehr denn aus Mitleid als aus Hilfeinstinkt - zumal Benda andauernd unbeholfen um seine Freundschaft buhlte.

       Benda kam samstags nie zum Unterricht, seine Eltern ließen es nicht zu, er wohnte in den Judengassen.

      Den sonnigen Junitag, an dem die Klasse vor den Sommerferien den üblichen Schulausflug in die waldreiche Umgebung der Kleinstadt unternahm, sah Jan jetzt klar vor sich.

      Ein ausgedehnter Spaziermarsch auf löchrigen Waldwegen, die von dicht nebeneinander stehenden hohen Nadelbäumen überschattet waren, hauptsächlich Blaufichten, aber auch Tannen-und-Kieferbäumen, war ein wichtiger Bestandteil dieser Marschübung.

      Als Folge von Frühnebel, der sich nicht schnell genug lichten wollte und so durch anhaltende Bodenfeuchtigkeit - zur Freude von lokalen Pilzsammlern - zum raschen Sprießen von Waldpilzen beitrug, waren die Waldwege stellenweise feucht. Gegen Mittag erreichte die Gruppe eine Waldwiese, die gut geignet für eine Picknickpause war.

      Hier gab es auch einige übrig gebliebene Baustämme von gefällten, bereits bemoosten Bäumen, die noch nicht abransportiert worden waren; dort ließen sich einige Jungs mit ihren Rucksäcken nieder, um sich auszuruhen und sich für den weiteren Marschfortang zu stärken.Jan setzte sich mit seinem Brötchen auf einen abgesägten Baustumpf nahe der Gruppe, die sich um den Gruppenführer scharte. Es wurde gelacht und derbe Witze wurden erzählt.

      Benda blieb jedoch abseits der Gruppe stehen und legte seinen Rucksack bedächtig auf den Boden, ohne sein Essen auszupacken. Fieberhaft begann er, größere, herumliegende Äste zu sammeln - hiervon gab es am Waldrand genug - und schleppte sie an einen dicken Baumstumpf heran, auf dem es sich bequem sitzen ließ.In Kürze hatte er es geschafft, den Stumpf derart zu überdachen, dass eine kleine klapprige Holzhütte mit provisorischem Freisitz daraus wurde. Glücklich und zufrieden setzte er sich darauf und packte sein Essen aus. Während er aß, winkte er einladend Jan zu, um herzukommen und mit ihm zusammen in seiner Hütte das Essvergnügen zu teilen.

      Doch Jan zögerte. Er sah, dass der Anführer der Gruppe Bendas Holzbau bereits bemerkt hatte und etwas zu den anderen sagte, was er nicht gut hören konnte. Daraufhin folgte ein schallendes Gelächter. Der Anführer, ein grobschlächtiger Bursche - um einen Kopf größer als die anderen Jungs - ging, zusammen mit dem harten Kern der Gruppe, auf Bendas Hütte zu. Dort gab es einen kurzen Wortwechsel, begleitet von weiterem Gelächter. Ohne dass Benda etwas tun konnte, wurde seine kuschelige Hütte dem Erdboden gleichgemacht.

      Während der Anführer mit drohender Gebärde auf Benda einredete, wurden einzelne Äste entnommen und weggeworfen. Benda musste hilflos der totalen Zerstörung seiner Hütte zusehen.

      Nach vollbrachter Tat ging die Gruppe wieder und Benda blieb auf seinem Baumstumpf wie versteinert sitzen. Jan trat näher, um mit ihm ein beruhigendes Wort zu wechseln.

      "Was wollten die eigentlich von dir?", fragte er, um etwas zu sagen, wenngleich die Frage überflüssig war. Benda saß da, am Boden zerstört und mit gesenktem Kopf. Das Gesicht voller Tränen, weinte er leise vor sich hin.

      Dann wischte er sich die Tränen ab, schaute zu Jan auf und sagte : "Pogrom...und du bist genauso ein Mistkerl wie die Andern! "

      3 Lermontov

       Die Gastwirtschaft Zur goldenen Gans , wo er am Gründonnerstag einkehren wollte, war nicht mehr weit; er schritt behutsam weiter durch den Nebel, der die schmalen Gassen der Kleinseite wie ein vom gelblichen Licht der Gaslaternen verfärbter Schleier umhüllte. Die Wirtschaft war gerammelt voll. Der einzige freie Platz, den er noch finden konnte, war ein bescheidener Stuhl an einem großen, ungedeckten Tisch zusammen mit einer

      großen Gruppe von Besuchern aus Russland.

      Jan wurde neugierig. Trotz der allgegenwärtigen Symbole der Freundschaft und Brüderlichkeit des Landes mit der Sowjetunion hatte er nie die Gelegenheit gehabt, mit echten Russen zu sprechen. In seiner Stadt gab es einfach keine, außerdem war das Image Russlands - nicht nur unter Jans gleichaltrigen Freunden - katastrophal.

      Viele Russenwitze machten die Runde. Seine Freunde mochten Amerika und schwärmte von Kennedy als Staatsmannsidol, über den Russen Chruschtschow wurde nur gelacht. Es war die Zeit der Kubakrise und kurz

      darauf wurde Kennedy erschossen.

      Nun befand er sich unverhofft unter gut zwanzig Sowjetmenschen; ihm gegenüber saß ein älteres Ehepaar, Mann und Frau, beide Russen. Das asiatisch anmutende Gesicht des Mannes hatte viele Falten, weißhaarig war er. Seine Frau war wohl viel jünger, aber mit Kopfttuch. Sieh mal da, Babuschka, dachte Jan, das russische Grossmütterchen.

      Jans Großvater, der im ersten Weltkrieg unter österreichischen Fahnen gegen das Russland des Zaren Nikolai als Kanonenschütze kämpfte - wobei er fast das Gehör verlor - , brachte aus der russischen Gefangenschaft ein kleines, abgegriffenes Lehrbüchlein des Russischen nach Hause zurück. Fasziniert von den andersartigen Buchstaben des russischen Alphabets, lernte Jan als sechsjähriger Bub im Selbststudium Russisch, kopierte die Buchstaben in ein anderes Heft und lernte sie auswendig. Damit schrieb er dann sein erstes geheimes Tagebuch, zwar nicht auf Russisch, nein, er schrieb in seiner Muttersprache, aber mit russischen Buchstaben.

      Der Kellner kam und das Russenpaar bestellte zweimal russischen Borschtsch, diese durch Zugabe von roter Beete blutrot gefärbte deftige Kohlsuppe, die damals in Prag recht beliebt war.

      Selbst in dieser Traditionswirtschaft, wo hauptsächlich typisch böhmische Gerichte wie Schweinebraten mit Kohl und Knödeln serviert wurden, konnte man russischen Borschtsch bekommen..

      Jan bestellte nur eine Kleinigkeit: sein Monatswechsel war knapp war und ab der Mitte des Monats herrschte die Ebbe in seiner Kasse.

      " Für mich russische Eier mit Mayonnaise, Herr Ober", sagte er mit etwas Ironie zum Kellner, als er nach seinem Wunsch gefragt wurde.

      Der

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