Das Lächeln von Kleopatra. Albert Morava

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Das Lächeln von Kleopatra - Albert Morava Die Flucht

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gab es üblicherweise gratis zu allen Speisen, so konnte man richtig satt werden.

      "Ja, mit viel Brot." Das gefiel dem Ober nicht mehr. "Hör mal", sagte er, " wenn du viel Brot essen willst, geh’ doch zu den Barmherzigen Brüdern ins Kloster"

      Der offensichtliche Altersunterschied - der Kellner war ein schlechtgelaunter Glatzkopf um die Fünfzig - rechtfertigte das Duzen. Und Klöster gab es auch noch einige in Prag, sie wurden geduldet.

      "Nichts für Ungut", sagte Jan. Ich nehme danach noch einen Wodka." Wodka war der billigste Schnaps.

      "Wenn es dich sattmacht", meinte der Kellner lakonisch und ging.

      Der bejahrte Russe, der Jan gegenüber saß und ihn mitunter neugierig beäugte, sprach ihn plötzlich auf Russisch an und fragte ihn, ob er aus Prag sei.

      "Ich bin nicht aus Prag", sagte Jan, "aber jetzt wohne ich hier".

      "Prag ist eine schöne Stadt", meinte der Russe. "Viele schöne Häuser gibt es hier."

      "Ja, und wo seid ihr her?"

      "Wir sind aus Chabarovsk."

      "Chabarovsk ?"

      Damit konnte Jan nichts anfangen. Keine Ahnung, wo dieser Ort etwa sein konnte, Russland ist ein großes Land.

      "In Südsibirien. Sibirjaci sind wir."

      "Dort ist es wohl sehr kalt", meinte Jan.

      "Nur im Winter", belehrte ihn freundlich der Russe. "Im Sommer ist es warm, ja sogar heiss, über 30 Grad."

      "Das ist in Prag eine Ausnahme", sagte Jan. " Hier ist es im Sommer nie zu heiß und im Winter nie zu kalt. Im Sommer regnet es viel und im Winter schneit es auch schon mal, aber der Schnee bleibt nicht auf den Straßenliegen, schmilzt schnell und wird zu Matsch."

      Das Gespräch über das Wetter war nur der Anfang, weiterer Meinungstausch, wenn auch ohne Tiefgang, folgte. Der Mann hieß Ivan und seine Frau Natascha.

      Als Soldat im zweiten Weltkrieg - jetzt war er schon pensioniert - kämpfte er an der russischen Front in der Mandschurei gegen die Japaner, die er hasste..

      " Das ist ein Volk", sagte er, "wie eine Schlange." Dem konnte Jan sich nicht anschließen, da er sich mit dem Gedanken herumtrug, schon bald das Studium der Bohemistik an den Nagel zu hängen und sich statt dessen im viel aufregenderem Fach, so dachte er, der Japanologie einzuschreiben.

      .“Warum hast du einen Bart?“ fragte Ivan ihn irgendwann.

      Jan war um eine Antwort verlegen; ihm schwebten Bilder von vollbärtigen rusischen Leibeigenen vor.

      .“Trägt man bei euch keine Bärte mehr?“

      “Nein. Das ist rückständig. Wir sind jetzt wie die Amerikaner, ohne Bart. Und ins Weltall

      fliegen wir auch!“ Ivans Stolz war nicht zu bremsen, doch das Gespräch stockte plötzlich, es fehlte an Themen.

      "Und wie fühlt ihr euch bei uns? " fragte Jan, bevor sie gingen.

      "Wie zu Hause!“

      Nachdem die Russen weg waren, blieb er noch eine Weile bei seinem Wodka sitzen. Enttäuscht sinnierte er über die slawische Melancholie, von der sein Russischlehrer

      manchmal sprach. Die sibirjaci hatten keine Spur davon.

      Der besagte Lehrer war übrigens ein hervorragender Russist und Kenner der russischen Literatur, die er liebte. Dostojewski, Gogol, Lermontov...ja vor allem war es Lermontovs Poesie, die er versuchte, seinen nicht an Poesie sondern am Fußball interessierten Schülern nahezubringen.

      Anstatt russische Gramatik zu erklären, setzte er sich in der Klasse hin und las Lermontovs Gedichte vor:

      .... ..weiß schimmert das einsame Segel in des Meeres blauem Dunst....

      Und so weiter. Hinterher hatte man über Lermontovs kurzes Leben gesprochen. Zarensoldat im russischen Kaukasuskrieg war er, Gedichte geschrieben, sich wegen einer Frau duelliert und im Duell gestorben.

      Ein echter Russe!

      Der Russischlehrer war übrigens parteilos und aus diesen und jenen Gründen wollte die Schulleitung ihn loswerden, was irgendwann auch geschah. Gerüchte über seine Neigung zum Glücksspiel gingen um, es hieß, er wäre ein Zocker.

      Er verlor seine Stelle, seine Wohnung, seine Frau, zog in eine kleine Dachkammer und es war unklar, wovon er eigentlich lebte. Mit dreiunddreißig Jahren starb er an Krebs.

      Später forschte Jan auf eigene Faust über Lermontov nach und fand heraus, dass seine Vorfahren nach Russland ausgewanderte, schottische Adelige waren und Lermont hießen.

      4 Die Braut

      Gegen Ende des Wonnemonats Mai wurde es in Prag vorsommerlich warm. In den pittoresken barocken Kirchen, fanden nun nicht nur Maimessen - diese, so wie die gesamte römisch - katholische Kirche waren damals geradeso halbherzig geduldet -, sondern mitunter auch Maikonzerte statt. In diesem besonderen Ambiente kam insbesondere klassische Barockmusik gut an: Bach, Händel, Telemann, Vivaldi.

      Die Kirchen waren voll - nicht nur von Touristen auf der Jagd nach sehens- und- hörenswürdigen musikalischen Attraktionen - auch viele einheimische Musikliebhaber waren dabei. Die Tschechen sind ein musikalisches Volk.

      In den Prager Stadtgärten - nun voll von blühenden Büschen und Bäumen - wurden Konzerte unter freiem Himmel veranstaltet; für Jan, dem dierMusik viel bedeutete, ein guter Grund für ausgedehnte Spaziergänge im Grünen mit musikalischem Hintergrund. Angeboten wurden meist als Kammermusik arrangierte, leichtere Operettenstücke der klassischen oder späten Romantik: Brahms, Mozart, Verdi.

      Die Vorführungen fanden auf gelegentlich mit Blumen geschmückten Freibühnen statt, die genug Platz für ein Quartett mit Sänger oder Sängerin boten.

      Einmal gelang es Jan einen Sitzplat direkt in der ersten Reihe vor der Konzertbühne zu erlangen; an jenem Nachmittag wurden im Wallensteiner Palaisgarten ausgewählte Operettenarien angeboten, vorgetragen von angehenden Absolventen des Prager Konservatoriums. Die Veranstaltung galt als nur halbprofessionell, der Eintritt war frei.

      Die blonde Sängerin, die direkt vor ihm auf der Bühne stand und ihm bekannt vorkam, suchte unentwegt seinen Blickkontakt und schien nur für ihn zu singen. Ihr Glanzstück war eine bekannte Arie aus der Traviata von Verdi. Sie war eine gute Sopranistin, aber in den höheren Stimmlagen etwas unsicher, - was wohl keinem der Zuhörer auffiel, außer Jan. Mit einem Ausdruck von Zuversicht lächelte er sie an.

      Nach Ende der Veranstaltung stand sie da mit einem Blumenstrauß in der Hand, den ihr wohl ein anonymer Bewunderer aus dem Publikum hatte zukommen lassen.

      Jan, so wie einige andere, ging auf sie zu. Sie reichte ihm etwas förmlich die Hand, wohl um sich für die Blumen zu bedanken. Es war ein bunt gemischter Blumenstrauß, in dem die klassischen, roten Rosen überwogen.

      "Wir

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