Das Lächeln von Kleopatra. Albert Morava

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Das Lächeln von Kleopatra - Albert Morava Die Flucht

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stand im Gespräch mit ihren männlichen Begleitern vor dem Eingang. Das Traviata - Mädchen vom Vortag wirkte auf einmal ganz anders: in ihren schwarzen Lederstiefeln hätte sie vom Pariser Place Pigalle kommen können. Zur Bluse aus roter Seide mit weit offenem Ausschnitt trug sie eine schwarze Lederweste und ein goldfarbenes Halstuch, das zwar ihren Hals zudeckte, aber nicht den gewölbten Ansatz ihrer Brüste.

      Die Jungs, die um sie herumstanden, und eine Art aggressiven Großstadtslang sprachen, waren allem Anschein nach einfache, aufsässige Jungarbeiter, die sich aus irgendeinem Anlass fein zurechtgemacht hatten. Auch ein großer Rothaariger mit schulterlangen, gewellten Haaren und leicht irrem Blick eines Drogensüchtigen war dabei.

      Aus dem Inneren der Spiegelkapelle ertönte mächtig die Orgel, an der jemand seine Kunstfertigkeit für die kommende Musikprobe unter Beweis stellte.

      Jan empfand leichtes Unbehagen. Mit gemischten Gefühlen versuchte er intuitiv, die Situation aus seiner Sicht einzuschätzen. Etwas gefiel ihm nicht und vor allem nicht die Jungs, in deren Begleitung Ella war. Mit keinem von diesen Typen hätte er sich ein sinnvolles Gespräch vorstellen können, erst recht nicht in dem lässigen und leichtfertigen Jargon, den sie sprachen.

      Im Innenhof des Klementinum waren mehrere Sitzbänke an verschiedenen Stellen aufgestellt - meist direkt neben den Blumenbeeten an den ockergelben Mauern der Bibliothek.

      Auch Passanten setzten sich oft dahin sowie Hundebesitzer, die hier ihre Maskottchen im Freien spielen ließen. Hier konnte man Stunden verbringen und als Zeitvertreib die Menschen beobachten, die durch den Innenhof wanderten.

      Jan wechselte die Sitzbank, um mehr Abstand zum Eingang der Spiegelkapelle zu gewinnen und gleichzeitig eine bessere Sicht über den gesamten Innenhof zu haben.

      Eine Gruppe von jungen Mädchen scharte sich um eine gut aussehende Brünette mit glatten, schwarzen und überlangen Haaren, die ihr üppig über die Schultern fielen und ihren Rücken fast vollständig zudeckten. Eher schmucklos angezogen, mit Jeans und weißem Pullover, wirkte sie dennoch selbstbewusst und steuerte mit ihrer Mädchengruppe - die meisten waren jünger als sie selbst und wohl sämtlich ihre Fans - auf die Eingangstür der Spiegelkapelle zu. Sie nannten sie Ivana und sie war zweifelsfrei die neue Starsängerin in der anstehenden Vorführung.

      Die Gruppe betrat die Kapelle, worauf einige Pfiffe ertönten, in die sich auch einige Buhrufe mischten. Ella und ihre Begleiter folgten ihr und nach einigen Minuten ertönte in der Kapelle das erste Probestück - es war das Ave Maria von Bach - arrangiert im Stil eines Kuschelrockstücks mit geschickter Verwendung von Saxophon und begleitet von einem Gitarrenensemble, das sich jetzt Heavens Angels nannte.

      Auch Orgelpassagen und Harfentöne waren zu hören; ein durchaus interessantes Arrangement für die damalige Zeit. Nach der Saxophon - Ouvertüre erklang die Stimme der neuen Sängerin, kräftig, warm und gefühlvoll; absolut sicher in allen Tonlagen. Ein sturmähnlicher Applaus und Pfiffe der Anerkennung folgten.

      Es war faszinierend, dieses modern und eindrucksvoll arrangierte Ave Maria vor dem Hintergrund des Klementinums zu hören; viele Passanten blieben einfach stehen, nur um zu lauschen.

      Doch es bedeutete gleichzeitig das Ende von Ellas Träumen als Sängerin bei den Heavens Angels.

      Das Publikum war von Ivanas Gesang so überwältigt, dass Ella in der Probe gar nicht zum Zug kam.

      Nachdem der Beifall sich legte, erschien Ella in der Eigangstür der Kapelle ganz allein und winkte Jan zu.

      "Hier bin ich", sagte sie mit etwas erzwungenem Lächeln, " und jetzt haben wir Zeit genug für uns!"

      "Schön", sagte er, " dass du da bist." Er stand auf und wollte sie umarmen, doch sie entzog sich, es blieb bei einem langen Händedruck.

      "Hier besser nicht", sagte sie, "lass uns hier weggehen."

      Jan hätte zwar gerne noch mehr von der Musik gehört, doch Ella wirkte nervös und ungeduldig, als wäre etwas passiert, was sie nicht erwartet hätte. Sie liefen nebeneinander her, ohne sich anzufassen.

      "Wo sollen wir hin?" fragte er.

      "Egal. Irgendwohin. Quer hinüber durch die Altstadt, zum Pulvertor."

      Das war ein schöner, kleiner Spaziergang in den schmalen, romantischen Gassen der Altstadt, an den barocken Fassaden und unter den Giebeln von alten Patrizierhäusern vorbei, dort, wo einst auf dem Kopfsteinpflaster Pferdekutschen rollten. In einem der nahezu menschenleeren Gässchen blieben sie stehen und umarmten sich.

      Er küsste sie kurz auf den Mund und sie erwiderte den Kuss, ohne mit ihren Lippen auf seinen Lippen zu verweilen.

      "War vorhin etwas Schlimmes passiert?" fragte er und drückte sie fester an sich. Sie war zierlich und selbst in Stiefeln mit hohen Absätzen war sie um einen guten Kopf kleiner als er.

      " Nein...eigentlich nicht. Ich wusste ja, dass Ivana mich ersetzen wird. Nur die Art und Weise, wie mir gezeigt wurde, dass sie besser ist als ich, hat mich verletzt."

      "Hat Jerry dir gesagt, dass sie singen wird?"

      Ella biss sich verlegen auf die Unterlippe und schwieg. Er strich ihr mit der Hand über die Wange.

      "Er hat gesagt, sie würde auch dabei sein. Aber nicht, dass sie vor mir singen wird."

      Jan schaute ihr in die Augen, die zwei kleinen, blauen, von Morgentau umspülten Feldblümchen glichen. Ein zartes Tränchen lief ihr die Wange hinunter.

      "Ja, die Reaktion der Leute war umwerfend.." meinte er. "Hatte Jerry einen besonderen Grund, dich so zu behandeln?"

      "Er liebt mich", sagte Ella mit einem Hauch von Ironie in der Stimme. "Aber ich ihn nicht!"

      Sie nahm Jan fest bei der Hand und sie liefen weiter. Jan schwieg. "Nie war etwas zwischen uns", fügte sie ungefragt hinzu. Fast lässig wischte sie sich die Tränen vom Gesicht ab, mit einer Handbewegung, die etwas Stolzes an sich hatte.

      "Wer waren die anderen Jungs?" fragte er nach einer Weile.

      "Ach, die...", winkte sie ab. "Das sind meine Beschützer..die Gang aus meinem Viertel."

      "Wo wohnst du eigentlich?"

      "In Smíchov, bei der Oma, aber bald werde ich woanders hinziehen."

      Diesen Stadtteil Prags kannte Jan nur vom Namen her. Es war ein reines Wohnviertel, erbaut vor fast Hundert Jahren auf dem linken Moldauufer. Ziemlich zentral, bestand es hauptsächlich aus großen, heruntergekommenen Mietshäusern und besaß sogar einen kleinen Bahnhof für den örtlichen Nahverkehr mit Dampflokomotiven. Daher war die Luft in der Bahnhofgegend verrußt und unsauber, obwohl der Straßenverkehr sich in Grenzen hielt.

      Ursprünglich - als die Bahn noch unter österreichischer Regie fuhr, wohnten hier viele Bahnbedienstete des österreichischen Kaiserreichs. Jan hatte noch nie einen Weg dahin, seitdem er in Prag war.

      "Und wieso wohnst du bei der Oma?"

      Sie schaute ihn ernst an.

      "Weil ich woanders nicht wohnen kann."

      Sie standen jetzt am Altstädter Ring vor dem Altstädter Rathaus, an der Stelle, wo die historische Tafel daran erinnerte, dass hier im Jahre 1620 der gesamte tschechische

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