Erzählungen aus 1001 Nacht - 1. Band. Anonym
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Als aber König Schahryar die Schmach seines Weibes und der Nebenfrauen sah, wurde er wie von Sinnen, und er rief: »Nur in äußerster Einsamkeit kann der Mensch vor dem Gebaren dieser schmutzigen Welt sich retten! Bei Allah, das Leben ist nichts als ein großes Unrecht.« Und er fügte hinzu: »Durchkreuze nicht, o mein Bruder, meinen Plan«; und der andere sagte: »Nein.« Da sprach er: »Wir wollen uns aufmachen, so wie wir sind, und hinweg, denn wir haben nichts zu tun mit königlicher Würde, und wir wollen über Allahs Erde ziehen und den Allmächtigen anbeten, bis wir einen finden, den gleiches Unglück befiel; und wenn wir keinen finden, so wird der Tod uns willkommener sein als das Leben.« So zogen die beiden Brüder durch eine zweite geheime Tür des Palastes aus; und nie wurden sie gehemmt im Wandern bei Tag und bei Nacht, bis sie einen Baum erreichten, mitten auf einer Wiese, dicht bei einem Quell süßen Wassers, an der Küste des Salzmeers. Beide tranken daraus und setzten sich, um auszuruhen; und als eine Stunde des Tages verstrichen war, siehe, da vernahmen sie ein gewaltiges Brüllen und einen Aufruhr mitten auf dem Meer, als fiele der Himmel auf die Erde nieder; und das Meer brach vor ihnen in Wellen, und aus ihm erhob sich eine schwarze Säule, die wuchs und wuchs, bis sie in den Himmel stieg, und kam auf die Wiese zu. Als sie das sahen, fürchteten sie sich sehr, und sie kletterten in die Krone des Baums, der sehr hoch war; und von dort beobachteten sie, was daraus werden mochte. Und siehe, es war ein Dschinni, von riesenhafter Höhe und gewaltiger Statur und Brust, von breiter Stirn und schwarz an Farbe; und auf dem Haupte trug er einen kristallenen Kasten. Er watete durch die Tiefe und stieg ans Land und kam zu dem Baum, auf dem die zwei Könige waren, und setzte sich darunter. Dann stellte er den Kasten auf seinen Boden nieder, hob eine Schatulle daraus hervor mit sieben stählernen Schlössern und öffnete sie mit sieben stählernen Schlüsseln, die er aus seiner Lende zog; und heraus sah man ein Mädchen steigen, von weißer Haut und gewinnender Miene, fein und schlank von Wuchs, und strahlend, als wäre sie der Mond in vierzehnter Nacht, oder die Sonne, wenn sie liebliche Lichter regnet. Also wie es der Dichter Utayyah so herrlich sagt:
Sie stieg wie der Tag, als sie schien durch die Nacht – Und der Hain glüht auf, wie das Gold, das lacht:
Die Sonne wird von ihren Strahlen entfacht – Sie beschämt den Mond mit entschleierter Pracht.
Und alle beugen sich ihrer Macht – Wenn die Reize sie zeigt und ablegt die Tracht.
Und Städte strömen, wenn Tränen gebracht – Der Blitz, der in ihren Blicken erwacht.
Der Dschinni setzte sie neben sich unter den Baum und sah sie an und sprach: »O erlesenste Liebe dieses meines Herzens! O Herrin edelster Geburt, von mir entrafft in deiner Brautnacht, auf daß mich niemand hinderte, dein Mädchentum zu nehmen, noch dich warf, eh ich es tat, und die noch keiner liebte und liebkoste außer mir: o du Geliebte, gern wollt' ich ein wenig schlafen.« Und er legte den Kopf in des Mädchens Schoß; und indem er die Beine ausstreckte, die bis zum Meere reichten, entschlief er und schnarchte und dröhnte wie das Rollen des Donners. Alsbald hob sie den Kopf zur Krone des Baumes und sah die zwei Könige nahe dem Wipfel kauern; da nahm sie sachte den Kopf des Dschinni, den zu tragen sie müde wurde, von ihrem Schoße und legte ihn auf den Boden; und sie stand unter dem Baume auf und winkte den Königen: »Kommt herab, ihr beiden, und fürchtet nichts von dem Ifriten.« Sie waren in furchtbarer Angst, als sie merkten, daß sie sie gesehen hatte, und antworteten ihr auf die gleiche Art: »Um Allah und bei deiner Bescheidenheit, o Herrin, erlaß es uns, hinabzukommen!« Aber sie erwiderte: »Bei Allah, ihr sollt sofort herunterkommen; und kommt ihr nicht, so wecke ich meinen Gatten, diesen Ifriten, gegen euch, und er wird euch des schlimmsten Todes sterben lassen«; und sie fuhr fort, ihnen Zeichen zu machen. So kamen sie in Angst zu ihr herab, und sie trat vor sie hin und sagte: »Stecht mir einen starken Stich, unverzüglich, oder ich wecke und hetze diesen Ifriten gegen euch, und er wird euch sofort erschlagen«. Sprachen sie zu ihr: »O unsere Herrin, wir beschwören dich bei Allah, erlaß uns diese Arbeit, denn wir sind Flüchtlinge vor solchen Dingen, und wir sind in äußerster Angst und Not vor diesem deinem Gatten. Wie könnten wir es da so tun, wie du es wünschest!« »Laßt das Schwätzen, es muß sein,« sprach sie; und sie schwor bei ihm, der den Himmel in der Höhe errichtete, ohne Stütze noch Pfeiler, wenn sie ihr nicht den Willen täten, würde sie sie erschlagen und ins Meer werfen lassen. Worauf aus Furcht König Schahryar zu König Schah Zaman sagte: »O mein Bruder, tu, wie sie befiehlt«; der aber erwiderte: »Ich will es nicht tun, bis du es vor mir tatest«. Und sie begannen sich darum zu