Überredung. Jane Austen

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Überredung - Jane Austen

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innerhalb des Hauses fehlten, um sie zu füllen. Aber jetzt begann eine neue Aufgabe und Sorge ihre Gedanken zu beschäftigen. Ihr Vater geriet immer mehr in finanzielle Schwierigkeiten. Sie wußte, daß er den Adelskalender nur noch in die Hand nahm, um die hohen Rechnungen seiner Anspielungen von Mr. Shepherd, seinem Rechtsanwalt, darüber zu vergessen. Der Besitz von Kellynch war ertragreich, aber den Ansprüchen, die Sir Walter an den Lebensstil seines Besitzers stellte, nicht gewachsen. Solange Lady Elliot lebte, hatten Überlegung, Bescheidenheit und Sparsamkeit geherrscht, so daß er mit seinen Einkünften gerade auskam. Aber mit ihr war auch alle Rechtschaffenheit dahingegangen, und seit der Zeit hatte er ständig über seine Verhältnisse gelebt. Er hatte es nicht fertig gebracht, weniger auszugeben; er hatte nur getan, wozu Sir Walter Elliot unbedingt verpflichtet war. Aber schuldlos, wie er war, geriet er nicht nur immer tiefer in Schulden, sondern bekam es auch so oft zu hören, daß es aussichtslos wurde, es auch nur teilweise länger vor verheimlichen. Er hatte ihr gegenüber im letzten Frühjahr Andeutungen gemacht. Er war sogar so weit gegangen zu fragen: »Können wir uns einschränken? Meinst du, daß wir uns irgendwo einschränken können?« – und Elizabeth, das muß man ihr lassen, hatte im ersten Eifer weiblicher Panik ernsthaft darüber nachgedacht, was zu tun sei, und schließlich die beiden folgenden Sparmaßnahmen vorgeschlagen: einige unnötige Wohltätigkeitsspenden zu streichen und von einer Neumöblierung des Wohnzimmers abzusehen, wozu ihr später noch der glückliche Einfall kam, Anne diesmal, wie es sonst ihr jährlicher Brauch gewesen war, kein Geschenk mitzubringen. Aber diese Maßnahmen, so sinnvoll sie auch sein mochten, wurden dem tatsächlichen Ausmaß des Übels, das in seiner ganzen Tragweite ihr zu gestehen Sir Walter sich bald danach genötigt sah, bei weitem nicht gerecht. Elizabeth hatte keine tiefergreifenden Hilfsmittel vorzuschlagen. Sie fühlte sich genau wie ihr Vater mißbraucht und unglücklich; und sie waren beide außerstande, Wege zu finden, ihre Ausgaben einzuschränken, ohne auf unerträgliche Weise ihre Würde zu beeinträchtigen oder auf ihre Bequemlichkeit zu verzichten. Es gab nur einen kleinen Teil seines Besitzes, den Sir Walter veräußern konnte. Aber hätte er sich von jedem Stückchen Erde trennen können, es hätte nichts genutzt. Er hatte sich, soweit es in seiner Macht stand, zu Hypotheken herabgelassen, aber er würde sich nie dazu herablassen zu verkaufen. Nein, soweit würde er den Familiennamen nicht entehren. Der Besitz von Kellynch würde heil und ganz, so wie er ihn übernommen hatte, weitergegeben werden. Ihre beiden engsten Freunde, Mr. Shepherd, der in der nächsten Kleinstadt wohnte, und Lady Russell, wurden um ihren Rat gebeten, und sowohl Vater als auch Tochter erwarteten anscheinend, daß einer von beiden einen Einfall haben würde, wie man ihnen aus der Verlegenheit helfen und ihre Ausgaben verringern könne, ohne daß ihre Ansprüche an Geschmack oder Stolz Abbruch erleiden würden.

      Kapitel 2

      Mr. Shepherd, ein höflicher, vorsichtiger Rechtsanwalt, dem ungeachtet seiner Macht oder seiner Ansichten über Sir Walter daran lag, die unangenehmen Nachrichten von jemand anderem offenbaren zu lassen, enthielt sich auch der leisesten Andeutung und erlaubte sich lediglich, dem ausgezeichneten Urteil von Lady Russell, von deren gesundem Menschenverstand er sich genau die einschneidenden Maßnahmen versprach, die er letzten Endes getroffen zu sehen wünschte, seine uneingeschränkte Hochachtung auszusprechen.

       Lady Russell lag das Thema außerordentlich am Herzen, und sie machte sich ernsthafte Gedanken darüber. Zuverlässig, wenn auch nicht schnell in ihrem Urteil, war sie eine Frau, die bei dem Aufeinanderprallen zweier wichtiger Grundsätze große Schwierigkeiten hatte, eine Entscheidung zu treffen. Sie war eine durch und durch integre Frau, mit unbestechlichem Ehrgefühl. Aber sie war ebenso bemüht, Sir Walters Gefühle zu schonen, wie auf das Ansehen der Familie bedacht, ebenso standesbewußt in ihren Vorstellungen über ihre gesellschaftlichen Ansprüche, wie ein vernünftiger und aufrichtiger Mensch nur sein konnte. Sie war eine wohlmeinende, gütige, ehrliche Frau und zu starken Bindungen fähig, äußerst korrekt in ihrem Benehmen, streng in ihren Vorstellungen von Anstand und mit Umgangsformen, die für den Inbegriff einer guten Kinderstube gehalten wurden. Sie war gebildet und dachte im allgemeinen rational und logisch – aber sie hatte Vorurteile in Fragen des Standes. Sie maß Rang und Stellung eine Bedeutung bei, die sie gelegentlich über die Schwächen derer hinwegtäuschte, die sie besaßen. Selbst nur die Witwe eines Geadelten, galt der Würde eines Barons ihre ganze Bewunderung; und Sir Walter hatte unabhängig von seinen Ansprüchen als alter Bekannter, als aufmerksamer Nachbar, als verständnisvoller Vermieter, als Gatte ihrer engsten Freundin und Vater von Anne und ihren Schwestern in ihren Augen schon allein als Sir Walter Anspruch auf eine Menge Mitleid und Nachsicht in seinen augenblicklichen Schwierigkeiten.

       Sie mußten sich einschränken; daran gab es keinen Zweifel. Aber sie war sehr darauf bedacht, daß er und Elizabeth so wenig wie möglich darunter zu leiden hatten. Sie entwarf Sparmaßnahmen, sie stellte genaue Berechnungen an, und sie tat das, woran sonst niemand gedacht hatte: sie bat Anne um ihren Rat, von der anscheinend niemand sonst irgendein Interesse an der Sache erwartete. Sie fragte sie also um Rat und ließ sich in gewisser Weise beim endgültigen Entwurf der Einschränkungsmaßnahmen, wie sie Sir Walter zu guter Letzt vorgelegt wurden, beeinflussen. Anne hatte bei allen ihren Vorschlägen für Aufrichtigkeit statt für eine standesgemäße Fassade plädiert. Sie wollte einschneidendere Maßnahmen, eine radikalere Umstellung, eine schnellere Tilgung der Schulden, eine entschieden größere Gleichgültigkeit gegenüber allem, außer was recht und billig war.

       »Wenn wir deinen Vater dazu überreden können«, sagte Lady Russell mit einem Blick auf ihren Plan, »dann ist schon viel erreicht. Wenn er diese Maßnahmen akzeptiert, ist er in sieben Jahren schuldenfrei; und ich hoffe, wir können ihn und Elizabeth davon überzeugen, daß Kellynch Hall an sich ein Ansehen besitzt, dem diese Einschränkungen keinen Abbruch tun können, und daß Sir Walter Elliots wahre Würde in den Augen vernünftiger Leute durchaus nicht beeinträchtigt wird, wenn er wie ein Mann von Grundsätzen handelt. Und was tut er denn anderes, als was sehr viele unserer führenden Familien ebenfalls getan haben – oder tun sollten? Sein Fall ist keine Ausnahme, und es ist die Ausnahme, die uns oft am schlimmsten trifft oder jedenfalls unser Handeln entscheidend beeinflußt. Ich habe große Hoffnungen, daß wir uns durchsetzen. Wir müssen bestimmt und entschieden sein – denn schließlich muß der, der Schulden gemacht hat, sie auch bezahlen. Und obwohl man den Empfindungen eines Gentleman und dem Haupt einer Familie wie deinem Vater viel Rücksicht schuldig ist, dem Charakter eines ehrlichen Mannes ist man mehr Rücksicht schuldig.«

       Anne lag daran, daß ihr Vater nach diesem Grundsatz handelte und seine Freunde ihn darin bestärkten. Sie hielt es für ein unumgängliches Gebot der Pflicht, die Ansprüche der Gläubiger mit all der Geschwindigkeit zu befriedigen, die nur durchgreifende Einschränkungen garantieren konnten; und weniger als das erschien ihr ehrlos. Sie wünschte, daß ein solcher Schritt verordnet und als Pflicht empfunden wurde, sie versprach sich viel von Lady Russells Einfluß; und was die Rigorosität des Verzichts betraf, den ihr eigenes Gewissen vorschrieb, so glaubte sie, daß es kaum schwieriger sein werde, sie zu einer vollständigen Umkehr zu überreden als zu einer halbherzigen. Wie sie ihren Vater und Elizabeth kannte, würde das Opfer eines Pferdegespannes sie kaum weniger schmerzlich treffen als das von zweien, und das gleiche galt für die ganze Liste von Lady Russells zu vorsichtigen Einsparungen.

       Wie Annes rigorosere Forderungen aufgenommen worden wären, spielt keine Rolle. Lady Russells hatten keinerlei Erfolg – galten als unannehmbar – waren unerträglich. Was! Auf alle Annehmlichkeiten des Lebens verzichten! Reisen, London, Diener, Pferde, Tafelfreuden – überall Kürzungen und Einschränkungen! Sich nicht einmal mehr den Lebensstil eines einfachen Gentleman leisten! Nein, lieber würde er Kellynch Hall auf der Stelle verlassen, als unter solch schmählichen Bedingungen weiter darin zu wohnen!

       »Kellynch Hall verlassen!« Das Stichwort wurde sofort von Mr. Shepherd aufgegriffen, der ein durchaus greifbares Interesse an Sir Walters Sparmaßnahmen hatte und völlig davon überzeugt war, daß ohne einen Wohnungswechsel nichts zu erreichen war. Da der Gedanke von genau der Seite komme, die die Entscheidungen treffen müsse, habe er keinerlei Skrupel, sagte er, zu gestehen, daß er mit dieser Meinung völlig übereinstimme. Er halte es nicht für wahrscheinlich, daß Sir

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