Tokeah. Charles Sealsfield

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Tokeah - Charles  Sealsfield

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Miko? Was ist dieser Miko?«

      »Der Häuptling der Oconees«; lispelte sie mit bebender Stimme.

      »Der Miko ist ferne,« sprach eine Stimme hinter ihnen, die die Gegenwart der Indianerin verriet, »aber wird sein Geruch nicht die Spur des Fremdlings wittern? Meine Schwester sollte nie vergessen, daß sie zugleich die Tochter des Miko und sein Gast ist.«

      »Um Gottes willen!« rief diese, »mein Bruder muß gehen, er darf nicht länger in der Hütte des Miko verweilen. Wenn der Miko –.«

      »Nur ein Wort, dieser Miko?«

      »Mein Bruder«, sprach das Mädchen dringender, »muß wirklich gehen. Meine roten Schwestern sind sehr mißtrauisch, und ihre Augen würden sich verfinstern, wenn sie ihn mit Rosa in dem Wigwam fänden.«

      »Wohl! Wohl! Ja, ja gewiß«; erwiderte der junge Mann, ihre Hand plötzlich fahren lassend. »Gute Nacht, Gott segne dich, du lieblichstes aller Wesen!«

      »Gute Nacht, mein Bruder!« lispelte sie ihm nach.

      Er fing den Ton ihrer Stimme auf, als er durch den Vorhang eilte. Er rannte durch die äußere Stube, durch die Türe und beinahe über die Indianerin. Himmel und Erde tanzten vor seinen Augen. Er suchte seine Hütte, sie war unsichtbar. Der silberartige Flor hatte sich über den ganzen Uferkamm hingelagert. Kein Dach, kein Haus, kein Licht war zu ersehen. Alles war in tiefe Nacht begraben. Die Dünste, die kalt und feucht von dem Strome herüberkamen, fingen an, seine Hitze zu kühlen, eine Fieberkälte begann seinen Rücken herabzurieseln.

      »Mein Bruder«, sprach eine sanft melodische Stimme, während eine Hand die seinige ergriff, »ist zu viel gerannt. Will er nicht in seine Hütte zurückkehren?«

      Er blickte auf und sah die Indianerin vor sich.

      »Meine Schwester scheint mich sehr im Auge zu behalten«; erwiderte er nicht ohne Mißmut. Sie blickte ihn an, ohne den Sinn seiner Worte zu begreifen. »Meine Schritte zu bewachen«, fuhr er in demselben Tone fort.

      »Unsere jungen Männer sind mit dem Miko auf der Jagd, Canondah ist die Tochter des großen Häuptlings«; sprach sie ernsthaft.

      »Du bist also die Tochter des Indianerhäuptlings?« fragte er mit etwas mehr Interesse. Sie nickte und sprach: »Canondah hat es bereits ihrem Bruder gesagt; die Nacht ist kühl, mein Bruder muß in das Wigwam, oder mit der frischen Sonne wird er das Fieber haben.« Mit diesen Worten deutete sie vorwärts und schlüpfte voran. »Hier«, sprach sie auf die Hütte deutend, »wird mein Bruder Rast und Ruhe finden; und die Büffelhaut aufhebend, ließ sie ihn hindurch und entfernte sich eilends.

      »Sie ist die Tochter des Miko, des großen Häuptlings der Oconees«; rief der Brite, den die kühle Nachtluft und die drohende Gestalt der Indianerin plötzlich aus seiner Phantasmagorie zurückgebracht hatte. »Fürwahr! würde nicht geglaubt haben, daß unsere Schildkröten- und Austernexkursion uns die Ehre so hoher Bekanntschaften zuwege bringen würde«, fuhr er lachend fort. »Wenn nur der Tom da wäre. Was würde der zu dem herrlichen Engel sagen? Wohl, wohl, Hodges, da könntest du so eine Art Roman spielen, und wenn es gut geht, von der Liste weggestrichen werden oder wenigstens für vierzehn Tage alle Sterne am Himmel abzählen. Ich möchte nur wissen, was unser alter Brummbär sagen wird?«

      Der Morgen, der auf die etwas unruhige Nacht folgte, war schön und hell. Die Strahlen der Dezembersonne gossen über Dorf und Flur eine milde Wärme, die Fluß- und Hüttenbewohner neu belebte. Tausend wilde Enten, Gänse und Schwäne trieben ihr Wesen auf dem prachtvollen Strome, während Spottvögel, Paroquets und Bluebirds ihre harmonischen Töne aus den Gebüschen hören ließen. Herüber von dem Waldende hörte man den Gesang einer Schar Mädchen, die um eine kleine Herde gezähmter Büffelkühe beschäftigt waren; und etwas näher dem Strome zu war ein großes Feuer zu sehen, um das ein großer Haufe von Jungen und Mädchen sich herumtrieb. Sie verbrannten jauchzend eine lange, dicke, mit Stroh ausgefüllte Figur, deren weißes Gesicht einen Yankee vorstellen sollte und in dessen Wamse zahllose Pfeile steckten.

      Aus der Hütte, in der unser Midshipman der indianischen Gastfreundschaft genoß, kam Canondah, ein Körbchen am Arme. Sie hatte sich bereits der Wohnung ihres Vaters genähert und schien eilig zu sein, als die Büffelhaut der Hütte sich öffnete und der junge Mann ihr nachgelaufen kam. Sein schneller, fester Schritt bezeugte, daß er sich beinahe gänzlich erholt habe. Das Äußere des jungen Mannes verriet jenes humoristisch waghalsige und derbe Wesen, das einen jungen Seekadetten so wohl kleidet, in dem der spaßhafte Geist des Matrosen mit dem ernsten, herrischen Wesen des Offiziers und den halb geschliffenen Manieren des Landjunkers noch immer um die Oberhand streiten. Die bleiche Jammergestalt war zum kräftigen, rotbackigen Sprossen John Bulls geworden, in dessen muntern blauen Augen sich ein gewisses behagliches Gefühl, mit viel gesundem Menschenverstand, abspiegelten, während der um sein Kinn aufgesprossene ziemlich lange Flaum und die Adlernase dem noch immer wettergebräunten Gesichte einen Ausdruck von Kraft und Männlichkeit gaben. Mit diesem anziehenden Äußern jedoch stach seine Garderobe nur zu sehr ab, die, die Wahrheit zu sagen, nichts weniger als einladend war. Zu geschweigen des Halskragens, der seit mehreren Wochen der Seife entbehrt haben mochte, war seine Jacke stellenweise durchlöchert, und ein Stück Kottontuches verbarg nur kümmerlich den Schaden, den die Zähne des Alligators an seinen Beinkleidern angerichtet hatten.

      Die Indianerin hatte kaum die Fußtritte des Nahenden gehört, als sie sich umwandte und ihm freundlich entgegenging. In ihrer Miene lag nichts von jener kalten Härte, die früher an ihr sichtbar gewesen; im Gegenteil, sie war heiter und fröhlich.

      »Mein Bruder«, rief sie ihm von weitem lachend zu, »hat den Schlaf eines Bären, den weder die Wasservögel, noch die schreienden Squaws aufwecken können. Die Sonne ist bereits hoch, und doch hat er seine Schwester nicht gehört.«

      »Ja doch,« versicherte er, »und der beste Beweis davon ist, daß ich mich sogleich aufmachte, um den Besuch zu erwidern.«

      Das Kompliment schien von dem Mädchen wieder nicht verstanden zu werden, und sie drohte ihm lächelnd mit dem Finger. »Mein Bruder spricht wieder mit einer Doppelzunge.«

      »Ich bin gekommen, meiner freundlichen, guten Schwester meinen Morgengruß anzubieten,« erwiderte er, sich die Lippen beißend, »aber was die Doppelzunge betrifft, so muß ich zu meinem Leidwesen gestehen, daß ich nur die schlichte, ehrliche Zunge von meinem Altengland spreche. Mein weniges Französisch habe ich seit meinem achtzehnmonatigen Schiffsleben so ziemlich wieder vergessen.« Die unbekümmert behagliche Weise, mit der er diese Worte sprach, und das ganze Wesen des vollen, blühenden Jünglings, in dem kein Arges zu sein schien, brachten sichtlich einen günstigen Eindruck auf die Indianerin hervor. Ihre Augen hingen mit Wohlgefallen an ihm; sie sann einige Augenblicke nach, ergriff plötzlich seine Hand, und auf seine Hütte deutend, sprach sie: »Mein Bruder wird da seine Schwester erwarten.«

      Sie flog dann zur Türe ihres Häuschens, stellte das Körbchen nieder und eilte zur zweiten größern Hütte, aus der sie nach einer Weile mit einem ziemlich großen Bündel kam. Mit diesem flog sie der Hütte des Briten zu.

      »Meines Bruders Gürtel und Hemd sind sehr schmutzig und zerrissen«; sprach sie. »Hier wird er finden, was ihn besser kleiden wird.«

      »Was ist das, liebe Schwester?« versetzte er, der sich allmählich an ihre Phraseologie gewöhnte.

      »Meines Bruders Schwester wird wieder kommen, wenn er dieses mit seinen unsaubern, häßlichen Kleidern vertauscht hat«; sprach sie, durch die Türe schlüpfend.

      Neugierig untersuchte er nun das Päckchen. Es war ein vollkommener Anzug mit frischer Wäsche. Ein Überrock von blauem Tuche,

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