Der Mann, der Donnerstag war. Gilbert Keith Chesterton
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Mann, der Donnerstag war - Gilbert Keith Chesterton страница 4
»Ich denke«, sagte Gregory mit liebenswürdiger Selbstverständlichkeit, »daß wir einen Fiaker rufen werden.«
Er pfiff zwei lange Pfiffe, und ein Kabriolett kam ratternd den Weg daher. Die zwei stiegen stillschweigend ein. Gregory gab durch die Wagenklappe die Adresse an: einer obskuren Kneipe am Chiswickdammufer. Das Kabriolett rollte eilends dahin – – und somit verließen zwei Phantasten ihre phantastische Vorstadt.
Das zweite Kapitel
Das Geheimnis des Gabriel Syme
Das Gefährt hielt vor einer besonders trostlosen und schmierigen Kaschemme, und Gregory lotste seinen Kumpan auffallend eilfertig da hinein. Man nahm Platz in etwas wie einem engen finstern Gastzimmer, an einem dreckigen Holztisch mit nur einem hölzernen Bein. Und so eng und finster war der Raum, daß man von der herbeigerufenen Aufwartung nur eine vage und unheimliche Impression bekam: von etwas sehr Großem und sehr Bebartetem.
»Nehmen Sie vielleicht ein kleines Abendbrot?« fragte Gregory zuvorkommend. »Pâté de foie gras ist weniger ausgezeichnet hier. Aber Wildfleisch könnte ich Ihnen sehr empfehlen.«
Syme nahm solche Bemerkung dumm hin, indem er sich einbildete, daß das ein Schabernack sei. Und wollte auf den Humor eingehen und sagte mit wohlerzogener Indifferenz:
»Oh – bringen Sie mir etwas Hummermayonnaise.«
Da sagte aber, zu seinem unbeschreiblichen Erstaunen, der Mensch nur: »Sehr wohl, mein Herr!« und ging anscheinend fort, die Bestellung auszuführen.
»Was wünschen Sie zu trinken?« fing da Gregory wieder an – mit seiner alten dreisten und dennoch wie entschuldigenden Miene. »Ich für mich will nichts als etwas crème de menthe; ich habe diniert. Aber dem Champagner ist total zu trauen. Darf ich Sie wenigstens mit einer halben Flasche Pommery in Gang bringen?«
»Danke!« sagte der erstarrte Syme. »Sie sind sehr liebenswürdig.«
All seine ferneren Anläufe zu einer Konversation, die indes diesmal, sozusagen von Haus aus, sich gar ungeschickt anließen, waren wie mit einem Donnerschlag zu Ende – als plötzlich der Hummer angeschwirrt kam. Syme kostete ihn; und fand ihn ... besonders ausgezeichnet. Dann begann er plötzlich mit großer Hast und großem Appetit zu essen.
»Entschuldigen Sie mich, bitte, daß ich mich ziemlich rückhaltslos amüsiere!« sagte er zu Gregory und lächelte. »Ich hatte noch nicht oft das Glück, einen Traum zu träumen als wie diesen. Das ist mir neu an einer Nachtmahr, daß man dabei zu Hummer eingeladen wird. Gewöhnlich ist das Gegenteil der Fall.«
»Wenn ich Sie aber versichere, daß Sie nicht träumen!« sagte Gregory. »Sie stehen im Gegenteil vor dem wirklichsten und ungeheuerlichsten Augenblick Ihres Lebens. Ah, da kommt Ihr Champagner! Ich gebe zu, es ist ein kleines Mißverhältnis, sagen wir ein kleines Mißverhältnis zwischen den inneren Arrangements dieses exzellenten Hotels und seinem simpeln und unprätentiösen Exterieur. Aber das kommt all von unserer Bescheidenheit. Wir sind die bescheidensten Kerle, so je auf diesem Planeten gelebt.« »Und wer – wer sind diese wir?« fragte Syme und trank sein Champagnerglas aus.
»Das ist doch sehr einfach«, versetzte Gregory. »Wir sind die durchaus ernsthaften Anarchisten, die Sie durchaus nicht ernst nehmen wollen.«
»Oh!« sagte Syme kurz. »Sie wissen einen guten Tropfen nicht schlecht zu würdigen, Sie!« »Jahah«, meinte Gregory, »wir meinen es mit allem und jedem ernst!«
Und nach einer Pause setzte er hinzu:
»Sollte, in einigen wenigen Augenblicken, dieser Tisch da anfangen, sich ein bißchen herumzudrehen, so schieben Sie das bitte durchaus nicht dem Champagner in die Schuhe. Ich möchte nicht gerne, daß Sie etwa ungerecht gegen sich würden.«
»Gut, gut, ich bin nicht besoffen: ich bin wahnsinnig«, versetzte Syme vollkommen kalt; »aber ich verlasse mich darauf, ich kann mich darauf verlassen, daß ich mich in jeder Situation wie ein Gentleman benehmen werde ... Darf ich rauchen?«
»Aber gewiß doch!« sagte Gregory und zog ein Zigarrenetui. »Versuchen Sie eine von den meinigen.«
Syme griff zu, knipste die Spitze ab mit einem Zigarrenabschneider aus seiner Westentasche, steckte sich den Glimmstengel ins Gesicht, brachte ihn bedächtig in Brand und ließ eine langgestreckte Wolke Rauches ausfahren. Es kann ihm nicht hoch genug angerechnet werden, daß er all die Praktiken mit so sehr viel Fassung vollführte, denn fast bevor er noch dazu kam, sie alle zu tun, hatte der Tisch, an dem er saß, sich zu drehen angefangen – als wie behutsam zuerst und dann rapid – ganz und gar als wär's eine verrückte Seance.
»Sie müssen nicht – – lassen Sie ihn nur machen!« sagte Gregory. »Das ist nämlich – gewissermaßen eine Schraube.«
»Treffend bemerkt«, sagte Syme gelassen, »eine Schraube – gewissermaßen! Wie so unkompliziert!«
Denselbigen Augenblick stieg der Rauch seiner Zigarre, der bislang waberte und wie durchsichtige Schlangenleiber über ihnen lagerte, kerzengerade auf als wie aus einer Fabrikesse – und die zwei fuhren mit Stühlen und Tisch hinab, hinunter, hinein, durch den Fußboden durch, als ob die Erde sie verschlänge. Sanken unter Rasseln ein Ding wie einen pfauchenden Schacht hinab, so rapid als wie in einem Lift, hinein, hinunter, – und plumpsten plötzlich auf den Boden auf. Aber während Gregory zwei Türflügel aufstieß und eine rote unterirdische Helle einließ, saß Syme, immer drauflos schmauchend, das eine Bein faul übers andere geschlagen, ohne daß auch nur ein einziges Härchen seines Gelbhaars Farbe gelassen hätte.
Geleitete ihn Gregory alsdann eine niedrige gewölbte Passage hinab, von deren Ausgang das rote Leuchten heraufleuchtete. Und das kam von einer enormen hochroten Laterne, die so riesige Dimensionen hatte wie ein ganzer brennender Herd, – über einem schmalen, aber schwereisernen Tor. Und in dem Tor, da war eine Luke oder ein Gatter – und an das Tor, da schlug Gregory wohl fünfmal. Ein mächtiges Organ mit einem fremdländischen Akzent fragte heraus: »Wer da?« Und diesem Koloß antwortete Gregory sodann mehr oder weniger unvermutet: »Mr. Joseph Chamberlain.« Und die schweren Türangeln kreischten ... und vermutlich war das eine Passeparole gewesen ...
Vom Tor an erstrahlte die Passage auf den ersten Blick als wie über und über ein Stahlnetzwerk. Aber beim zweiten Zusehen ersah Syme: dieses glitzernde Muster war in Wirklichkeit: Reihe um Reihe um Reihe – eine Armee von Gewehren und Revolvern, in Reih und Glied aufeinandergeschlossen, gerad wie Mann an Mann, Schulter an Schulter.
»Entschuldigen Sie vielmals, bitte, all diese Formalitäten«, sagte Gregory, »aber wir haben äußerst strikt zu sein hier.«
»Keine Entschuldigung, bitte«, sagte Syme. »Ich kenne doch Ihre Passion für Gesetz und Ordnung« – und er marschierte die stahlstarrende Passage fürbaß. Mit seinem langen gelblichten Haar und seinem ziemlich stutzerhaften Ueberrock gab er eine besonders fragile und schwärmerische Figur ab, die da diese schimmernde Avenue des Todes hinabstapfte.
Sie gingen durch mehrere solche Passagen hindurch und gelangten zuletzt in einen wunderlich gepanzerten Raum, ein Zimmer mit gekrümmten Wänden, fast kugelförmig von Gestalt ... und das