Siebenkäs. Jean Paul

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Siebenkäs - Jean Paul

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seligen Ewigkeiten haben, wenn ich auf dem Nebenplaneten den Kreis von Klassikern und von Wiedergebornen flüchtig durchlaufen und endlich vor Wonne auf den Satelliten niederknieen und sagen werde: ›Guten Morgen, meine Kinder! Ihr Juden tatet sonst geheime Stoß- und Schußgebete, wenn euch ein Weiser aufstieß; – aber was soll ich für eines tun, das lang genug ist, da ich alle Weise und Fakultisten auf einmal sehe und Blutverwandten von mir, die sich mitten im Wolfhunger der Triebe gleichwohl der verbotenen Äpfel und Birnen und Ananas zu entäußern wußten und die mitten im Wahrheitdurste keinen Gartendiebstahl am Baum des Erkenntnisses begingen, indes ihre ersten Eltern das verbotne Obst angriffen, ob sie gleich nie Hunger fühlten, und den Baum des Erkenntnisses, ob sie gleich alle Erkenntnisse schon hatten, die der Schlangennatur ausgenommen.‹ Dann werd' ich vom Boden aufstehen und unter den Enkel-Schwarm hineinlaufen und einem auserlesenen Nachfahrer von mir an das Herz fallen und meine Arme um ihn schlingen und sagen: ›Du treuer, guter, zufriedener, sanfter Sohn – und hätt' ich meiner Heva, der Bienenmutter der gegenwärtigen Immen-Schwärme um uns her, niemand als nur dich in einer Brut-Zelle sitzend zeigen können in der zweiten pars meines Trau-Sermons, die Frau hätt' es überlegt und mit sich reden lassen.‹« ... Und der treue gute Sohn bist Du, Siebenkäs, und liegst und bleibst an der heißen rauhhaarigen Brust

      deines

       Freundes.

       und Clausula Salutaris

      Verdenke mir diesen meinen lustigen Hausball und Hexentanz auf dem Lumpenpapier nicht, ob Du gleich leider ein Infinitesimal-Teil des deutschen Völkerstammes bist und als solcher einen solchen Ideentanz weder leiden noch begreifen solltest. Daher lass' ich für die deutsche Unbehülflichkeit auch nichts drucken, sondern werfe ganze Bogen, die ich mit dergleichen schäkernden Ideen-Fischchen vollgelaicht, anstatt in den Buchladen sogleich in den Ort, wohin solche Werke sonst, weil sie die Durchganggerechtigkeit durch den Buchladen ausüben, erst im Alter kommen. – Ich war acht Tage in Hof; und privatisiere jetzo in Baireuth; ich schnitt in beiden Städten Gesichter, nämlich fremde Silhouetten; die meisten Köpfe aber, die meiner Papierschere saßen oder standen, mutmaßten, es sei in meinem nicht richtig. Schreibe mir das Wahre von der Sache; denn es wäre mir nicht gleichgültig, weil ich sowohl in Vermächtnissen als in andern bürgerlichen Verrichtungen behindert würde, falls ich, wie gesagt, wirklich nicht recht gescheut wäre. – Schließe noch bei tausend Grüße und Küsse an deine fromme und schöne Lenette und ein Kompliment an den Hrn. Schulrat Stiefel, nebst einer Frage, ob er mit dem Magister Stiefel, Predigern zu Holzdorf und Lochau (bei Wittenberg), von weitem verwandt ist, der das Ende der Welt (und irrig, glaub' ich) auf früh um 8 Uhr 1533 weissagte und am Ende nur sein eignes erlebte. – Auch leg' ich für Euch beide und für den Programmen-Anzeiger zwei Programmen vom Professor Lang allhier, die baireuthischen Generalsuperintendenten betreffend, und eines vom Dr. Frank in Pavia bei. – Ein reiz-, kraft-, geist- und seelenvolles Mädchen wohnt hier im Gasthofe zur Sonne vornen heraus (ich hinten hinaus). Ich samt meinem Gesichte gefall' ihr unbeschreiblich, was ich sehr gern glaube, da ich Dir so ähnlich sehe und uns beide nichts unterscheidet als bloß der Fuß, mit dem ich hinke. Ich rühme mich daher vor Schönheiten nur meiner Schwachheit und Deiner Ähnlichkeit. Hab' ich recht gehört, so ist die Dame eine arme Nichte des alten Oheims mit der zerbrochnen Glasperücke, der sie auf seine Kosten studieren läßt für die Ehe irgendeines vornehmen Kuhschnapplers von Stand. Es kann sein, daß der Frachtzettel sie als Bräutigams-Gut bald zu Euch schickt ... So weit meine ältesten Neuigkeiten! Die neueste kann erst kommen, nämlich Du selber zu mir nach Baireuth, wenn ich und der Frühling miteinander (denn übermorgen reis' ich ihm nach Italien weit entgegen) wiederkehren und wir, ich und der Lenz, gemeinschaftlich die Welt auf eine Art ausschmücken, daß Du gewiß in Baireuth selig sein wirst, so sehr sind dessen Häuser und Berge zu loben. Und so leb etwas wohl!

      *

      Alle schwören darauf, daß der Kuhschnappler von Stande, für welchen die Nichte des Heimlichers studiert, niemand ist als der Venner Rosa, welcher das noch übrige Stümpfchen von seinem herabgebrannten Herzen, das für das Anstecken der Herzen der ganzen weiblichen Welt, wie das Gemeinlicht eines Wirtes für das Anstecken der Köpfe einer tabakrauchenden, bisher gebrannt, zu einer Brautfackel verbrauchen und sie damit nach seinem Hause leuchten will.

      Da im Briefe drei Himmel inliegend waren, für jeden Seligen einer – für die Frau das Kompliment – für den Pelzstiefel die Programmen – für den Advokaten der Brief selber: so würd' es mich nicht gewundert haben, wenn das beschenkte Kleeblatt und Terzett vor Freuden getanzt hätte. Der berauschte Rat – denn das fröhliche Blut stieg in seinen mäßigen Kopf – schlug die Werke, obgleich das gewürfelte Tischtuch schon aufgebreitet war, auf diesem auf und schnitt und griff hungrig die drei gedruckten Voressen und literarischen petits soupers auf dem zinnenen Teller schon vor dem Beten an, bis ihn die Bitte, zu bleiben, erinnerte, zu weichen. Aber unter dem Scheiden bat er sich als Sporteln für die Mühe, das Austrägalgericht und der Mittlermann zwischen beiden oder das bindende Laugensalz zwischen seinem Öl und ihrem Wasser gewesen zu sein, einen neuen Schattenriß Lenettens aus; denn den alten, von Leibgeber ausgeschnittenen, worauf ihn dessen Brief gebracht, und den er bekanntlich zum Geschenk bekommen, hatte er zufällig in sein Nachtkamisol gesteckt und mit diesem und dessen ähnlicher Farbengebung in die Waschwanne geschickt. »Der Riß soll noch heute vom Stapel laufen«, sagte Siebenkäs. Als der Schulrat die Eheleute verließ und ers Lenetten ansah, daß ihr Ringfinger jetzo einen weichern Ehering anhatte, welchen nur er weiter gefeilet und mit Seide ausgefüttert zu haben glaubte: so schüttelte er freudig ihre Hand und sagte: »Ich will ja willig so oft kommen, als nur das Kleinste vorfällt, ihr scharmanten Leute.« Lenette antwortete: »Ja, recht oft.« Aber Siebenkäs setzte hinzu: »Noch öfter!«

      Indes schien hinterher der Ring fast wieder zu drücken, und Adjunkten der philosophischen Fakultät müssen, da sie Seelenlehre lesen, sich wundern, daß der Advokat unter dem Essen wenig mit der Frau, und sie mit jenem sprach; aber der Grund war: der Leibgeberische Brief lag statt des weißen Brotes neben dem Teller und Brote, und sein feuriger Liebling glänzte aus Baireuth über das weite dunstige Dunkel herüber an seine Seele – ihr erstes künftiges Aneinanderfallen schwebte zauberisch seinen Seufzern vor – die Hoffnung senkte ihr reinigendes Licht in den dumpfen mephitischen Schacht, worin er jetzo keuchte und grub – und der künftige Frühling stand wie ein mit Lichtern umhangner Münsterturm hell und hoch in der Ferne und trieb seine Strahlen durch die dicke Nacht herüber...

      Endlich kam er wieder zu sich, nämlich zur Frau – Leibgebers Kraftbild hatt' ihn ohnehin über die steinige spitzige Gegenwart der Zufälligkeiten weggehoben – der alte Freund, der oben im Chor das Gesicht der Braut ausgeschnitten und der nachher bei der ersten Flitterwoche mitgewesen, warf ihm die Blumenkettenschlinge über und zog ihn damit an die stille Gestalt neben sich heran: »Nu, liebste Lenette, wie ist denn dir?« sagt' er erwachend und nahm die Hand der Ausgesöhnten; aber sie hatte die weibliche Unart, nämlich Art, daß sie ihre Versöhnung noch länger verdeckte als ihre Entrüstung, wenigstens verschob, und daß sie gerade dann, wann die Ehrenerklärung und die Abbitte eines Fehlers schon vorüber war, auf eine neue Einsicht der Akten antrug. Die wenigsten Eheweiber – leichter die Mädchen – reichen einem Manne eilig die Hand und sagen: ich bin wieder gut. – Wendeline hielt zwar ihre hin, aber zu kalt; und zog sie hurtig zurück, um das Tischtuch zu nehmen, das er mit spannen und brechen zu helfen gebeten wurde zum Tuch-Würfel. Er tats und lächelte – sie sah genau auf die rechte Geviertung des weißen Langvierecks – endlich bei dem letzten und dicksten Viereck hielt es der Mann fest – sie zerrte und wollte ernsthaft aussehen – er schauete sie liebreich an – sie mußte doch lächeln – da entriß er ihr das Tuch und drückt' es schnell auf ihre Brust und sich dazu und sagte in ihren Armen: »Diebin, wie kannst du so sein gegen den alten Kauz Siebenkäs, oder wie er sonst noch heißt?« – Nun bog sich der Regenbogen eines hellern Lebens über die einsickernde Sündflut herüber, welche bisher dem Ehepaare schon bis an die Herzgrube gestiegen war... Aber freilich, ihr Lieben, bedeuten jetzige Regenbogen oft das Gegenteil dessen, was der erste verhieß.

      Der

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