Im heiligen Lande. Selma Lagerlöf

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denen, die sie in Jerusalem selbst angelegt hatten.

      Einer von diesen Deutschen kam eines Tages zu Mrs. Gordon und sagte ihr ganz aufrichtig, er habe böse Gerüchte über sie und ihre Leute gehört. »Die Missionare da drüben«, sagte er und zeigte nach dem westlichen Teil der Stadt hinüber, »verleumden Euch. Hätte ich es nicht selbst erfahren, daß man ganz unschuldig an dem sein kann, weswegen man verfolgt wird, so würde ich Euch weder Fleisch noch Milch verkaufen. Aber ich verstehe ja, daß sie es nicht haben ertragen können, mitanzusehen, daß Ihr in der letzten Zeit so viele Anhänger gewonnen habt.«

      Mrs. Gordon fragte, wessen man sie denn beschuldige.

      »Sie sagen von Euch, daß Ihr ein lasterhaftes Leben hier in der Kolonie führt. Ihr gestattet Euren Leuten nicht, in den Stand der heiligen Ehe zu treten, wie Gott es befohlen hat, deswegen behauptet man, daß bei Euch nicht alles so zugeht, wie es zugehen sollte.«

      Die Kolonisten wollten ihm anfänglich nicht glauben. Aber sie merkten bald, daß er die Wahrheit geredet hatte, und daß alle Menschen in Jerusalem von ihnen glaubten, daß sie einen schändlichen Lebenswandel führten. Keiner von den Christen in Jerusalem wollte etwas mit ihnen zu schaffen haben. In den Gasthäusern wurden die Reisenden gewarnt, sie zu besuchen. Einige von den Fremden wagten sich freilich hin und wieder noch nach der Kolonie hinaus. Wenn sie von dort zurückkehrten, schüttelten sie geheimnisvoll den Kopf und sagten, sie hätten nichts Anstößiges bemerkt; aber sie meinten allerdings, es könne ja allerlei dort betrieben werden, was man nicht zu sehen bekomme.

      Die Amerikaner, von dem Konsul bis herab zu der geringsten Krankenpflegerin, waren am allergehässigsten gegen die Gordonisten. »Es ist eine Schande für uns alle, daß es Amerikaner sind,« sagten sie, »daß solche Menschen nicht aus Jerusalem hinausgejagt werden können.«

      Die Kolonisten waren natürlich klug genug, um sich selbst zu sagen, daß hierbei nichts zu machen sei, daß sie die Leute reden lassen mußten. Ihre Widersacher würden wohl einsehen, daß sie unrecht hatten. »Wir können doch nicht von Haus zu Haus gehen und erzählen, daß wir unschuldig sind«, sagten sie. Sie trösteten sich damit, daß sie ja einander hatten, und daß sie einig und glücklich seien. »Die Armen und die Kranken in Jerusalem haben noch nicht angefangen uns zu scheuen«, sagten sie. »Wir müssen dies vorüberziehen lassen; es ist eine Prüfung, die Gott uns schickt.«

      Gleich im Anfang ertrugen alle Schweden die häßlichen Verleumdungen mit großer Ruhe. »Sind sie hier draußen so verblendet,« sagten sie, »daß sie glauben, wir armen Bauern haben gerade diese Stadt aufgesucht, in der unser Heiland starb, um ein schändliches Leben zu führen, dann ist ihr Urteil nicht viel wert, und dann ist es ganz gleichgültig, was sie meinen.«

      Und als die Leute fortfuhren, sie mit Verachtung zu behandeln, war es ihnen eine Freude, zu denken, daß Gott sie würdig erachtete, Verfolgung und Verhöhnung in derselben Stadt zu erleiden, wo man Christus verspottet und gekreuzigt hatte.

      Aber als es Oktober geworden war, kam eines Tages ein Brief an des Gemeindevorstehers Gunhild. Er war von ihrem Vater. Er schrieb, um ihr zu erzählen, daß ihre Mutter gestorben sei. Der Vater machte ihr keine Vorwürfe, er schrieb nur von der Krankheit und dem Begräbnis. Man konnte wohl merken, daß der alte Gemeindevorsteher bei sich gedacht hatte: »Ich will ihr schonend schreiben, sie wird ohnedies schon unglücklich sein.«

      Er hatte den ganzen Brief in derselben milden Gemütsstimmung geschrieben, bis er seinen Namen darunterschrieb. Aber da hatte der zurückgehaltene Zorn ihn plötzlich übermannt. Er hatte die Feder schnell und tief in das Tintenfaß getaucht, und mit großen, eckigen Buchstaben hatte er ganz unten an den Rand des Briefes geschrieben:

      »Deine Mutter hätte den Kummer über Deine Abreise vielleicht überwinden können, aber sie nahm ihren Tod über das, was im Missionsblatt stand, daß Ihr da drüben in Jerusalem ein schändliches Leben führtet. So etwas hatte niemand hier erwartet, weder von Dir noch von denen, in deren Gesellschaft du fortgereist bist.«

      Gunhild steckte den Brief in die Tasche; sie ging den ganzen Tag damit herum, ohne mit jemand darüber zu reden.

      Sie zweifelte nicht daran, daß der Vater die Wahrheit geschrieben hatte in bezug auf das, was den Tod der Mutter verursacht hatte. Die Eltern waren immer sehr ehrliebend gewesen und sehr genau in bezug auf ihren guten Ruf. Sie hatte auch etwas davon, niemand in der ganzen Kolonie hatte so sehr darunter gelitten, Gegenstand der Verachtung zu sein. Ihr half es nichts, daß sie selbst wußte, sie war unschuldig; sie fühlte sich doch beschimpft, und es war ihr, als könne sie sich nicht unter Menschen sehen lassen. Schon seit langer Zeit hatte sie sich gegrämt und sich von den bösen Zungen gepeinigt gefühlt, wie von brennenden Wunden. Und nun hatten sie ihrer Mutter das Leben genommen.

      Gertrud und Gunhild bewohnten dasselbe Zimmer. Sie waren immer die besten Freundinnen gewesen; aber Gunhild sprach nicht einmal mit Gertrud über das, was der Vater ihr geschrieben hatte. Sie fand es unrecht, Gertruds Freude zu stören, die sie darüber empfand, hier in Jerusalem zu sein, wo alles mögliche ihr die Erinnerung an ihren Heiland nahe brachte.

      Aber den ganzen Tag hindurch nahm Gunhild den Brief wieder und wieder hervor. Sie wagte nicht, ihn zu lesen; nur wenn sie ihn ansah, zog sich schon ihr Herz zusammen in beißendem Kummer. »Ach, könnte ich doch sterben,« dachte sie, »ich werde ja nie wieder glücklich. Ach, könnte ich doch sterben!«

      Sie saß da und betrachtete den Brief. Sie fühlte, daß er ein Gift enthielt, das sie töten würde. Sie hoffte nur, daß es schnell gehen und bald vorüber sein möge.

      Am nächsten Tage kam Gunhild durch das Damaskustor gegangen. Sie war in der Stadt gewesen und wollte jetzt nach Hause, nach der Kolonie.

      Es war ein außerordentlich warmer Tag, was gegen Ende Oktober, ehe der Herbstregen noch begonnen hat, häufig der Fall ist. Als Gunhild aus der finsteren Stadt herauskam, wo Häuser und Bögen Schutz gegen die Sonne gewährt hatten, war es ihr, als wenn der blendende Sonnenschein sie wie ein Stoß traf, und sie hatte die größte Lust, in den kühlen Schatten des Torgewölbes zurückzulaufen. Sie fand, daß der sonnenbeschienene Weg, der vor ihr lag, so unheimlich aussah. Es war, als solle man eine Schießbahn entlanggehen, in der die Soldaten nach der Scheibe schossen.

      Gunhild wollte indessen um des bißchen Sonnenscheins willen nicht umkehren. Sie hatte freilich gehört, daß es gefährlich sein könne, aber sie glaubte nicht recht daran. Statt dessen tat sie, was man zu tun pflegt, wenn man in einen starken Regenschauer hinauskommt, sie zog den Kopf zwischen die Schultern, schob das Tuch, das sie um den Hals hatte, höher in den Nacken hinauf und eilte, so schnell sie konnte, vorwärts.

      Während sie ging, hatte sie ein Gefühl, als wenn die Sonne mit einem Feuerbogen in der Hand dasäße und einen glühenden Pfeil nach dem andern auf sie abschösse, und daß sie die ganze Zeit nach ihr ziele. Die Sonne hatte gar nichts weiter zu tun, als sie als Zielscheibe zu betrachten. Das Feuer hagelte auf sie herab, und nicht nur vom Himmel herunter kam es. Alles um sie her glühte und stach sie in die Augen. Kleine, scharfe Pfeile kamen aus den Glimmerkörnern in den Steinen des Weges herausgeschossen. Die grünen Fensterscheiben eines Klosters, an dem sie vorüberkam, blitzten, so daß sie den Blick nicht dahin zu wenden wagte. Der stählerne Schlüssel in einer Tür sandte ihr einen kleinen, boshaften Strahl nach. Und ebenso die blanken Blätter einer Rizinuspflanze, die den Sommer nur deswegen überlebt zu haben schien, um hier zu stehen und sie zu peinigen.

      Wohin sie auch den Blick wandte, am Himmel und auf der Erde schimmerte und glitzerte es. Es war eigentlich nicht die Hitze, die sie quälte, obwohl die stark genug war, sondern vielmehr das fürchterliche weiße Sonnenlicht, das hinter die Augen hineindrang, und das sich in das Gehirn hineinbrannte.

      Gunhild fühlte sich so voll von Haß

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