Tom Jones. Henry Fielding

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Tom Jones - Henry Fielding

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Weile verstummt, bis er, da ihm zu reden geboten wurde, sagte, er habe bereits die Wahrheit gesagt, und berufe er sich auf den Himmel als Zeugen seiner Unschuld, und endlich auf das Mädchen selbst, die er seine Gestrengen bat, sobald als möglich vorfordern zu lassen; denn es war ihm nicht bekannt oder wenigstens stellte er sich so, daß sie diese Gegend des Landes verlassen hätte.

      Herr Alwerth, dessen natürliche Gerechtigkeitsliebe, vereint mit seiner Kaltblütigkeit, ihn zu einem sehr geduldigen Richter machte, der alle die Zeugen anhörte, welche die beklagte Person zu ihrer Verteidigung beibringen konnte, willigte drein, das Endurteil in dieser Sache bis zu Hannchens Ankunft zu verschieben, nach welcher er auf der Stelle einen Boten abschickte; und dann, nachdem er Rebhuhn und seiner Frau Frieden geboten hatte, (ob er sich hierbei gleich vornehmlich an die unrechte Person wandte) beschied er sie auf den dritten Tag wieder vor; denn er hatte Hannchen Jones auf eine ganze Tagereise weit von seinem Hause weggeschickt.

      Auf die bestimmte Zeit erschienen die Parteien coram: als der wiederkommende Bote Nachricht brachte, Hannchen Jones sei nicht zu finden; denn sie habe vor einigen Tagen in Gesellschaft eines Offiziers ihren Aufenthalt verlassen.

      Hierauf erklärte Herr Alwerth, daß das Zeugnis eines so liederlichen Mädchens, als sie zu sein schien, keinen Glauben verdient haben würde; doch, sagte er, könne er nicht umhin, zu glauben, daß, wäre sie erschienen und hätte die Wahrheit ausgesagt, so könne sie nicht anders, als bekräftigt haben, was so manche Umstände benebst seinem eignen Geständnis und der Aussage seiner Ehefrau, (daß sie ihren Mann auf frischer That ergriffen) schon hinlänglich erhärteten. Er vermahnte also Rebhuhn noch einmal, sein Verbrechen zu gestehen; da er aber immer noch sich auf seine Unschuld berief, so erklärte sich Herr Alwerth, er sei von seinem Verbrechen überzeugt, und er, Rebhuhn, sei ein zu gottloser Mensch, um ferner einige Unterstützung von ihm zu verdienen. Er entzog ihm also seinen Jahrgehalt und empfahl ihm Reue in Hinsicht auf die zukünftige Welt, und Fleiß, um sich und seine Frau auf dieser zu ernähren.

      Es gab vielleicht wenig unglücklichere Menschen als den armen Rebhuhn. Er hatte, durch das Zeugnis seines eignen Weibes, den besten Teil seiner Einkünfte verloren und doch rückte sie ihm unter vielen andern Dingen noch täglich vor, wie er schuld sei, daß sie dieser Wohlthat entbehren müsse; aber das war nun einmal sein Schicksal, und er war genötigt, sich darein zu finden.

      Ich habe ihn zwar im vorigen Absatz den armen Rebhuhn genannt; aber ich wollte, der Leser möchte dieses Beiwort vielmehr dem Mitleiden meines Herzens zuschreiben, als es für eine Erklärung seiner Unschuld ansehen. Ob er unschuldig war oder nicht? das wird sich vielleicht in der Folge zeigen. Wenn mir aber auch die historische Muse einige Geheimnisse anvertraut hat, so will ich mir keineswegs die Schuld aufladen, sie früher zu entdecken, als bis sie mir es erlaubt.

      Hier muß also der Leser seine Neugier an den Nagel hängen. Gewiß ist es, auf welcher Seite auch die Wahrheit liegen mochte, die Beweise waren mehr als hinlänglich für Herrn Alwerth, ihn straffällig zu finden. Gewiß würde für ein hochpreisliches Konsistorium in Ehe- und Ehebruchssachen weit weniger, zur Findung eines Urteils, hingereicht haben; und dennoch, ungeachtet Anna Rebhuhns standhafter Aussage, worauf sie das heilige Abendmahl zu nehmen bereit war, ist doch eine Möglichkeit vorhanden, daß der Schulmeister völlig unschuldig sein könne; denn, ob es gleich ganz klar schien, wenn man die Zeit, um welche Hanna Jones aus Kleinbaddington wegging, mit der Zeit ihrer Niederkunft zusammenhält, daß das Kind dort gezeugt sein müsse, so ist es doch noch keine notwendige Folge, daß eben Rebhuhn der Vater gewesen. Denn, andere Nebenumstände beiseite gesetzt, befand sich in demselben Hause ein Bursche von fast achtzehn Jahren, zwischen welchem und Hannchen genugsame Bekanntschaft obgewaltet hatte, um darauf einen nicht unvernünftigen Verdacht zu gründen; und doch, so blind ist Eifersucht! dieser Umstand kam dem tollen Weibe nicht ein einzigesmal in den Kopf.

      Ob Rebhuhn sein Vergehn, nach Herrn Alwerths gutem Rate, bereute oder nicht, das liegt im Dunkeln. Gewiß ist's, daß seiner Frau das Zeugnis, was sie wider ihn abgelegt hatte, herzlich leid that; besonders als sie fand, daß Jungfer Deborah sie betrogen hatte und sich weigerte, bei Herrn Alwerth ein gutes Wort für sie einzulegen. Indessen hatte sie etwas bessern Trost bei Madame Blifil gefunden, welche, wie der Leser gemerkt haben muß, ein viel mitleidigeres Gemüt besaß, und es mit vieler Güte übernahm, bei ihrem Bruder zu bitten, daß er ihr den vorigen Jahrgehalt wieder bewilligen möchte. An welchem Mitleiden, obgleich Gutherzigkeit dabei ein wenig das ihrige thun mochte, doch eine viel stärkere und natürlichere Ursache den größten Teil hatte, wie aus dem nächsten Kapitel erhellen wird.

      Diese Fürbitten waren indes vergebens; denn obgleich Herr Alwerth nicht dachte wie einige neuere Schriftsteller, daß Gnade bloß in Bestrafung der Verbrecher bestehe, so war er doch ebenso weit entfernt, zu denken, es gezieme dieser vortrefflichen Eigenschaft besonders, ein Verbrechen, ohne irgend einige Ursache, aus bloßer Willkür, zu verzeihen. Der geringste Zweifel bei der Thatsache oder irgend ein mildernder Umstand wurden allemal in Betracht gezogen: aber die Bitten eines Verbrechers oder die Fürsprachen von andern, erschütterten ihn nicht im geringsten. Kurz, er verzieh niemals deswegen, weil der Verbrecher oder seine Freunde es ungerne sahen, daß er bestraft würde.

      Rebhuhn und seine Frau waren also beide genötigt, ihr Schicksal zu ertragen, welches wirklich schwer genug war: denn so weit war er davon entfernt, seinen Fleiß wegen verringerter Einnahme zu verdoppeln, daß er sich gewissermaßen der Verzweiflung überließ. Und weil er von Natur schon faul und träge war, so gewann dieser Fehler immer mehr Wachstum, und er verlor dadurch die kleine Schule, die er hatte. Solchergestalt würden weder seine Frau noch er einen Bissen Brod gehabt haben, wäre nicht die Barmherzigkeit irgend eines guten Christen ins Mittel getreten und hätte sie mit dem versorgt, was zur bloßen Unterhaltung ihres Lebens hinreichte.

      Da ihm dieser Unterhalt von unbekannter Hand gereicht wurde, so bildeten sie sich ein, und das wird, wie ich nicht zweifle, der Leser gleichfalls thun, daß Herr Alwerth ihr heimlicher Wohlthäter sei; welcher zwar öffentlich kein Laster aufmuntern mochte, jedoch heimlich das Elend, selbst lasterhafter Personen, zu lindern trachtete, wenn es zu bitter, oder, verhältnismäßig gegen ihr Verschulden, zu groß ward. In welchem Lichte die Not dieser Leute dem Glücke selbst erschien; denn dieses erbarmte sich endlich des Elendes dieses Ehepaars und erleichterte den jammervollen Zustand Rebhuhns dadurch nicht wenig, daß sie das Lebensende seiner Ehefrau verkürzte, welche bald darauf die Kinderpocken bekam und starb.

      Die Gerechtigkeit, mit welcher Herr Alwerth den Rebhuhn gerichtet hatte, fand anfangs allgemeinen Beifall: sobald aber hatte er nicht davon die Folgen empfunden, als seine Nachbarn begannen, weichherzig zu werden und seinen Zufall zu bedauern und bald darauf dasjenige als Härte und Strenge zu tadeln, was sie vorher als Gerechtigkeit gepriesen hatten. Nunmehr schalten sie auf das Strafen bei kaltem Blute und sangen Loblieder auf Barmherzigkeit und Gnade.

      Dieses Geschrei ward um ein merkliches durch den Tod von Rebhuhns Frau verstärkt, welchen einige, ob sie gleich an der vorgenannten Seuche starb, welche keineswegs eine Folge von Armut oder Kummer ist, sich nicht schämten, auf die Rechnung der Strenge oder wie sie es jetzt nannten, Grausamkeit des Herrn Alwerth zu setzen.

      Rebhuhn, der nunmehr seine Frau, seine Schule und sein Jahrgeld verlor, entschloß sich, nachdem die unbekannte Person die vorhin erwähnten milden Gaben nicht weiter fortsetzte, den Schauplatz zu verändern, und verließ, zum allgemeinen Bedauern seiner Nachbarn, das Land, in welchem er Gefahr lief, zu verhungern.

Siebentes Kapitel.

      Eine kleine Skizze von derjenigen Glückseligkeit, welche kluge Eheleute aus dem Hasse erzielen können; nebst einer kleinen Schutzrede für solche Leute, welche die Fehler ihrer Freunde übersehen.

      Obgleich der Kapitän den armen Rebhuhn wirklich zu Grunde gerichtet hatte, so erntete er doch nicht die Früchte, welche er von seiner Mühe hoffte, nämlich den Findling aus Herrn Alwerths Hause

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