Tom Jones. Henry Fielding

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Tom Jones - Henry Fielding

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Schulmonarch und seine Ehehälfte brachten ihren Nachmittag und Abend unangenehm genug hin; vor dem nächsten Morgen aber fiel eins oder das andre vor, welches die Wut der Frau Rebhuhn ein wenig milderte und dem Manne die Erlaubnis bewirkte, seine Entschuldigung vorzubringen: diese fand um so eher Glauben, da er, anstatt zu verlangen, daß sie Hannchen wieder in Dienst nehmen möchte, vielmehr seine Zufriedenheit über ihre Entlassung bezeigte und sagte, sie wäre zu einer Dienstmagd ziemlich untauglich geworden, da sie alle ihre Zeit aufs Lesen verwendet habe, und obendrein wäre sie noch vorlaut und eigensinnig. Denn in der That hatten sie und ihr Lehrer seit einiger Zeit öfter über literarische Dinge disputirt, worin sie, wie bereits gesagt, ihm sehr überlegen geworden war. Dies wollte er indessen keinesweges zugeben, und weil er es Eigensinn nannte, wenn sie das behauptete, worin sie recht hatte; so begann er sie so ziemlich aufrichtig zu hassen.

Viertes Kapitel.

      Beschreibung einer der blutigsten Schlachten oder vielmehr Zweikämpfe, die nur jemals in Hausgeschichten auf die Nachwelt gebracht worden.

      Aus den im vorigen Kapitel beigebrachten Gründen und wegen andrer ehelichen Vorteile, welche den meisten Ehegenossen wohl bekannt sind und die gleich den Geheimnissen der Freimaurer niemand bekannt gemacht werden sollten, der nicht von der hochlöblichen Brüderschaft Mitglied ist: war Frau Rebhuhn darüber gar wohlgemut, daß sie ihren Eheschatz unschuldigerweise verdammt hatte, und gab sich Mühe, ihren falschen Verdacht durch Liebesbezeigungen wieder gut zu machen. Ihre Leidenschaften waren wirklich gleich heftig, wohin sie auch gerichtet sein mochten; denn, wie sie sehr heftig zürnen konnte, so konnte sie auch fast ebenso heftig lieben.

      Allein, obgleich diese Leidenschaften gewöhnlich einander ablösten und selten einmal vierundzwanzig Stunden hingingen, während welcher der Pädagog nicht gewissermaßen der Gegenstand von beiden gewesen; so war doch bei außerordentlichen Gelegenheiten, wenn die Leidenschaft des Zorns sehr arg getobt hatte, der Nachlaß gewöhnlich länger, und so war gegenwärtig der Fall: denn sie beharrte länger in einem Stande milder Freundlichkeit, nachdem dieser Anfall von Eifersucht vorüber war, als ihr Ehegemahl jemals erlebt hatte. Und wär es nicht bloß wegen einiger kleinen Uebungen gewesen, wozu alle Anhänger der Xanthippischen Sekte täglich verbunden sind, so hätte Herr Rebhuhn einige Monate hindurch einer vollkommen heitern Stille genossen.

      Völlige Stille zur See wird von erfahrnen Seemännern allemal für einen Vorboten des Sturms geachtet: und ich kenne einige Leute, die, ohne eben durchgängig am Aberglauben zu hängen, zu besorgen geneigt sind, daß große und ungewöhnliche Ruhe und langer Frieden Vorläufer von ihrem Gegenteile sind. Aus dieser Ursache hatten die Alten bei solchen Gelegenheiten die Gewohnheit, der Göttin Nemesis zu opfern: eine Göttin, welche nach ihrer Meinung mit einem neidischen Auge auf menschliche Glückseligkeit herabsähe und in ihrer Vernichtung ein ganz eigenes Behagen fände.

      Da wir weit entfernt sind, an irgend eine solche heidnische Gottheit zu glauben oder irgend jemand in seinem Aberglauben zu bestärken, so wünschen wir, daß irgend ein haarscharfer Philosoph sich ein wenig Mühe geben wollte, die Grundursache dieses schnellen Uebergangs vom Glück zum Unglück heraus zu demonstrieren. Ein Uebergang, der so oft bemerkt worden und wovon wir ein Beispiel zu geben im Begriff stehen; denn unser Geschäft ist, Thatsachen zu erzählen, und die Ursachen müssen wir Männern von viel höherm und tiefern Genie überlassen.

      Die Menschenkinder haben von jeher ein großes Vergnügen darin gefunden, das Thun und Lassen anderer zu wissen und zu untersuchen. Daher hat man zu allen Zeiten und unter allen Völkern gewisse Plätze für öffentliche Zusammenkünfte ausgesonnen, woselbst die Neubegierigen zusammenkommen und ihre gegenseitige Neugier befriedigen könnten. Unter diesen haben die Barbierstuben mit Recht den Vorzug gewonnen. Bei den Griechen war Barbierzeitung ein sprichwörtlicher Ausdruck und Horaz thut in einer von seinen Episteln von römischen Barbieren in eben dem Lichte sehr ehrenvolle Erwähnung.

      Die Barbierer in England sind dafür bekannt, daß sie ihren griechischen und römischen Vorgängern nichts nachgeben. Man sieht bei ihnen die auswärtigen Affairen auf eine Art ausmachen, welche der, womit solche in den Kaffeehäusern behandelt werden, fast sehr nahe kommt, und häusliche Vorfälle werden in den ersten weit umständlicher und freimütiger vorgenommen als in den letztern. Doch diese Oerter sind eigentlich nur für Mannspersonen. Da nun aber das Frauenzimmer dieses Landes von den niedern Klassen sich häufiger zu einander gesellt als das von andern Nationen, so wäre unsere Polizei höchst fehlerhaft gewesen, hätte sie nicht gleichfalls einige Oerter festgesetzt, wo unsere Weiblein für ihre Neugier Nahrung finden können, da man sieht, daß sie in diesem Punkte nicht weniger Bedürfnisse haben als die andere Hälfte des Geschlechts.

      Im Genuß solcher Versammlungsplätze müssen sich also die britischen Schönen viel glücklicher achten als alle übrigen ihrer Schwestern in fremden Landen; weil ich mich nicht erinnere, von dergleichen Art etwas in der Geschichte gelesen oder auf meinen Reisen gesehen zu haben.

      Dieser Versammlungsplatz ist denn kein anderer als die Lichtgießerbude, der bekannte Sitz aller Neuigkeiten oder, wies es wohl besser, obgleich etwas gemeiner heißen möchte, alles Gevatternschnacks. Als Frau Rebhuhn in dieser weiblichen Versammlung gegenwärtig war, befragte sie eine von ihren Nachbarinnen, ob sie nichts Neues von Hannchen Jones gehört hätte, worauf sie verneinend antwortete; worauf die andere mit einem Lächeln versetzte: das Kirchspiel sei ihr viel Dank schuldig, dafür, daß sie das Mädchen, so wie sie gethan, fortgejagt hätte.

      Frau Rebhuhn, deren Eifersucht, wie der Leser recht gut weiß, längst vertrieben war und die keine andere Klage über ihre Magd gehabt hatte, antwortete ganz keck: sie wisse nicht, was sie damit sagen wollte; ihr sei das Kirchspiel dafür nichts schuldig, denn Hannchen hätte schwerlich, wie sie glaubte, ihresgleichen hinter sich gelassen.

      »Nein, gewiß nicht,« sagte Trine Gevatterin, »ich hoffe nicht! Doch, denk' ich, hätten wir Schlumpen noch genug! Sie hat also noch nicht gehört, dünkt mich, daß die Dirne mit zwei Wechselbälgern niedergekommen ist? Doch was geht's uns an, sagt mein lieber Mann und der andere Kirchen-Jurat; da sie hier nicht geboren sind, haben wir's nicht nötig, sie zu füttern.«

      »Zwei Wechselbälger!« antwortete Frau Rebhuhn hastig. »Sie macht mich erstaunen. Ob sie hier aufgefüttert werden müssen, weiß ich nicht; aber das weiß ich, daß sie das Mensch hier aufgesackt haben muß, denn sie ist noch keine neun Monate von hier weg.«

      Nichts kann so schnell und plötzlich sein, als das Geschäft der Phantasie, besonders wenn Hoffnung oder Furcht, oder Eifersucht, bei welcher die beiden vorigen nur als Handlanger arbeiten, solche in Gang setzt. Es fiel ihr augenblicks ein, daß Hannchen fast niemals aus dem Hause gegangen wäre, so lange sie bei ihr gedient. Das Lehnen über dem Stuhle, das plötzliche Aufspringen, das Latein beim Essen, das Lächeln, das Rotwerden und viele andere Dinge drängten sich auf einmal in ihr Gehirn. Die Zufriedenheit, die ihr Mann über Hannchens Entlassung bezeigte, kam ihr jetzt als bloße Verstellung vor, in dem Augenblick aber wieder als wahr, und doch wieder, um ihre Eifersucht zu bekräftigen, als wäre solche aus Sättigung entstanden und aus hundert andern schlimmen Ursachen mehr. Mit einem Wort, sie war überzeugt von ihres Mannes Verbrechen und verließ augenblicklich voller Verwirrung die gesprächige Versammlung.

      So wie der schöne Kater Murner, welcher, obgleich der jüngste vom Geschlecht der mausenden Löwen, dennoch nicht ausartet von der Wildheit des ältern Zweiges ihres Hauses, und, obgleich geringer an Stärke, doch gleich bleibt an Blutgier dem edlen Tiger selbst; wenn ein kleines Mäuslein, das er lange spielend gequält, seinen Krallen für ein Weilchen entwischt, herumspringt, das Haar sträubt, einen hohen Buckel macht und schreit und kratzt; wenn aber der Koffer oder Kasten, wohinter sich das Mäuslein verkrochen hatte, weggenommen wird, wie in Blitz auf seine Beute schießt, sie packt, und mit vergifteter Wut beißt, quetscht und das arme Tierchen in Stücke zerreißt:

      So,

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