Der Schokoladenverkäufer. Petrus Faller
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Wander- und Bettelmönch hängten also von der Liebe und der Fee erschüttert sowie geläutert ihre Leinengewänder an den Nagel, beziehungsweise verbrannten sie endgültig, während etwas zur gleichen Zeit, noch unbemerkt vom werdenden Vater, die ersten Booja-Booja Pralinen das vegane Licht der Welt erblickten.
Der künftige Schokoladenverkäufer wechselte aber zunächst einmal von der Theke hinter einen Feng-Shui Bürotisch mit PC und Bildschirm. Lernte in den nächsten zwei Jahren alles über Computer, Buchhaltung und Chatrooms und die knallharte Schule des Handelns mit allerlei Waren und Geld im größeren Stile. Durchlebte als Crashkurs – wieder umringt von Zockern und Spielern – Zahlenkrisen, Goldgräberstimmung, Internet-Hypes, noch mehr Zahlenkrisen, das Scheitern und die Auferstehung als Phönix aus der Asche. Nicht nur die Zahlen stürzten ins scheinbar Bodenlose, was der Schokoladenverkäufer mit viel Geschick, Vertrauen und unbändigem Einsatz abfangen konnte, nein, auch seine so heilige Berufung fuhr erst einmal und für eine unbestimmte Zeit frontal gegen die Wand.
Er konnte in diesem wilden Casino, als die digitale Welt sich anschickte, die Aufmerksamkeit der Menschen vollkommen zu vereinnahmen, noch unwissend für wen und was, sich alles aneignen, was es brauchte, um später ein kleines, aber feines Schoko-Handelsunternehmen zu führen.
Diese kapitalistische Geld- und Zahlenwelt, wie sie sich ihm jetzt darstellte, konnte er nicht alleine durch sein Händlerkarma aus dem vorherigen Leben aus der Hängematte hinaus mit Hibiskusblüten im Haar bewältigen. Es erforderte das Ablegen jeder Naivität und eine Herzensklarheit, die allen Lügen, Verführungen, Manipulationen, Ausbeutungen und den täglichen Prostitutionsangeboten widerstanden. Ein Ex-Mönch konnte zur Not auch im Büro oder im Laden gut leben. Liebe und Miteinander blieben und waren die einzige Währung, der er sich unterwarf.
In einer Biographie des großen indischen Heiligen Ramakrishna und seinem wichtigsten Schüler Vivekananda, hatte der Schokoladenverkäufer zu Zeiten seines Mönchs-Fables eine sehr schöne Geschichte gelesen: Der blutjunge Student Vivekananda brauchte dringend Geld für sich und die Familie, für die er nach dem Tod seines Vaters als ältester Sohn sorgen musste. So schickte Ramakrishna seine geliebten Schüler mit der Anweisung in den Tempel, die große Göttin Kali in Dakshinesvar – einer großen Tempelanlage in Kalkutta – um materiellen Beistand zu bitten. Als Vivekananda aus dem Tempel zurückkam, fragte ihn sein Meister, was sie ihm geantwortet habe. Vivekananda senkte das Haupt und teilte ihm mit, dass er nur für die absolute Wahrheit und um Erleuchtung bitten konnte und seinen Auftrag schon wieder vergessen hatte, als er vor ihrem Bildnis stand. Das kam dem Schokoladenverkäufer ziemlich bekannt vor, wenn er vor seinen biologisch-göttlichen Müsli-Regalen stand, die sich plötzlich zu leeren begannen.
Ramakrishna war nicht sehr erfreut über diese Mitteilung und schickte ihn umgehend zurück in den Tempel. Auch als er das zweite Mal aus dem Tempel trat, war die Antwort Vivekanandas wieder dieselbe. Ramakrishna schimpfte jetzt laut mit ihm und schob ihn ein drittes mal in den Tempel. Doch auch diesmal war die Antwort des Schülers, dass er nur um vollkommene Befreiung und Erleuchtung bitten konnte. Ramakrishna ging nun, bewundernd und verärgert zugleich, selbst in den Tempel, um mit der Göttin zu sprechen. Strahlend kam er nach kurzer Zeit wieder hinaus und verkündete Vivekananda, dass Kali ihm zu gesichert hätte, er und seine Familie würden immer ein Auskommen haben und nie Not leiden.
Hier aber war der sich der Gnade verweigernde und entsagende Westen, hier gab es keinen Tempel der großen Kali, man sah auch schon sehr lange keine Wandermönche mehr umherziehen, die den Menschen die dringend benötigte Weisheit und wahres Mitgefühl schenken konnten. Was aber immer ging, war Schokolade!
Keiner wusste das besser als Mr. Booja-Booja, der 20 Jahre hatte warten müssen, bis endlich ein Schokoladenmacher und ein Schokoladenverkäufer soweit waren und das Leben sie zu Dienenden gemacht hatte. Genau dieser ehrliche Moment war es dann auch, als Mr. Booja-Booja entschieden und mit einem breiten Lachen, mit seiner gepunkteten Mütze auf dem Kopf, seinem vergnügt-traurigen Hund an der Leine, den Büroraum des nun werdenden Schokoladenverkäufers betrat. Die vielen Regale durchdringend betrachtend, die linke Augenbraue wissend hochgezogen, dem Schokoladenverkäufer heftig auf die breite Schulter klopfend und ihn liebevoll und mit tiefem Humor auf die Stirn küssend, offenbarte er ihm die absolute und letzte Lebensweisheit eines wahren Schokoladenverkäufers:
„Relax, Nothing Is Under Control.“
Die sagenhafte Geschichte von Mr. Booja-Booja2
I
In einer kleinen Stadt, nicht weit von dir,
Nicht weit weg, doch auch nicht hier,
Lebte an einem wundersamen Ort
Ein Schokoladen-Macher,
Der rührte und rührte und rührte in einem fort.
Nur ein Wunsch brachte sein Herz zum Entzücken,
Das ganze Land mit bester Schokolade zu beglücken.
Von Franki’s Strand bis Robert’s Klippen,
Von Bue-Ma’s Garten bis Träumer’s Lippen.
Der Macher war viele Jahre am Probieren,
Von morgens bis mittags, bis abends um viere.
Unter Schweiß und unter Tränen
Haargenau zu treffen
Mit ausgefeilten Schokoladen-Plänen
Den unübertrefflichen Hochgenuss,
Die höchste Freude, die größte Lust.
Er mixte, mischte und phantasierte,
Er suchte, sehnte und brillierte,
Träumte von der vollkommenen Praline
Bei jedem Versuch, den er unternahm,
Doch dann kam das, was immer kam:
Wundervollst die zarteste Form,
Ein Duft wie süßer Tau am Morgen.
Doch tragisch schmolz sie dann dahin,
Weil immer noch das Geheimnis im Verborgenen hing.
Nicht faul, nicht müde fing er wieder an,
Landauf, landab für seine Leidenschaft bekannt.
Probierte sämtliche Geschmäcker aus,
Um zu testen und zu finden den magischen Applaus,
Der seine Schokolade in den Himmel hob,
Fern ab vom üblichen Zucker-Süßkram-Lob.
Da sitzt er da, schreibt alles auf,
Sucht Gründe hier und gibt nicht auf.
„Wo fehlt’s“, so schreit er in die schoko-dunkle Nacht,
Forscht