Wrong turn. Juryk Barelhaven
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Als das letzte Krümelchen Zucker verbraucht war, wandte sich Derrick langsam Max zu. „Wusstest du, dass ich vierzigmal fremd gegangen bin?“
Maxs Miene veränderte sich vor Überraschung. Fast schien es, als habe er ein Lächeln gesehen, aber schon war es wieder verschwunden. „Nein, Derrick, das wusste ich nicht.“
„Martha und ich hatten ein Abkommen. Sie machte mit diesen Tennislehrer weiter und ich konnte mich ausleben. Win-Win, sozusagen. Wir dachten nie an Familie, wir wollten einfach nur leben. Saskia war rothaarig und eine Reporterin, Natasha war blond und eine Tänzerin“, er hielt kurz inne, und wischte sich über die Augen. „War eine geile Zeit, und wir hatten alle unseren Spaß.“
Max schwieg und fragte sich, wohin die Geschichte führen sollte.
„Nun, dann wurde Martha schwanger. Wir wussten beide, dass es der Tennislehrer war. Also kaufte ich Blumen und schenkte sie ihr. Ich fragte sie, ob sie abtreiben wollte. Nein, sie wollte es behalten. Ich machte mir keine Sorgen. Offengestanden, haben wir uns nie geliebt. Ein ständiges Kommen und Gehen zuhause.“ Seine Miene veränderte sich. Die Augen wurden größer, als würde er in der Ferne etwas Aufregendes sehen. „Monate später kam ich als Letzter im Krankenhaus an. Ich war nur mäßig interessiert an den Bastard. Von mir aus hätte es ewig so weiter gehen können, und dann… kam ich näher ans Bett und der kleine Kerl umfasste meinen Finger mit seiner ganzen Faust. Hielt sie fest. Hielt sie einfach fest.“ Eine einzelne Träne rann aus seinem Auge und er wischte sie fort. „Manchmal sagte ich Konzerntreffen ab, um früher zuhause zu sein. Ich lag nächtelang am Bett, um seinen Atem zu hören. Meinen Frauen zahlte ich eine Abfindung und verdonnerte sie zum Schweigen. Kevin war zu einem Bindeglied geworden. Zwischen mir und Martha. Sie hatte es auch gespürt. Wir hätten für ihn töten können. Der Tennislehrer verschwand, und wir wollten jetzt diesen kleinen Kerl ganz für uns haben, verstehst du das?“ Er hustete kurz und nahm probeweise einen Schluck von seinem viel zu süßen Kaffee. „Und dann habe ich ihn in Croydon aus den Augen verloren. Ich erspare dir die Details, Max, aber wenn du diese eine Sache für mich tust, macht dir der Vorstand keinen Ärger mehr. Es ist alles vorbereitet. Ich will das Schwein in meinem Keller haben.“
Hansen setzte sich direkt neben Max. Er hatte kein Interesse daran, ihm Freiraum zu lassen. Im Gegenteil, es schien, als bedränge er ihn absichtlich, als wolle er ihn provozieren, um zu sehen, ob er sich noch einmal über ihn erheben würde. Max gefiel es nicht, aber er konnte nichts dagegen tun. Derrick hörte anscheinend ja doch nicht auf ihn. Zumindest sah er jetzt klarer: Derrick wollte diesen Michel Brown ganz für sich haben. Und sein eigenes Hostel-Filmchen drehen…
So kenne ich dich nicht, Derrick. Du lockst mit Geld und Karriere und schüttest mir dein Herz aus und dann erzählst du mir, was du vorhast!?
„Ich bitte dich um diese eine Sache, Max. Er ist eine Schmeißfliege, ein Nichts. Ich werde großzügig sein“, sagte der Inhaber eines Mischkonzerns tonlos und schob die Tasse mit spitzen Fingern langsam von sich. „Tu es und ich halte mein Wort. Tu es nicht und…“
„Sonst was?“
Derrick tat gar nicht erst, als habe er seine Frage missverstanden. „Du besitzt Fantasie, Max.“
„Derrick, bitte. Du solltest verstehen, dass ein falscher Schritt nicht nur den Tod bedeuten kann, sondern auch das Aus für uns alle. Für eine ganze Abteilung. Deshalb bitte ich dich, ...“
Derrick stand auf, schob sich wortlos an ihm vorbei und hielt auf die nächste Tür zu. Im Vorbeigehen bemerkte Max an seinem Blick, das Frieden keine Option war. Es war, als rausche ein Hai an ihm vorbei. Zum ersten Mal wurde ihm kalt bei dem Gedanken, Derrick als Freund zu verlieren.
Oh, shit.
„Was soll ich dem Vorstand sagen? Ich muss alle Aktionen mit ihnen abstimmen. Sie werden niemals zustimmen, Derrick!“
„Dann sorg dafür, dass sie nichts mitbekommen.“ Er warf seinem Freund einen Blick aus Augen zu, aus denen Kälte strahlte.
Und Max verstand, dass er verloren hatte. Derrick war krank und brauchte Hilfe. In seiner Gemütsverfassung konnte er alles Mögliche tun. Er schluckte schwer und nickte verstehend.
Und Derrick verschwand durch die Tür, als wäre alles gesagt.
Max Snow und Spiro Hansen starrten sich an.
Hansen wirkte, als hätte er alle Zeit der Welt. Süffisant grinste er bloß.
„Also dann“, sagte Spiro Hansen unvermittelt und stand auf. „Sollen wir beginnen?“
Max wandte den Kopf ihm zu und runzelte die Stirn. „Wollen Sie nicht ihrem Chef nach?“
„Ich bleibe hier, Mister Snow, und werde auch bei der Übernahme dabei sein.“
„Bitte?“
„Ich gehe runter. Also auf die Oberfläche von Oasis und Sie zeigen mir, wo er ist. Ganz einfach.“
„Ganz einfach, soso“, bemerkte Max und wandte sich ihm jetzt zu. „Das ist Ihr Ernst, was?“
„Todernst.“ Er nickte zur Tür, durch die Derrick Waldmann verschwunden war. „Das entspricht auch seinem Wunsch. Das versichere ich Ihnen.“
Max maß dem Fremden mit einem Blick, der nicht besonders freundlich war. Langsam nahm er sein Tablet zur Hilfe und lockte sich in die Datenerfassungssoftware ein. „Spiro Hansen. Da habe ich Sie ja.“ Nachdem er fertig gelesen hatte, lehnte er sich zurück und verschränkte die Arme. „Spiro Hansen. Sie waren drei Jahre bei der Fremdenlegion und dann… vier lange Jahre von der Bildfläche verschwunden.“ So liest sich der Lebenslauf eines Auftragkillers, dachte Max. „Wie sind Sie an die Stelle gekommen? Ist ja nicht so als würden für sowas Flyer im Supermarkt aushängen…“
„Fragen Sie nicht.“
„Oh, doch, das tue ich.“ Max setzte sich langsam auf. „Dort unten bin ich für die Sicherheit verantwortlich. Meine Teams agieren ohne Rückendeckung auf einem Planeten voller Monster. Wenn es nur wegen des Thrills ist, schlage ich Medikamente vor. Falls Sie Ihren Lebenslauf aufhübschen wollen, könnte ich Ihnen entgegenkommen. Eine Vollzeitstelle als Lagerist hier oben … zwei Jahre befristet. Na, wie wäre es?“
„Verzichte. Lassen Sie uns sachlich bleiben“, hörte er Hansen antworten und zuckte zusammen.
Max nahm sich die Zeit und schaute genauer hin: nur eine schwielige Hand, manikürte Fingernägel und saubere Klamotten. Wenig Fett, aber auch keine trainierten Muskeln. Saitenspieler besaßen Hornhaut an den Fingern und selbst Programmierer konnte Max identifizieren: dieser Mann war nichts davon. Wie ein aus dem frisch gepelltes Ei aus einem Modekatalog konnte er zwar beeindrucken, aber den langen Weg eines Soldaten hatte er nicht bestritten. Max Snows Fazit: ungeeignet. „Sachlich. Na schön.“ Er stand nun auf und bedeutete ihm zu folgen. Kurz hinter der Tür zeigte er auf den großen Hauptbildschirm, der noch immer Oasis von seiner schönsten – und einzigen schönen Seite zeigte. „Wissen Sie, wo ich Sie eher hinstecke?“ Er tippte ein paar Befehle in sein Tablet ein und sofort wechselten kurze Videosequenzen über den Hauptbildschirm: fliehende Menschen, brennende Autos, umgestürzte Bauten und Kriminelle, die wild mit Messern und Äxten um sich schlugen. Es waren Bilder, die niemals zur besten Sendezeit