Neues Vertrauen. Ute Dombrowski
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Den ganzen Ärger hatten sie äußerst entspannt durchgestanden, denn Phillip hatte einfach keine Stellung bezogen.
„Ich urteile nicht über dich in deiner Arbeit, das machst du ja bei mir auch nicht.“
Er war jeden Abend in seinem Atelier verschwunden und am Anfang dachte sie, dass er nur nett war. Nach und nach kam Verbitterung in ihr auf, denn er machte sich nur aus dem Staub, ließ sie mit ihren Sorgen und Nöten allein. Darum hatte es sie auch nicht gewundert, dass er nicht mit nach Eltville kommen konnte und wollte.
„Sue, ich habe hier meine Welt, meine Kunst, meine Galerie, und das alles kann ich nicht einfach sein lassen, nur weil du Mist gemacht hast. Ich brauche meine Heimat wie die Luft zum Atmen und wie du deinen Job. Von mir aus hättest du auch kündigen können. Finanziell wäre das kein Problem, aber du musst ja unbedingt Bulle sein.“
Er hatte vorgeschlagen, dass sie allein geht und sie sich nur an den Wochenenden sehen. Seit sie die Strecke gefahren war, wusste sie, dass diese Beziehung zum Scheitern verurteilt war. Mit jedem Kilometer, den sie sich von der Heimat wegbewegte, entfernte sie sich auch von Phillip.
Endlich ließen sie die Gedanken los und sie fiel in einen tiefen traumlosen Schlaf.
2
Karin öffnete die Tür und Lia kam mit einem großen Lächeln herein. Sie schüttelte sich, zog ihre Jacke aus, und folgte der Kollegin ins Wohnzimmer, in dem es kuschelig warm war.
„Wie schön, dass es heute mal geklappt hat. Wie lange haben wir uns nicht mehr getroffen?“
Karin überlegte. Sie und Lia kannten sich seit acht Jahren und arbeiteten im selben Kindergarten. Lia war vierunddreißig und vor zehn Jahren war ihr ein Hirntumor entfernt worden. Seitdem ging es ihr meistens gut, doch ab und zu machten ihr Kopfschmerzen und Sehstörungen zu schaffen. Ihr Arzt hatte diagnostiziert, dass sie unter epileptischen Anfällen litt und führte das auf die Folgen der Chemotherapie zurück.
„Das ist bestimmt zwei Wochen her. Ich bin froh, dass du da bist. Wir müssen mal wieder richtig schön schwätzen.“
„Gibt es Neuigkeiten, von denen ich nichts weiß? Hast du jemanden kennengelernt?“
Lia, die eine ungewöhnlich große schlanke Frau war, setzte sich auf und legte die Unterarme auf die Knie. Dann schaute sie Karin mit großen blauen Augen erwartungsvoll an, doch die Freundin winkte ab.
„Wie kommst du denn darauf? Nein, ich habe beschlossen, keinen Mann mehr in mein Leben zu lassen. Die nehmen und nehmen immer nur, ich bräuchte aber mal einen, der auch gibt und mich nicht nur ausnutzt.“
„Ach, meine Liebe, ich würde dir einen netten Mann von Herzen gönnen!“
„Lass uns mal das Thema wechseln. Ich habe mir etwas überlegt und brauche deinen Rat.“
„Schieß los!“
„Mein Haus ist das Beste, was mir mein Ex überlassen hat, aber eigentlich ist es zu groß für mich allein. Manchmal fürchte ich mich, wenn ich in irgendwelchen Ecken Geräusche höre. Darum habe ich mich gefragt, ob ich nicht jemanden zur Untermiete aufnehme.“
„Ja! Ja, tu das! Das ist eine gute Idee!“
Lia hatte es sich auf der großen Couch bequem gemacht. Sie schlug sich auf die Knie der endlos langen Beine, drehte dann die schulterlangen blonden Haare zu einem Knoten zusammen und strahlte.
„Das ist super, hilft gegen Einsamkeit und Angst. Einen Mann oder eine Frau?“
„Wie meinst du?“
„Ob du lieber einen Mann oder eine Frau aufnehmen möchtest?“
„Ich dachte da an dich.“
Lia schwieg. Karin war ihre Freundin und sie mochte sie wirklich sehr, aber mit ihr zusammenwohnen? Nein, das konnte sich Lia nicht vorstellen, denn Karin hatte ein ausgesprochenes Helfersyndrom. Sie würde Lia von morgens bis abends bemuttern und dann arbeiteten sie ja auch noch zusammen. Das würde nicht funktionieren, denn Karin würde sie mit ihrer Fürsorge erdrücken.
„An mich? Da fühle ich mich sehr geehrt, aber das ist nichts für mich. Ich brauche meine Freiheit, um mich auch mal zurückziehen zu können. Sei mir nicht böse, aber das geht nicht.“
„Warum denn nicht? Ich könnte mich um dich kümmern und wenn was ist …“
„Genau da ist der Haken. Versteh mich nicht falsch, ich mag dich sehr. Aber du sagst es: Du würdest dich kümmern und mich bemuttern und alles hinterfragen und so weiter. Ich will aber, dass du meine Freundin bist, nicht meine Mutter. Mit dir will ich Spaß haben, über andere Leute lästern, über Männer quatschen. Und ich will dir von meinen Sorgen und Nöten erzählen können, ohne dass du dich verpflichtet fühlst, mir zu helfen. Du würdest ständig fragen, wie es mir geht, ob ich was brauche … nein, Süße, das kann ich nicht. Ich bin froh, dass du mein Notfallkontakt bist und dass ich mit dir immer jemanden habe, den ich rufen kann, wenn es mir gesundheitlich schlechter geht, doch du würdest auch fragen und Angst um mich haben, wenn es mir gut geht.“
Sie sah die Enttäuschung in den Augen ihrer Freundin. Karin war in ihrer Euphorie ausgebremst worden und nun sackte sie in sich zusammen. Aber sie wusste genau, was Lia meinte. Schließlich kannten sie sich sehr gut. Sie wusste auch, dass Lia ihr Verhalten einschätzen konnte und mit ihren Worten hatte sie genau das geschildert, was sich Karin in ihrer Fantasie erträumt hatte. Sie wollte sich wieder nützlich fühlen. Traurig nickte sie.
„Ich weiß, was du meinst und bin dir nicht böse, wirklich. Ich hatte nur gehofft, mit einer bekannten Person zusammen zu wohnen.“
„Das ist doch auch eine Chance! Du lernst jemanden kennen und es ist eine neue Herausforderung. Ich helfe dir gerne, einen passenden Kandidaten auszusuchen.“
„Eine Kandidatin. Ein Mann kommt mir nicht ins Haus!“
Jetzt lachten beide befreit und Karin goss sich ein Glas Wein und Lia eine Cola ein. Die Freundin trank keinen Alkohol, weil sie Medikamente nahm, die mögliche Anfälle unterdrückten, und sie wollte nicht, dass Alkohol Einfluss darauf hatte. Dann prosteten sie sich zu.
„Auf eine neue Mitbewohnerin!“
„Auf eine neue Erfahrung!“
Eine Weile sprachen sie noch über die Vorstellungen, die sie von Karins neuem Leben hatten, dann gähnte Lia.
„Wie geht es dir denn?“, wollte Karin wissen. „Jetzt haben wir den ganzen Abend nur über mich geredet. Geht es dir gut?“
Lia winkte ab.
„Ja, mit den Medikamenten geht es mir gut, aber sie machen müde. Ich habe extra vorhin noch eine Stunde geschlafen.“
„Was