Mörderischer Handel. Ute Dombrowski
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„Herrmann, guten Morgen, besuchst du uns? Das ist aber nett. Kaffee?“
„Gerne“, sagte der Mann freundlich, „aber eigentlich bin ich dienstlich hier. Bianca hat mich wegen des Toten im Rhein angerufen.“
Ferdinand grinste.
„Du böses Mädchen, hast du nicht unseren strengen Staatsanwalt gehört? Keine Ermittlungen bitte. Da wird er ausrasten, wenn die blauen Flecken doch von einem Verbrechen stammen.“
„Tja, meine lieben Kriminalisten, das müsst ihr dann in Kauf nehmen. Der Mann ist zwar im Rhein ertrunken, aber irgendjemand hat ihn festgehalten. Wir haben im Nachgang weitere blaue Flecken in der Nackengegend entdeckt. Es ist, als hätte ihn jemand beim Ertrinken unterstützt.“
„Und der Alkohol im Blut?“, fragte jetzt Bianca.
„Vielleicht hat man ihm den eingeflößt. Darum die blauen Handgelenke. Ihn danach mit dem Kopf unter Wasser zu halten, ist eine leichte Übung.“
„Ja … Wenn ich da an Alexander denke …“
Sie schluckte. Die Bilder des schlimmsten Tages in ihrem Leben waren wieder hochgekommen, als ihr die Parallelen zwischen der Vorgehensweise des damaligen Mörders und den Verletzungen des Opfers heute bewusst geworden waren. Sie atmete tief durch.
„Der hat den alten Mann damals auch einfach so lange unter Wasser gedrückt, bis er tot war. Vorher hatte der Tote fast zwei Flaschen Schnaps getrunken.“
Hermann zuckte mit den Schultern.
„Wie das abgelaufen ist, müsst ihr herausfinden, ich kann nur sagen, dass die Umstände für einen Mord sprechen. Und jetzt kann ich einen Kaffee gebrauchen.“
Bianca schenkte ein, sie frühstückten, dann verließ Hermann das Büro. Ferdinand sah seine Kollegin an.
„Wer sagt es ihm?“
„Ich mache das, Dr. Rosenschuh kann mich sowieso nicht leiden, also ist ein weiterer Anschiss auch egal. Ich rede vorher mit Reinhold und danach gehen wir an die Arbeit. Hat der Mann Angehörige? Kommt er aus Eltville?“
Ferdinand schlug die Akte des Gerichtsmediziners auf und las vor: „Bernd Fregge, vierundsiebzig, alleinstehend, Besitzer eines Hauses in der Felsstraße. Das sind die schönen alten Stadthäuser.“
„Ich weiß, wir haben uns damals auch ein Haus in der Straße angesehen, aber das war nicht bezahlbar. Wenn er dort ganz allein gewohnt hat, muss er ja gut gelebt haben. Vielleicht wohnt aber noch jemand in dem Haus. Wir fahren sofort, den Staatsanwalt kann ich auch später informieren.“
Sie nahm ihre Tasche und Ferdinand folgte ihr zum Auto. Nach zehn Minuten standen sie in der engen Straße und fanden das Haus direkt. Die Fassade war vor kurzem erneuert worden, alles sah gepflegt und sauber aus. In den Fenstern erblickte Bianca blühende Orchideen und einige Kübel im Eingangsbereich hatte man auch sehr hübsch bepflanzt.
Sie stiegen die Treppe hinauf und klingelten. Drinnen ertönte ein Glockengeläut, aber niemand öffnete. Bianca und Ferdinand betraten die Straße und schauten sich um. Gegenüber kam gerade eine ältere Frau aus dem Haus und schaute die Kommissare äußerst misstrauisch an. Bianca ging zu ihr und grüßte sie freundlich.
„Wissen Sie, ob außer Herrn Fregge hier noch jemand wohnt?“
„Nein, der alte Herr war ganz allein seit dem Tod seiner Frau. Was wollen Sie denn von ihm?“
Bianca zeigte ihren Ausweis und die Frau entspannte sich sichtbar.
„Gott sei Dank, niemand von den Immobilienfritzen. Ich hatte schon Angst. Der alte Fregge ist am Wochenende in den Rhein gefallen und ertrunken. Wenn der sich mal nicht umgebracht hat.“
„Wie kommen Sie denn darauf?“
„Die haben den Tag und Nacht belauert.“
„Wer DIE?“, fragte nun Ferdinand, der auch über die Straße gekommen war.
„Diese Typen, die sahen düster aus. Bernd hat mir gesagt, dass sie sein Haus kaufen wollten. Unbedingt, sagte er, aber er hat nicht im Traum daran gedacht, das Haus wegzugeben. Hier hat er gelebt und hier war er glücklich, hier sind seine Erinnerungen an schöne Zeiten. Aber seit er allein war, hatte er sich zurückgezogen und immer noch getrauert. Und dann ständig diese komischen Männer, nein, nein, der ist ins Wasser gegangen. Es tut mir leid um ihn.“
„Hatte er Kinder? Wer erbt das Haus jetzt?“
„Sie hatten keine Kinder, darum war auch immer die Katze da. Die ist jetzt bei seinem Nachbarn. Manchmal nehmen auch Freunde von ihm das Tier.“
„Danke für die Informationen. Waren diese Männer, wie sie sagen, auch bei jemand anderem?“
„Ja, die ganze andere Straßenseite haben sie belästigt. Aber bei denen ist im Moment keiner da. Die sind alle arbeiten. Was macht denn eigentlich die Kriminalpolizei hier, wenn es doch Selbstmord war?“
Bianca sagte ruhig: „Wir untersuchen auch solche Fälle. Hier ist meine Karte. Wenn Ihnen noch etwas einfällt oder diese Männer hier noch einmal auftauchen, würden Sie uns anrufen?“
Die Frau nickte und ging zur Mülltonne. Bianca und Ferdinand liefen wieder über die Straße und riefen den Schlüsseldienst. Die Hausschlüssel waren weder in der Hosentasche noch in der Jacke des Opfers gewesen. Aber es war möglich, dass sie im Rhein versunken waren.
Der Monteur, den sie schon viele Jahre kannten, öffnete ohne große Umstände die alte Haustür und war schnell wieder verschwunden. Ferdinand ging voran und sah sich zuerst in der großen Wohnküche um. Es war alles aufgeräumt und ordentlich. Bianca schaute in die anderen Räume im Erdgeschoss, aber auch hier sah alles normal aus. Das Katzenkörbchen stand im Wohnzimmer. Im Obergeschoss gab es ein Schlafzimmer mit Ehebett und drei weitere Schlafräume, in denen die Möbel mit weißen Tüchern abgedeckt waren. Das Ehebett war nur auf einer Seite bezogen, auf der anderen lag eine getrocknete Rose.
Bianca lächelte, denn diese kleine Blume strahlte unendliche Liebe aus, die über den Tod hinausging. Sie verstand sehr gut, dass der Mann das Andenken seiner Frau in Ehren halten wollte. Ferdinand, der zu ihr gekommen war, strich ihr sanft über den Arm, als er ihrem Blick folgte.
„Der Kühlschrank ist gefüllt, in der Obstschale ist frisches Obst, ein voller Wasserkasten steht in einer Ecke, also glaube ich nicht an Selbstmord. Wer deckt sich mit Lebensmitteln ein und bringt sich dann um?“
„Niemand“, erwiderte Bianca, „außerdem hätte er die Rose mitgenommen. Schau mal die Bilder auf den Nachtschrank. Sie waren ein schönes Paar.“
„Ich denke, es war Mord. Wir müssen etwas über diesen Immobilien-Deal herausfinden. Vielleicht hängt das alles damit zusammen.“
„Lass uns mal beim Nachbarn klingeln.“
3
Als sie wieder auf der Straße ankamen, betrat soeben ein Mann im schwarzen Hemd das Grundstück nebenan. Die Kommissare eilten ihm hinterher, denn er war schon fast im Haus verschwunden.