Die verbotenen Bücher. Roger Reyab
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Dagegen hat auch niemand etwas. Es hat doch auch ein Geschmäckle, wenn ein arbeitsloser Brasilianer in Dortmund zum Multimillionär mutiert. Das ist die Dortmunder Großmütigkeit, die amerikanische Träume wahr werden lässt. Während die Innenstadt von einheimischen Ein-Euro-Jobbern sauber gehalten wird, sind für andere talentierte Nationalitäten die Straßen manchmal in Gold gepflastert.
Das ist ein Stück gelebter Weltoffenheit, die in nichts mit dem Großmut anderer Städte vergleichbar ist. Da die Dortmunder an der Spitze des Fortschritts rangieren, wundert es nicht, dass der Aushängekarneval der Dortmunder Fußballkultur nun aktiv in die Tagespolitik einsteigt.
Mich persönlich würde es nicht verwundern, wenn bald ein BVB-Spieler zum Bürgermeister gewählt werden würde. Man kennt das aus den Staaten. Der Herr Reagan war Schauspieler. Der Schwarzenegger auch.
Was spräche also dagegen, dass man das politische Engagement der BVB-Millionäre in das Rathaus trägt?
Ich persönlich fände das nur konsequent und ich würde anregen, dass es bald einen brasilianischen Bürgermeister in Dortmund gibt. Ich male mir dabei aus und erhoffe mir, dass die Allianz von Geld, Talent und politischem Know-how dann eine Antrittsrede hält:
„Liebe Dortmunderinnen, liebe Dortmunder,
kein Bier für Rassisten. Ich sage es deutlich und auch echt. Kein Bier für Rassisten. Ich meine, es darf kein Bier für Rassisten geben. Denn es gibt kein Bier für Rassisten. Weil es eben kein Bier gibt, wenn jemand Rassist ist. Das ist alles, was ich zu sagen habe.“
Ich glaube, dass es bei dieser politischen Antrittsrede des neuen brasilianischen Bürgermeisters sicher sehr viel wohlwollende Unterstützung geben würde. Die Dortmunder hätten nun drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Erstens hätten sie ihre Weltoffenheit allen verkauzten Spießern demonstriert. Zweitens würde der neue Bürgermeister bestimmt kein Bier für Rassisten brauen. Drittens wäre nun sichergestellt, dass die Kommunalpolitik nicht mehr durch Nebenschauplätze unnötig strapaziert wird. Es würde nur noch eine Parole geben: Kein Bier für Rassisten.
Nun ist die zugegebenermaßen etwas reduzierte politische Botschaft eher weniger dazu geeignet, dass man damit ganze Hallen füllt. Aber wer weiß das? Vielleicht ist es eben auch gerade die Simplizität, die ungeheure Ressourcen entfaltet. Niemand weiß das.
Das tiefer liegende Problem, das dann auftaucht, wenn man sich den Rassismus der Antirassisten betrachtet, begegnet nämlich dem unvoreingenommenen Menschen dann, wenn man davon ausgeht, dass die Titulierung „Rassist“ durchaus auch rassistisch gebraucht werden kann.
Wenn man, nur rein ins Dunkle hineinkonstruiert, von der abwegigen These ausgeht, dass man den Begriff „Rassist“ auch dafür verwenden kann, jemanden in seiner politischen Meinung zu behindern, dann könnte man bei wohlwollender Betrachtung auch zu dem Schluss kommen, dass die Rassismusdebatte eigentlich an sich Rassismus ist.
Das ist natürlich etwas verschlungen und kompliziert. Deshalb möchte ich das vereinfachen.
Nehmen wir einmal eine andere Parole:
„Keine Milch für Landwirte“
Wenn man sich diese Parole einmal ansieht, die jeder Rassismusdebatte enthoben ist, wird einem auffallen, dass die Landwirte in dieser Parole einem Generalverdacht unterstellt werden. Die Parole suggeriert, dass viele oder einige Landwirte, dadurch, dass sie Kühe halten, automatisch zum Kreis der Verdächtigen gehören, die Kühe quälen.
Die Parole ergibt nur dann einen Sinn, wenn man aus ihr folgert, dass Kühe leiden und es deshalb keine Milch für die Landwirte geben sollte.
Nun hat die Parole aber erhebliche Schwächen. Sie blendet die Landwirte aus, die möglicherweise ökologisch und tierfreundlich, die nachhaltig und umsichtig, ihre Kühe melken.
Die Parole zielt auf eine Gruppe ab, die das nicht tut. Die Parole will bewirken, dass die Landwirte geächtet werden, die Kühe nicht artgerecht halten.
Wenn wir zu unserer Eingangsparole zurückkehren, fällt uns vielleicht auf, dass es immer bei jeder Parole eine Dunkelziffer von Verdächtigen gibt, die in die Parole fallen, ohne eigentlich die Parole zu stärken. Ich will damit sagen, dass jeder Biertrinker in Dortmund in einen Gewissenskonflikt gerät. Wenn er sein Bier trinkt und sich selbst für einen Rassisten hält, handelt er egoistisch und subversiv. Wenn er aber gar nicht weiß, wer oder was denn nun ein Rassist ist, dann vielleicht fahrlässig. Wenn er aber fest davon überzeugt ist, dass er kein Rassist ist, dann kann das mehrere Gründe haben. Er kann theoretisch denken, dass er deshalb kein Rassist ist, weil er sein Bier trinkt, ohne aufzufallen. Oder er kann auch annehmen, dass er deshalb kein Rassist ist, weil er nichts gegen Ausländer hat. Vielleicht denkt er aber auch deshalb, kein Rassist zu sein, weil er eben sonst zu den Menschen zählt, die hier nicht erwünscht sind. Vielleicht denkt der grübelnde Biertrinker aber auch, dass wenn es jetzt Bierdeckel gibt, die ihn entlarvt haben, dass er sich ganz ruhig verhalten sollte. Denn stellen Sie sich einmal vor, ein Biertrinker starrt auf seinen Deckel und würde dann provokativ sagen:
"Moment mal. Ich bin ein Rassist."
Ja, was würde denn dann geschehen?
Würde man den Gast verprügeln? Oder rausschmeißen? Würde man den Gast bei der Polizei anzeigen? Oder was würde geschehen?
Da aber kaum ein Gast den Mut und das Verlangen hat, diese Provokation auszukosten, macht sich jeder so seine eigenen Gedanken. Vielleicht entscheidet sich der mutmaßliche Rassist dann dafür, dass er es einfach ignoriert. Sie müssen doch verstehen; irgendetwas müssen sich die PR-Experten des BVB doch dabei gedacht haben. Irgendeine Reaktion haben sie doch erwartet und bezweckt.
Wenn man sich also dem Kalkül der Marketingkampagne nähert, muss man konstatieren, dass es vermutlich viele Menschen gibt, die sich jetzt nur ungern trauen, ein Bier zu trinken. Wenn es tatsächlich Rassisten gibt, dann müssten die doch sehr auf der Hut sein. Überall müssen sie sich durchschaut fühlen und befürchten, dass man ihnen die hässliche Maske vom Gesicht zieht. Mal abgesehen davon, dass die eh schon schwächelnde Gastronomie Umsatzeinbußen mutig in Kauf nehmen wird, wird der mutmaßliche Rassist wahrscheinlich einer Hexenjagd ausgesetzt. Überall muss er fürchten, dass er in der Gosse landet. Überall werden mutige anständige Bürger darauf lauern, den Rassisten zu entlarven und seiner gerechten Strafe zuzuführen. Der Rassist ist im Visier der Biertrinker. Niemals darf ein Rassist sich mehr ein Bier vergönnen, denn seine Existenz ist demokratiefeindlich und muss ausgegrenzt werden.
Jetzt ist das mit dem Ausgrenzen so eine Sache. Die Geschichte der Menschheit ist voller Ausgrenzungen.
Ich bin natürlich kein Rassist. Ich sorge mich auch nicht wirklich um diejenigen, die ihr Bier nicht mehr in Ruhe genießen dürfen. Das ist mir eigentlich egal. Ich würde aber dennoch gerne wissen, ob sich irgendein Rassist ausgegrenzt fühlt und deshalb kein Bier mehr trinkt. Was meinen die genialen PR-Strategen des BVB dazu? Trinkt kein Rassist mehr ein Bier? Oder geht es darum gar nicht? Will man vielleicht einfach mutige Flagge zeigen?
Oder könnte es vielleicht auch sein, dass man da etwas populistisch ist?
Ich meine, bei aller wohlwollenden Betrachtung, ist die Marketingkampagne wirklich etwas einfach gestrickt. Sie ist nicht gerade das, was man Volksaufklärung nennen könnte. Man könnte sogar bei böser Absicht weiter gehen und sagen, dass hier primitivste und animalische Urtriebe verstärkt werden.
Es ist nämlich immer sehr schwer, wenn man mit Steinen