Ben Hur. Lewis Wallace

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Ben Hur - Lewis Wallace

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Wege und war entweder sehr kühn oder stand unter einem außerordentlichen Schutze.

      Der lange und ermüdende Ritt hatte seine Glieder steif gemacht, und daher umschritt er wiederholt sein treues Kamel, wobei sein Blick immer wieder den Horizont musterte. Jedesmal glitt dann ein leichter Schatten von Enttäuschung über sein Gesicht, der verriet, daß er Gesellschaft erwartete, vielleicht nach vorangegangener Verabredung. Allein, was konnte das für ein Geschäft sein, das an einem so abgelegenen Orte verhandelt werden mußte?

      Er mußte wohl sicher sein, daß die erwartete Gesellschaft kommen würde, denn nachdem er sein Kamel gefüttert hatte, errichtete er mit Stäben aus seinem Gepäck und mitgebrachtem Tuch ein Zelt. Den mitgenommenen Vorräten entnahm er die Bestandteile eines Mahles: Wein in kleinen Lederschläuchen, getrocknetes und geräuchertes Hammelfleisch, syrische Granatäpfel, arabische Datteln, dazu Käse und gesäuertes Brot. Alles dieses stellte er in schöner Ordnung auf den Teppich unter dem Zelte, und legte zum Schlusse drei seidene Tücher als Servietten daneben. Hieraus konnte man auf die Anzahl der Personen schließen, die er als Gäste erwartete.

      Alles war nun fertig. Er trat wieder hinaus, und sieh! fern im Osten war ein dunkler Punkt auf der Wüstenfläche zu bemerken. Wie festgewurzelt blieb er stehen; sein Auge erweiterte sich, ein heiliger Schauer durchrieselte seinen Leib.

      Der Punkt wurde größer, endlich nahm er bestimmte Formen an. Etwas später erkannte er darin ein großes, weißes Dromedar, das genaue Seitenstück seines eigenen, mit der Reisesänfte eines Inders auf dem Rücken. Der Ägypter kreuzte seine Arme auf der Brust und blickte zum Himmel. »Gott allein ist groß!« rief er aus, während seine Augen mit Tränen sich füllten und Ehrfurcht seine Seele durchschauerte.

      Der Fremde kam näher und näher, endlich machte er Halt. Auch er schien wie aus dem Schlafe erwacht. Er erblickte das kniende Kamel, das Zelt, und an seinem Eingange den Mann in betender Stellung. Er kreuzte ebenfalls die Arme, neigte das Haupt und betete schweigend. Nach einigen Augenblicken stieg er vom Kamele ab und ging dem Ägypter entgegen und dieser ihm. Einen Augenblick sahen beide einander an, dann umarmten sie sich.

      »Friede sei mit dir, o Diener des wahren Gottes!« sagte der Fremde.

      »Auch dir, o Bruder im wahren Glauben,« entgegnete mit Wärme der Ägypter, »auch dir Friede und Willkomm!«

      Der Ankömmling war von schlanker, hagerer Gestalt, die Augen lagen tief in den Höhlen. Haar und Bart waren weiß, die Gesichtsfarbe rötlichbraun. Auch er war unbewaffnet. Seine Kleidung war die eines Inders, um das Haupt gewunden trug er einen Turban mit reichen Falten.

      »Gesegnet sind die, die dem Herrn dienen!« sagte nach einer Weile der Ägypter. »Aber warten wir ab, denn sieh, schon kommt dort auch der andere!« Sie blickten gegen Norden, von wo gerade, dem Auge schon deutlich sichtbar, ein drittes Kamel, das ebenfalls von weißer Farbe war, wie ein Schiff herankam. Sie warteten, nebeneinander stehend, bis der Ankömmling nahe und abgestiegen war und ihnen entgegenging.

      »Friede sei mit dir!« sagte er, den Inder umarmend.

      »Gottes Wille geschehe!« erwiderte dieser.

      Der neue Ankömmling war seinen Freunden ganz unähnlich. Er war zarter gebaut und hatte weiße Gesichtsfarbe. Reiches, wogendes Haar von lichter Farbe bildete die Krone seines kleinen, aber schönen Hauptes. Das warmblickende tiefblaue Auge offenbarte ein zartes Gemüt und einen herzlichen, edlen Charakter. Er war unbedeckt und unbewaffnet, und an seiner Kleidung sah man, daß er ein Grieche war.

      Nachdem er auch den Ägypter umarmt hatte, sagte dieser: »Der Geist hat mich zuerst hierhergeführt, daraus erkenne ich, daß ich zum Diener meiner Brüder erwählt bin. Das Zelt ist aufgerichtet, das Brot zum Brechen bereit, laßt mich meines Amtes walten!«

      Sie bei der Hand nehmend, führte er beide hinein, band ihnen die Sandalen los, wusch ihnen die Füße, goß Wasser über ihre Hände und trocknete sie mit Tüchern ab.

      Und als er sich selbst die Hände gewaschen hatte, sprach er: »Laßt uns nun für uns selbst sorgen, Brüder, wie unsere Aufgabe es erheischt, und uns stärken zur Verrichtung dessen, was uns heute noch obliegt. Während wir essen, können wir einander kennen lernen.«

      Er führte sie zum Mahle und wies ihnen die Plätze so an, daß sie alle sich gegenseitig anblickten. Sie neigten nun gleichzeitig das Haupt, kreuzten die Arme über der Brust und sprachen gemeinsam und laut folgendes einfache Tischgebet: »O Gott und Vater aller! Was wir hier haben, ist von dir; nimm hin unsern Dank und segne uns, daß wir auch fürderhin stets deinen Willen tun.« Beim letzten Worte erhoben sie die Augen und blickten einander verwundert an. Jeder hatte in seiner Sprache gesprochen, die die anderen noch nicht gehört hatten, und doch verstanden sie sich gegenseitig vollkommen. Ehrfurchtsschauer durchbebte ihr Inneres; denn das Wunder ließ sie Gottes Gegenwart fühlen.

      Diese Zusammenkunft fand, um nach der damaligen Zeitrechnung zu sprechen, im Jahre 747 nach der Erbauung Roms statt. Es war im Monat Dezember. Der Ritt durch die Wüste hatte in den dreien Eßlust erregt, und bald kam auch durch den Wein ihre Unterhaltung in Fluß.

      »Einem Wanderer in fremden Landen ist nichts so angenehm, als seinen Namen von Freundesmund genannt zu hören,« sagte der Ägypter. »Viele Tage mag unser Zusammenleben währen, es ist darum Zeit, daß wir einander kennen lernen. Es soll also, wenn es so genehm ist, der zuerst sprechen, welcher zuletzt anlangte.«

      Und langsam anfänglich, wie zurückhaltend, begann der Grieche. »Fern von hier im Westen ist ein Land, welches nie der Vergessenheit anheimfallen wird, schon darum, weil die Welt demselben zu sehr zu Dank verpflichtet ist, und zwar für Dinge, die der Menschheit die reinsten Freuden gewähren. Ich spreche von Griechenland. Ich bin Kaspar, Sohn des Kleantes von Athen. Das Volk, dem ich angehöre, hat sich ganz der Kunst und Wissenschaft hingegeben, und ich habe von ihm dieselbe Neigung ererbt. Unsere beiden größten Philosophen, Platon und Aristoteles, gaben uns die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und dem einigen Gott. Aber es mußte, dachte ich mir, eine bis jetzt nicht gekannte Beziehung zwischen Gott und der Seele geben, und da mir darüber die Schulen keine Auskunft gaben, verließ ich sie verzagt und ging in die Einsamkeit.«

      Ein Lächeln der Befriedigung erhellte bei diesen Worten die hageren Züge des Inders. »Im nördlichen Teile meines Vaterlandes,« fuhr der Grieche fort, »in Thessalien, ist ein berühmter Berg, Olymp genannt. Die Sage meiner Landsleute nennt ihn die Heimat der Götter; auf ihm soll Zeus, der höchste der Götter, seinen Wohnsitz haben. Dorthin begab ich mich. An einem südöstlichen Ausläufer dieses Berges fand ich eine Höhle, da ließ ich mich nieder und widmete mich ganz der Betrachtung, oder vielmehr ich flehte mit jedem Atemzuge um Offenbarung.«

      »Und du wurdest erhört!« rief der Inder lebhaft aus.

      »Höret mich, Brüder,« fuhr der Grieche fort, während er nur mühsam seine Bewegung unterdrücken konnte. »Der Eingang zu meiner Einsiedelei gewährte Ausblick auf einen Meeresarm, den Golf von Thermä. Eines Tages sah ich einen Mann aus einem vorbeisegelnden Schiff über Bord stürzen. Er schwamm der Küste zu. Ich nahm ihn auf und trug Sorge für ihn. Er war ein Jude, wohlbewandert in der Geschichte und in den Gesetzen seines Volkes. Von ihm erfuhr ich, daß der Gott meines Sehnens wirkliches Dasein hat, ja seit Jahrhunderten der Gesetzgeber, Herrscher und König der Israeliten gewesen ist. Er erzählte mir auch, daß dieser Gott von neuem auf die Erde kommen werde, und daß diese zweite Ankunft unmittelbar bevorstehe, ja eben jetzt in Jerusalem erwartet werde.

      Als der Jude weitergewandert und ich wieder allein war, suchte ich mich durch abermaliges Gebet würdig zu machen, den verheißenen König mit meinen Augen zu sehen und anzubeten, wenn er kommen werde. Eines Nachts saß ich am Eingang meiner Höhle und dachte über das Geheimnis meines Daseins nach; denn

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