Ben Hur. Lewis Wallace
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Als sie ihre Plätze eingenommen hatten, fuhr er fort: »Vom Nordtore her wurde mir heute nachmittag die Ankunft dreier Fremdlinge berichtet, die seltsam beritten und ausgerüstet waren und aussahen, als seien sie aus fernen Ländern gekommen. Seid ihr diese Männer?«
Auf einen Wink des Griechen und des Inders nahm der Ägypter das Wort und antwortete unter einer tiefen Verneigung:
»Wären wir andere als wir sind, so hätte uns der mächtige Herodes nicht hergerufen.«
»Wer seid ihr? Woher kommt ihr?« fragte Herodes weiter. Sie erstatteten ihm nun, einer nach dem andern, Bericht, indem sie einfach Ort und Land ihrer Geburt sowie den Weg, auf dem sie nach Jerusalem gekommen waren, angaben. Etwas enttäuscht, forschte sie Herodes genauer aus.
»Wie lautete die Frage, die ihr beim Tore an den wachehabenden Offizier stelltet?«
»Wir fragten ihn: Wo ist der neugeborne König der Juden?« »Ich begreife nun, warum das ganze Volk so in Bewegung kam. Ihr reget mich nicht minder auf. Gibt es denn noch einen andern König der Juden?«
Furchtlos antwortete der Ägypter:
»Ja, er wurde soeben geboren.«
Ein Zug des Schmerzes flog über das finstere Antlitz des Herrschers, wie wenn eine schreckliche Erinnerung seinen Geist folterte. »Nicht mir!« rief er aus, »nicht mir wurde er geboren!« Als er die Fassung wiedererlangt hatte, fragte er ruhig: »Wo ist der neugeborene König?«
»Das ist es eben, o König, wonach wir fragen!«
»Ihr setzt mich in Erstaunen! Ihr legt mir ein Rätsel vor, das schwieriger ist als jenes salomonische. Saget mir alles, was ihr über den Neugebornen wißt, und ich will euch helfen, ihn zu suchen. Und wenn wir ihn gefunden haben, will ich tun, was ihr nur wünschet. Ich will ihn nach Jerusalem bringen und ihn zum König erziehen, ich will meinen Einfluß beim Kaiser verwenden, um ihm hohe Stellungen und Ehren zu verschaffen. Eifersucht soll es nicht unter uns geben, das schwöre ich. Doch sagt mir zuerst, wie konntet ihr, die ihr doch durch Meere und Wüsten so weit voneinander getrennt waret, gleichzeitig von ihm hören?«
»Ich will es dir in Wahrheit sagen, o König!«
»Sprich!« gebot Herodes.
Balthasar richtete sich auf und sprach feierlich: »Es gibt einen allmächtigen Gott.«
Herodes erschrak sichtlich.
»Dieser befahl uns, hierher zu kommen und versprach uns, daß wir den Erlöser der Welt finden würden, daß wir ihn sehen
und anbeten und von seiner Ankunft Zeugnis geben sollten. Als Zeichen vom Himmel war einem jeden von uns beschieden, einen Stern zu schauen. Sein Geist war mit uns. O König, sein Geist ist jetzt mit uns!« Die drei Männer waren aufs tiefste bewegt; der Grieche vermochte mit Mühe einen Ausruf zurückzuhalten. Herodes' Blicke schossen von einem zum andern, er war noch unbefriedigter und noch mehr von Argwohn erfüllt als vorher.
»Ihr treibt mit mir Spott,« sagte er. »Und wenn nicht, so erzählt mir mehr. Was soll auf die Ankunft des neuen Königs folgen?«
»Die Erlösung der Menschen.«
»Wovon?«
»Von ihrer Sündhaftigkeit.«
»Wodurch?«
»Durch die Kraft Gottes; durch Glaube, Liebe und gute Werke.«
»Dann –« Herodes hielt inne, sein Blick ließ in keiner Weise die Gefühle erkennen, die seine Brust bewegten, als er fortfuhr: »Dann seid ihr die Verkündiger des Messias. Ist das alles?« Balthasar verbeugte sich tief: »Wir sind deine Diener, o König!«
Der König klingelte und der Diener erschien. »Bringe die Geschenke!« sagte der Herrscher.
Der Diener ging hinaus. In kurzer Zeit kehrte er zurück, kniete vor den Gästen nieder und reichte jedem einen Mantel in scharlachroter und blauer Farbe und einen golddurchwirkten Gürtel. Sie nahmen die Ehrengeschenke mit orientalisch unterwürfigen Dankesbezeugungen an.
»Noch ein Wort!« sagte Herodes, als die Förmlichkeiten beendet waren. »Ihr habt zum Offizier beim Tore und soeben zu mir von einem Stern gesprochen, den ihr im Morgenlande gesehen habt.«
»Ja,« sagte Balthasar, »es war sein Stern, der Stern des Neugeborenen.«
»Um welche Zeit erschien er?«
»Als uns befohlen wurde, hierher zu kommen.«
Herodes erhob sich, ein Zeichen, daß die Audienz zu Ende war. Er stieg vom Throne herunter, ging ihnen entgegen und sagte huldvollst: .
»Wenn ihr, erlauchte Männer, in der Tat die Verkündiger des neugeborenen Messias seid, wie ich nicht zweifle, so wisset, daß ich heute abend die weisesten der jüdischen Lehrer befragt habe, und sie sagen einstimmig, er solle zu Bethlehem in Judäa geboren werden. Ich sage euch also, geht dorthin; geht hin und forschet genau nach dem Kinde. Und wenn ihr es gefunden habt, so zeiget es mir an, damit auch ich komme, es anzubeten. Nichts soll euch auf dem Wege hinderlich sein. Friede sei mit euch!«
Und sich in seinen Mantel hüllend, verließ er das Gemach. Alsbald kam der Führer, geleitete sie hinab zur Straße und von da zur Herberge. Beim Tore angelangt, rief der Grieche bewegt:
»Laßt uns nach Bethlehem gehn, Brüder, wie der König uns geraten hat!«
»Ja,« rief der Inder, »der Geist drängt mich.«
»Es sei!« sprach Balthasar mit gleicher Wärme. »Die Kamele stehn bereit.«
Sie beschenkten den Torwächter, schwangen sich in die Sättel, ließen sich den Weg nach dem Joppe-Tore zeigen und ritten fort. Als sie auf die Ebene von Rephaim gelangten, erschien am Himmel ein Licht, zuerst unbestimmt und matt. Ihre Herzen pochten schneller. Das Licht nahm rasch an Stärke zu, und schließlich sahen sie wieder den Stern. Er stand ganz niedrig am Himmel und ging langsam vor ihnen her. Sie falteten die Hände und stießen im Übermaß der Freude einen Schrei aus.
»Gott ist mit uns! Gott ist mit uns!« jubelten sie und folgten dem Stern, bis er über einem abgelegenen Stalle in der Nähe von Bethlehem stille stand.
Eben begann die dritte Nachtwache. Im Osten dämmerte bereits über den Bergen der Morgen, aber so schwach, daß es im Tale noch Nacht war. Der Wächter auf dem Dache der Herberge lauschte, von Kälte durchschauert, sehnsüchtig den ersten vernehmbaren Lauten, womit das erwachende Leben den anbrechenden Tag begrüßt, als ein Licht den Berg heraufschimmerte und dem Hause sich näherte. Er hielt es erst für eine Fackel in der Hand eines nächtlichen Wanderers, dann meinte er, ein Meteor zu sehen. Der Glanz des Lichtes nahm aber immer zu, bis er sah, daß es ein Stern war. Aufs höchste erschreckt, schrie er auf und weckte dadurch alle Leute, die im Khan schliefen, sie eilten auf das Dach.
Die Erscheinung kam immer näher. Die Felsen, die Bäume und die Straße waren hell erleuchtet, und das Licht wurde so blendend, daß man die Augen hinwegwenden mußte. Einige unter den Zuschauern fielen auf die Knie nieder, verhüllten ihr Angesicht und beteten. Wer nach dem Stern zu schauen wagte, sah ihn gerade über dem Hause vor der Höhle, wo das Kind geboren wurde, stillstehn.
Als