Die Begabten. Juryk Barelhaven

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Die Begabten - Juryk Barelhaven

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Herz erweichen konnte. Hinkend schlurfte das kleine Elend von dannen und war bald verschwunden, während die Hexe ihr mit bitteren Gedanken nachsah.

      Sobald war sie ihrer Arbeit nachgegangen. Als junge Hexe, so erinnerte sie sich, hatte sie anfangs davon geträumt mit Zauberstab und reichlich Magie jeden Tag Wunder zu wirken, und hatte schnell einsehen müssen, dass die Tätigkeit von Hexen große Ähnlichkeit mit harter Arbeit hatte. Sie benutzte immer seltener ihren Besen und hatte nach einer langen Einarbeitungszeit festgestellt, dass auch ohne Magie ihre Speisekammer gut gefüllt war und die Leute zufrieden waren.

      Nach ihrem Besuch bei den Alten schaute sie kurz beim Blechschmied vorbei, dessen Baby an einem Hautausschlag litt und gab der Mutter einen Topf mit Salbe. Dann zum Besenbinder, dessen Frau ihr elftes Kind geboren hatte und danach zum Dorfschulzen, der über schlechte Zähne jammerte. Es gab immer viel zu tun, und manchmal hatte sie das Gefühl, dass ihre Arbeit niemals endete. Schließlich machte sie am späten Nachmittag Rast unter einer Ulme und aß eine Kleinigkeit. So ging es mit ihrem Tagesablauf weiter, bis es Abend war. Als sie zuhause auf dem Buckelhügel war, hatte sie das kleine Mädchen bereits vergessen.

      Sonia mühte sich mit einem Eimer voller Kohlenstücke über den Weg zurück nach Hause. Gerne hätte sie mit den anderen Kindern in Mooswald gespielt, doch Kinder können grausam sein: wegen ihrer Verwandtschaft, ihrem bemitleidenswerten Aussehen und etlichen anderen Gründen wollte keins der Kinder mit ihr spielen. Also beließ sie es bei einfachen Tagträumen und nutzte die Zeit, um in ihrer Fantasie alles zu tun, was man eben tun konnte. Leider reichte die Zeit kaum aus, und ihr zuhause war kein Ort für Familien.

      Die Taverne „Grauer Frosch“ lag an einer Kurve der aufgeweichten Straße zu Mooswald, an einem Berghang gedrückt und zum Buchenwald hin offen. Es war ein ausgedehntes, baufälliges Gebäude, über dessen Hof zwei Brüstungen verliefen. Das strohgedeckte Dach hing schimmelnd und faulig durch. Rohes Gebrüll und Gelächter drangen aus der Gaststube im ersten Stock. Tische fielen krachend um. Fiedeln und Dudelsäcke gaben eine schiefe Melodie von sich. Unten im Stall stampften die angebundenen Maulesel und Pferde und zitterten in der Kälte.

      Sonia überlief auch ein Zittern. Das war ein Nest voller Halsabschneider und Räubergesindel, kein Ort für tugendhafte Menschen – schon gar nicht für Kinder. Aber sie benötigte ein Dach unter dem Kopf und Nahrung. Ihr Onkel und ihre Tante trugen die Verantwortung für sie.

      Sonia nahm einen tiefen Atemzug und stapfte mit dem schweren Kohleneimer auf das Gasthaus zu. Sie ging durch den Schlamm im Hof, die Treppe hinauf in die große Gaststube hinein. Drinnen war es heiß, laut und unglaublich stickig. Kerzenstummel flackerten in rohen Haltern. Schwankende Flegel und Trunkenbolde stießen klirrend mit ihren Krügen an, maßen sich im Armdrücken und tanzten auf den Tischen. Bewaffnete Männer und Frauen, die misstrauisch nach allen Seiten schauend ihr grobes Brot kauten und aus irdenen Bechern Bier tranken. Sonia drückte sich an die Wand, hielt sich in den Schatten und steuert auf die Küche zu. Sie versuchte, sich so unauffällig wie möglich zu bewegen, aber sie war noch nicht weit gekommen, als sie ein betrunkener Halsabschneider erspähte.

      „Was ist denn das? Ein Troll, bei den Göttern! Ein Wicht!“

      Ein anderer stieß ein rohes Gelächter aus und trommelte mit der Gabel auf den Tisch. „Gerade im richtigen Augenblick! Wir brauchen Fleisch!“

      „Spießt sie auf!“, brüllte ein anderer und warf mit dem Dolch auf Sonia. „Schmeißt sie auf die Kohlen!“

      Sonia duckte sich und huschte zwischen den Beinen und unter den Tischen und Stühlen hindurch. Die drei ließen sie unter Gelächter laufen und stürzten ihr Bier hinunter. Sie spürte, wie sie wieder anfing zu weinen und versuchte ihr eigenes pochendes Herz zu beruhigen. Ein Stiefel traf sie und sie landete in einer Ecke. Der Eimer mit den Kohlen fiel um.

      „Steh auf!“, drang die Stimme ihres Onkels in ihr Ohr. „Du bist spät. Feg die Kohlen auf, und ab in die Küche!“

      Llug wog seine wuchtigen Schultern und strafte sie mit Missachtung. Schwarzes Haar hing ihm über Augen und Ohren. Ein dichter Bart streifte seine Schürze, die vor Fett und Schmutz stand. Er knurrte noch einmal und stapfte wieder zurück an den Tresen, um weiter Bier auszuschenken.

      Sonia hielt sich die schmerzende Stelle und tat, wie ihr geheißen wurde. Als sie fertig war, schob sie den Kohleneimer neben dem Kamin, in dem ein prasselndes Feuer brannte und knackte. Sie genoss einen Moment die Hitze auf ihrer Haut, spürte ihre Tränen trocknen und lächelte langsam, als sich etwas Weiches und Flauschiges an ihrem Bein reibte.

      Bei der Katze handelte es sich um einen Straßenkater, einen geschmeidigen Veteranen zahlreicher Raufereien und Revierkämpfe. Ihm fehlten ein Ohr, ein Auge, der Schwanz und zwei Krallen der rechten Vorderpfote. Er starrte Sonia mit dem gesunden Auge an und schnurrte leicht, als das Mädchen ihn sanft zu kraulen anfing.

      „Du solltest gehen“, hauchte sie leise zu ihm. „Du bist frei – nicht so wie ich.“ Das war die Wahrheit, und der Kater schien zu verstehen. Er blickte sie aufmerksam an, drehte sich plötzlich um und verschwand in der Menge. Als jemand die Tür kurz aufmachte, bemerkte sie einen gelben Fleck. Der Kater hatte richtig entschieden und wusste, was gut für ihn war.

      Wehmütig blickte sie ihm nach und erinnerte sich sogleich an ihre Pflichten. Sonia schob sich in den Lärm und Trubel an den Leuten vorbei und begab sich in den hinteren Teil der Taverne. Im Kerzenlicht der Wirtsstube erkannte sie Männer- und Frauenkleider, die an den Haken an der Wand hingen. Neben einem alten Bett mit einer noch älteren, fleckigen Matratze aus Stroh kleideten sich zwei Gestalten in aller Eile an.

      „Da steht ein Kind. Kaum größer als ein Floh!“, rief eine von ihnen und deutete auf Sonia. Die Stimme klang merkwürdig rau.

      „Mach dir ihretwegen keine Sorgen“, sagte die andere Person. „Beeil dich lieber. Llug kommt gleich. Wenn Sonia weiß, was gut für sie ist, hält sie ihre kleine Schnauze.“ Die Frau schlüpfte hastig in Rock und Bluse, und versuchte gleichzeitig ihr verstrubbeltes Haar zu glätten. Olg war eine hochgewachsene Frau mit üppigen Brüsten und war vor langen Jahren einmal schön gewesen. Sie war Serviererin und Köchin in einer Person und nichts davon konnte sie gut. Blonde, hochtoupierte Haare, verschmierter Lippenstift und dunkle Augenringe – ganz zu schweigen von ihrem verlebten Körper. Zuviel Makeup, höchstens Eins sechzig groß und zwanzig Pfund Übergewicht. Dass das meiste davon vorne war, war der Grund, warum viele Männer auf sie standen. Einst hatte sie recht nett ausgesehen. Sie hatte in ihrem Dorf immer Verabredungen mit Jungen. Doch niemand hatte sie für besonders schlau gehalten. Da sie nicht mit genügend Grips gesegnet war, um die beständigen Niederschläge trivialer alltäglicher Enttäuschungen zu begreifen, war ihre natürliche Heiterkeit von einer bitteren Erkenntnis zerfressen worden, dass das Leben nicht besser werden würde, als es immer gewesen war – d.h. ziemlich enttäuschend. Über die Jahre hatte sie sich mit Männern eingelassen, die ihr schnelles Geld und Glück auf Erden versprochen hatten. Das Resultat ging einher mit ihrer aufkommenden Reizbarkeit, dem Dahinschmelzen ihres angenehmen Äußeren und dem Weichen des fröhlichen Lächelns zu einem Mund, der nun hart und brutal wirkte.

      Der Mann neben ihr schnaufte und grapschte nach ihren Brüsten. Er grinste schief und Geifer lief ihm über das Gesicht. „Dein Mann ist ein Narr. Er glaubt, er gehört zu uns aber unser Hauptmann braucht nur die Taverne.“

      „Ich gehöre zu euch, oder“, gurrte Olg und schenkte ihm einen Kuss.

      „Wird sich zeigen“, mahnte der Mann und schenkte Sonia keine Beachtung, als er an ihr vorüberstapfte. Stolz wie ein Gockel, der seinem Tagwerk nachging.

      Olg wandte sich nun Sonia zu. „So, hast dir aber ganz schön Zeit gelassen. Warst wieder träumen, wie? Oh, du kannst wirklich dankbar sein, dass

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