Die Begabten. Juryk Barelhaven

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Die Begabten - Juryk Barelhaven

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hier? Hol es, ein ganzes Büschel, sage ich. Und wage nicht, ohne davon nach Hause zu kommen!“

      „Wa..?“ Sie sah sich bedrängt von den bedrohlichen Verwandten, blickte wirr um sich, als wäre das ein schlechter Scherz. Ein übler Streich, um sie zu bestrafen. Selbst Banditen wussten besseres mit ihrem Leben anzufangen. „Es ist kalt und dunkel.“

      „Scherrt mich nicht“, knurrte Llug ungehalten und holte aus, aber diesmal wurde er von Olg zurückgehalten. „Lass sie. Sie muss noch Laufen können.“

      Als Sonia mit ihrer Laterne vor dem Buchenwald stand wurden ihr die Knie weich. Der Weg entfernte sich von der Taverne und verlief jetzt durch den dichten Wald. Entwurzelte Bäume und auf dem Weg verstreute Felsbrocken behinderten sie, oftmals musste das Kind darum lange, ermüdende Umwege in Kauf nehmen. Es war ein verhältnismäßig kleiner Wald, für geübte Förster und Waldläufer überschaubar doch wie jeder Wald hatte er tief unter seiner Buchenborke Geheimnisse, und diese deckte man nicht des Nachts auf.

      Doch war das Gebiet, in das sie vordrang, entsetzlich. Ein toter Reiter und sein Pferd lehnten gemeinsam an einem Baum und ihre Knochen wurden von Schlingpflanzen gehalten. Sonia hielt sich die Hand vor dem Mund, um nicht laut loszuschreien und eilte schnell vorüber. Die Dunkelheit breitete ihren Mantel über den Wald aus und bald fühlte sich das Kind nicht nur allein, sondern auch verlassen und schutzlos.

      Sämtliche Pflanzen waren durch Krankheiten verkrüppelt. Der Wald wuchs in seiner gewohnten Vielfalt und Fülle, erreichte aber nur einen Bruchteil der normalen Höhe. Buchen, die eigentlich viele Meter hoch sein sollten, waren nur um ein weniges größer als sie. Es gab keinen einladenden Unterschlupf in diesem Landstrich. Verderbnis und Tod vermischten sich so greifbar wie Rauch in diesem abscheulichen Teil und nach einer Weile war sie froh ihn verlassen zu können.

      Ein Trupp berittener Barbaren war vor ihr um die Kurve gebogen. Sonia wusste, die Augen weit aufgerissen, zum ersten Mal, was es hieß, vor Schreck gelähmt zu sein. Sie wäre nicht einmal an die Steigbügel dieser schwarzen Pferde herangekommen. Ein einziger Hufschlag hätte sie zerschmettert, und ohne weiteres hätte sie von einem der Eisenhörner, die aus den Stirnplatten der Tiere hervorragten, aufgespießt werden können.

      Sofort duckte sie sich, löschte die Flamme ihrer Lampe und kroch ins tiefe Gestrüpp. Zu allen Göttern betend, hoffte sie nicht entdeckt zu werden.

      Doch der Trupp trappte nur langsam vorüber und schienen sie in dem Zwielicht des Tages nicht gemerkt zu haben. Gut für sie.

      Viel schrecklicher als die Rösser waren die Barbaren in ihrer geschlossenen Formation. Gewaltige, muskelbepackte Kerle in klirrenden Rüstungen, mit wilden Frisuren und weiten Umhängen, die sich aufbauschten wie Fledermausflügel. Tätowierte Riesen mit Keulen und Streitäxten. Netze und Dornenketten schaukelten an ihren Sattel. Der größte von ihnen, dessen Gesicht von einem riesigen Skelettkopf als Helm bedeckt war, bedeutete zu halten. Als der Trupp direkt neben Sonia zum Stehen kam, drückte sie ihr Gesicht krampfhaft in die Erde.

      „Wir haben dich schon gesucht!“

      Sonias Herz pochte wie ein Schmiedehammer, kalter Schweiß breitete sich auf ihrem Rücken aus und jede Sekunde rechnete sie damit von groben Händen hochgezogen und gefangengenommen zu werden. Was würde man mit ihr anstellen? Flucht war sinnlos.

      „Ich verfolge ein Kind mit einer Lampe“, rief jemand aus dem Wald und Äste knackten und brachen ein Dutzend Meter den Weg lang, von dem sie gekommen war. Sonia riss erstaunt die Augen auf und hob langsam den Kopf. Mucksmäuschenstill beobachtete sie einen kleinen Barbaren mit tätowiertem Gesicht, der mit Pfeil und Bogen aus dem Geäst des Weges kam. Sie hatte nicht bemerkt, dass sie verfolgt worden war.

      „Habt ihr sie gesehen“, fragte der Mann kehlig und Sonia sah mit Befriedigung, dass alle Männer den Kopf schüttelten. „Ein kleines Kind mit einer Laterne?“

      Der Anführer gebot seinem Pferd nach vorne zu reiten und hielt neben dem Fährtenleser an. „Vergiss das Kind“, grollte er. „Sag. Lohnt sich ein Zug nach Mooswald?“

      Sie wollen die Stadt überfallen, durchfuhr es sie siedend heiß. Wie schrecklich.

      Der Späher drehte sich um und grinste schelmisch. „Faule Bürger mit vollen Taschen. Ihnen scheint langweilig zu sein. Die Wachen sind ein Witz. Es führen drei Straßen durch den Ort.“

      „Wäre das erste Mal, dass wir auf nennenswerten Widerstand stoßen“, bestätigte der Anführer und lachte leise. „Wir wollen den Bürgern Unterhaltung bieten. Wir schwärmen über die Ebene aus und halten weiter die Augen auf. Du musst der Horde Bericht erstatten. Wir könnten im Morgengrauen zuschlagen.“

      Leise fluchend klopfte sich der Barbar den Dreck von der Rüstung und setzte sich auf sein Pferd. Gemeinsam ritten sie von dannen.

      Die Straße war wieder verlassen und leer.

      Ich sollte umkehren, dachte Sonia zitternd und wartete noch lange bis sie es wagte aufzustehen. Den offenen Weg würde sie meiden müssen und die Laterne leuchten zu lassen, wagte sie jetzt nicht mehr – jeden Fackelschein sah man im Zwielicht meilenweit. Es gab keinen anderen Weg: Barbaren krochen im Buchenwald herum. Wer wusste schon, was noch auf sie lauerte? Schnell zurück zur Taverne… und von Olg und Llug verprügelt zu werden. Nein, da nahm sie es lieber mit dem Wald und seinen Schrecken auf!

      Die Sonne war gerade untergegangen. Das Abendrot wurde von den niedrigen Wolken zurückgeworfen und färbte den ganzen Wald blutrot. Aus der Nähe betrachtet war er noch schrecklicher als aus der Entfernung. Im tiefen Dickicht des Waldes wuchsen alle Pflanzen wild und ohne Plan, und es war eine Tortur sich durch das Gestrüpp zu kämpfen. Sonia hatte Mühe mit dem wenig Licht nach dem passenden Pflanzen Ausschau zu halten. Wenn sie das Rotfarnkraut nicht fand, war sie verloren. Wenn sie es fand, mussten drei Menschen wegen ihr sterben. Und wenn der Wald mit seinen wilden Tieren sie nicht zugrunde richtete, ihre Verwandten würden es schon schaffen – man musste ihnen nur Zeit lassen.

      Nach einer Weile gab sie es auf, setzte sich auf den Boden und weinte Tränen. Es hatte keinen Sinn. Es war hoffnungslos. Ihre zierlichen Schultern hoben und senkten sich bei jedem Beben ihres kleinen Körpers.

      „Mutter. Vater.“ Die Welt war böse und gemein. Niemand würde ihr helfen, sie würde niemals eine Hexe werden, geschweige denn, ein normales Leben führen können. Es war kalt, und die Disteln in ihrem Kleid, die sich im Laufe ihrer Wanderung verfangen hatten, stachen wie Nadelstiche. Würde ein Bär jetzt aus dem Unterholz auf sie zugestürmt kommen, …

      Mit einem Mal fiel es ihr auf.

      Ein Feuer.

      Sie atmete ein und aus, beruhigte ihre zarte Lunge und schniefte leise. Ein Lagerfeuer.

      Sollten es die Barbaren sein, würde sie leise wieder zurückgehen, und wenn sie sie schnappten…

      Die Neugier überwog schließlich, doch mit Vorsicht ging sie langsam weiter und versuchte keinen allzu großen Lärm zu machen. Während sie näherkam, wurde das Feuer größer und im Schein erkannte sie einen großen Karren mit Anhänger und zwei Pferden, die interessiert in ihre Richtung schauten.

      Auf dem Feuer schmurggelten in einer Pfanne kleine Würstchen, neben dem Feuer stand ein Tablett mit Brot, Butter und einer Flasche. Nein, es waren dutzende zum Teil leer ausgetrunkene Flaschen die wahllos herumlagen.

      Der Geruch der leckeren Würstchen wehte in ihre Richtung. Das Knurren ihres Magens erinnerte sie daran, dass sie seit Ewigkeiten nichts mehr gegessen hatte. Sonia war so erschöpft

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