Die Begabten. Juryk Barelhaven
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Читать онлайн книгу Die Begabten - Juryk Barelhaven страница 8
Sonia beeilte sich zur Küchentür zu kommen, wurde aber von Kamile aufgehalten. „Höre Sonia. Das ist falsch, sage ich. Wir sollten uns Gedanken um deine Zukunft machen. Überall ist es besser als hier. Du hast Besseres verdient. Dort draußen wartet eine Welt voller Abenteuer und Gelegenheiten. Ich weise dir den Weg zu den reichsten Tafeln der Königshäuser, ich kenne Magier und Gelehrte, die dir das Tor zur Erkenntnis aufstoßen und wenn ich erstmal von der Schönheit der Frauen anfange…“ Sie unterbrach sich. „Nein, das interessiert dich nicht.“
„Was ist das für einen Lärm“, brüllte jemand von drinnen und sofort wurde eine Tür aufgestoßen. Es war ihr Onkel Llug und er wirkte nicht glücklich. Sonia zuckte zusammen aber hielt das Kraut in ihren Händen tapfer. Llug nickte stumm und gebot ihr einzutreten. „Mit wem hast du geredet? Da ist niemand.“
„Mit niemanden, Onkel.“ Unsanft wurde sie nach vorne gestoßen.
„Dummes Kind“, grummelte er leise. „Redet mit sich selbst! Aber das Kraut hast du wenigstens.“
Olg kam zur Stelle und wirkte aufgebracht. „Die Männer sind da, mein Liebster. Sie warten … du weißt schon, worauf.“ Zu Sonia gewandt: „Du! Zerstoße das Kraut, bis es ein feiner Brei ist. Dann mische es mit der Ziegenmilch. Du bringst unseren Gästen die Becher.“
Sonia machte große Augen. Machten sie sie etwa zur Mittäterin?
Aber Reden machten jetzt keinen Sinn mehr. Auf ihrem Schemel in der Küche zerrieb sie das Kraut und mischte es in die Milch. Wenn man diese trank, würde man stundenlang in einen Schlaf fallen. Was sollte sie tun? Wo war Kamile, wenn man sie brauchte?
Sie schaute in die Haupthalle, wo alle Männer und Frauen sich waffenstarrend still verhielten. Niemand trank ein Bier oder scherzte. Von der Heiterkeit am vor Stunden war jetzt nichts mehr zu spüren. Dunkle Absichten glommen in den finsteren Augen der niederträchtigen Scharr, und sie würden sich nicht mit weniger zufriedengeben. Es war also so weit. Sobald der Trank wirkte, würden sie die drei Männer ihm Schlaf erdolchen da sie einen Kampf mit ihm scheuten. Und nachdem, was Sonia über ihn bis jetzt erfahren hatte, konnte man davon ausgehen, dass jede Vorsicht gerechtfertigt war. Ihr kam eine Idee…
Mit dem Becher Ziegenmilch auf dem Tablett stieg sie die Stufen nach oben, vorbei an bewaffnete Unholde, die ihr misstrauisch entgegenstarrten. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, sie war wieder allein in ihrer eigenen, kleinen Welt gefangen mit Menschen, die sie insgeheim verachteten. Olg schritt hinter ihr her, und als Sonia die Hand zum Türknauf erhob, packte ihre Tante sie grob am Kopf, während sie mit der anderen Hand das Tablett festhielt. „Ein Wort von dir“, raunte sie leise. In ihrem Blick lag ein tödliches Versprechen.
Die Drohung kam an. Sonia hätte fast geweint, denn sie verstand auch was das Bedeutete: Ihr wurde klar, dass sie tun konnte, was sie wollte… selbst, wenn sie die Wachen und den Kaufmann eigenhändig töten würde, würden ihr Onkel und ihre Tante sie nicht in Frieden leben lassen. Da half auch keine Puppe mehr.
Dieser Gedanke kam mit so einer Klarheit, dass sie beinahe das Tablett fallengelassen hätte.
Sie öffnete die Tür zum besten Zimmer, das sie hatten – und da saßen sie. Sie wirkten wie Statuen und beäugten das Mädchen misstrauisch.
Sie schloss die Tür hinter sich und balancierte das Tablett auf einem Arm. In ihrem Inneren vibrierte es voller Anspannung. Jetzt war sie Teil von etwas Großem, das sie nicht wollte. Kein Mensch sollte vor so einer Wahl gestellt werden.
Der Kaufmann öffnete seine Augen und lächelte. „Das kleine Mädchen. Sieh an. Ich freue mich, dich zu sehen.“
„Ja, Herr.“ Er beobachtete Sonia, während sie die Becher auf den einzig freien Tisch abstellte. Dabei zitterten ihre Hände. Ihm entging diese Veränderung nicht. Die Wachen warfen sich vielsagende Blicke zu.
Sie atmete schwer aus dem Mund, die Schultern bebten und alles in ihr drängte danach, sich zu ergeben, ins Freie zu stürmen und irgendwohin zu rennen. Ihre Eltern fehlten ihr so sehr. Sie hatte gelernt, lautlos zu weinen. Sie war nur ein Kind, keine Soldatin oder eine Gelehrte: die Tränen rannen ihr über die Wangen und mit bebendem Kinn starrte sie ihn nur an.
Er beugte sich vor, blickte ruhig und entschlossen, ergriff sie am Arm und zog sie an sich. Er roch nach Pulverdampf, Öl und Schweiß, aber das störte sie nicht. Mit zittrigen Fingern umarmte sie ihn und ließ sich fallen. Hielt ihn fest und zitterte, bibberte als wären die Teufel hinter ihr her. Sie raunte ihm leise ins Ohr.
„Du bist tapfer, kleine Sonia“, murmelte er leise und hielt sie weiter fest. Sie ließ es zu, während er ihr sanft den Rücken streichelte. „Meine Schwester hatte oft Angst vor Gewitter. Sie kam zu mir und suchte Schutz. Sie ist mir genommen worden.“ Er ließ los und blickte sie ernst an. „Du musst tun, wozu du bestimmt bist.“
Sie verließ das Zimmer und wurde sogleich von einem der Banditen an den Schultern gepackt, noch bevor die Tür zugefallen war. Grob wurde ihr das Tablett aus der Hand gerissen, jemand versetzte ihr einen harten Schlag gegen die Lippe während schwielige, dreckige Hände ihr den Mund zuhielten. Sie waren so viele; ungebremste Männer ohne Moral und ohne Anstand, die das Kind in ihrer Mitte schlugen, traten und nach unten in die Küche schleiften. Dabei achteten sie sehr darauf, dass alles still verlief.
Llug war außer sich vor Zorn und packte Sonia am Hals, schüttelte sie wie ein Handschuh. „Haben sie getrunken?“, presste er zischend hervor. „Haben sie verdammt nochmal getrunken?“ Um sie herum standen lauernd die Ganoven mit Messern, Schwertern, Keulen und finsteren Mienen. Was konnte sie jetzt noch sagen? Sie war nur ein Kind. Eine der Klingen berührte ihren Hals und sie wagte nicht zu atmen. Alle stanken nach Gewalt und Alkohol. Ihr wurde schlecht. Beinahe wäre sie in Ohnmacht gefallen.
„Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun!“
Alle verharrten und blickten sich um. Wer hatte da gesprochen?
Alle drehten sich um sahen zur Treppe. Der Kaufmann und seine Wachen standen drohend wie ein Racheengel und wirkten zornig, ihre Schwerter gezogen. Prüfend starrten sie die Gemeinschaft an. „Wir werden gehen. Hier ist es nicht sicher“, grollte der Alte und zog einen Dolch hervor. „Und das Mädchen kommt mit!“
Niemand rief zu Mord. Alle wichen mit angestrengter Miene ein Stück zurück. Einige funkelten ihn entschlossen an; mutige Narren, die nicht verstanden, dass das Ende gekommen war. Der Rest wirkte, als wäre er lieber woanders.
Der Anführer der Truppe unternahm einen letzten Versuch: „Leg dein Schwert nieder. Dann wird es schnell gehen.“
Und dann sah Sonia, was echte Krieger waren. Die Männer lachten dem Anführer ins Gesicht, während sie wie ein Blitz von der obersten Stufe heruntersprangen, um sich ihren Feinden zu stellen. Einer rollte auf dem Boden ab, beschrieb mit der Klinge einen Halbmond und drei Männer hielten sich die Bäuche. Bei dem folgenden Handgemenge stieß jemand eine Pechlaterne um, die ihren Inhalt über einen Lumpensack ergoss. Das Feuer fand Nahrung, doch alle Augen waren zu sehr gebannt von den Kampf. Bevor ein Dreizack einer der Wachen aufspießen konnte, hatte er sich über einen Tisch abgerollt und kam auf der anderen Seite wieder auf die Füße. Seine Klinge funkelte im Kerzenschein, verfehlte den Hals eines Mannes aber traf dafür seinen Helm mit solcher Wucht, dass dieser getroffen zu Boden sank. Die Klinge blitzte und surrte, sie trennte einem Mann den Arm ab, einem weiteren das Bein und einmal trieb er die Klinge bis zum Heft in zwei Schurken, die das Pech hatten, sich nicht schnell genug in Sicherheit zu bringen.
Olg hielt krampfhaft die zappelnde