Weiblich, kompetent, FÜHRUNGSKRAFT. Rainer Bartelt
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Die Geschäftsführerin
Vor vielen, vielen Jahren bin ich ihr begegnet, als sie noch ganz frisch im Job und ich bereits stellvertretender Vorstandsvorsitzender eines regionalen Interessenverbandes messtechnischer Unternehmen namens Measurement Valley e. V. war. Damals wie heute leitete sie ein neu gegründetes Wirtschaftsförderungsunternehmen der Stadt.
Sie zeigte uns, dem Vereinsvorstand, die von ihr angemieteten Räumlichkeiten, in denen sich verschiedene privatwirtschaftlich organisierte Spin-Offs unserer Universität tummelten. Allesamt mit der einen großen Geschäftsidee versehen und dem Wunschtraum vom daraus folgenden, noch bedeutend größeren Markterfolg. Als etwas zurückgenommen, eher ruhig als dynamisch ist sie mir von daher in Erinnerung geblieben. Dass wir nun, Jahre später, in einem Wettstreit der Argumente ziemlich heftig aneinandergeraten sollten, hätte ich mir zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht vorstellen können.
Denn gerade heute spricht der Erfolg ihrer Arbeit für sie und ihre besonnene Art und Weise, die Geschäfte zu führen: An die Stelle eines überschaubar großen Wissenschaftszentrums, das ganz am Anfang noch sehr improvisiert in einem ehemaligen, nur zweigeschossigen Kasernengebäude untergebracht war, ist heute ein beachtlicher Wissenschaftspark, eine kleine Stadt in der Stadt getreten. Im Eigentum der Stadt, betrieben jedoch in alleiniger Verantwortung des von ihr geleiteten Unternehmens zur Förderung der regionalen Wirtschaft.
Jedes Kind braucht einen Namen. Schenken wir der erfolgreichen Geschäftsführerin für unsere Zwecke also einfach mal den (fiktiven) Namen „Anders“, denn schließlich heißt sie ja auch anders als hier angegeben, und bezeichnen sie im Folgenden als die „Unbeirrbare“. Warum, das werden wir später noch erfahren...
Das erste Problem
Am Fuße des kleinen Hügels, auf dem meine Frau und ich ein aus der unmittelbaren Nachkriegszeit stammendes Einfamilienhaus bewohnen, gibt es einen schmalen, streckenweise noch ziemlich naturbelassenen Bachlauf, hinter dem eine gute Strecke fast unberührter Wildwuchs liegt. Längs dieses Baches gehen wir bei schönem Wetter gern spazieren. Dort, wo wir die mehrstöckigen Institutsbauten der Frau Anders erreichen, biegen wir meist rechts ab und nehmen den Weg zurück auf unseren Wohnhügel.
Kurz vor Weihnachten war ich allein unterwegs, um nach der Hektik des Tages die Stille und Einsamkeit der frühen Nachtstunden zu genießen. In der Zeitung hatte ich gelesen, dass Frau Anders' Wissenschaftspark kürzlich um einen Neubau erweitert worden sei. (Die Bauarbeiten waren meiner Frau und mir nicht verborgen geblieben.) Der Neubau endete mit einer über fünf Stockwerke gehenden Fluchttreppe nur wenige Meter von unserem grünen Bachlauf entfernt.
Neugierig näherte ich mich von der Vorderseite dem neuen Gebäude. Um mich herum nur Dunkelheit und Stille. Doch dann kam ich an den Bach, und für einen Moment denke ich, mich trifft der Schlag! Ich brauchte eine ganze Weile, um zu begreifen, was ich da vor mir sah: Das Ding — von zwanzig (20!) LED-Flutlicht-Strahlern gleißend hell erleuchtet —, das dermaßen auf mich einstrahlte, dass ich unwillkürlich beide Augen zusammenkneifen musste, war die tagsüber vollkommen harmlos aussehende Fluchttreppe des von unserer Geschäftsführerin betriebenen Wissenschaftsneubaus.
Die Flutleuchten waren nicht etwa auf das Gebäude ausgerichtet — nein, sie strahlten fröhlich links und rechts an der Hauswand vorbei — deutlich mehr als hundert Meter den Bachlauf hinauf und denselben Bachlauf auch wieder hinunter. Selbst das nur durch einen kombinierten Rad- und Fußgängerweg vom Gebäude getrennte, vornehmlich dem Hochwasserschutz dienende Feuchtbiotop, in dem im Sommer zuvor ein menschenscheues Graugänsepaar gebrütet hatte, bekam noch eine ordentliche Portion Flutlicht frei Haus geliefert. Damit hatte unsere Geschäftsführerin ein Problem: Mich!
Ich googelte ein bisschen und schrieb schon am nächsten Tag, einem Advents-Sonntag im Corona-Dezember 2020, eine E-Mail an die „sehr geehrte Frau Anders“, in der ich darauf hinwies, dass ich die Beleuchtung der Fluchttreppe an „ihrem“ Neubau als übertrieben hell empfinden würde, dass ich mich als Spaziergänger davon sehr gestört gefühlt hätte und nun in großer Sorge um die in dem angrenzenden Feuchtbiotop bis dahin weitestgehend in schützender Dunkelheit lebenden Wildtiere sei. Falls sie wider Erwarten nicht die richtige Ansprechpartnerin für mein persönliches Anliegen sein sollte, möge sie mir doch bitte mitteilen, an wen ich mich stattdessen wenden könne, um dieses Problem zu lösen.
Da ich ein paar Tage auf ihre Antwort warten musste, hakte ich nach. Ein gutes Gefühl hatte ich nicht dabei, denn es waren nur noch wenige Tage bis Weihnachten und mir war vollkommen klar, dass Frau Anders sich als hauptverantwortliche Geschäftsführerin vornehmlich um den Jahresabschluss ihrer Wirtschaftsförderungsgesellschaft kümmern musste und ganz sicher keine Lust hatte, mit mir über Spaziergänger-Probleme und nächtlich zwangsbeleuchtete Feuchtbiotope zu diskutieren.
In ihrer Mail-Antwort, die mich überraschenderweise doch noch im alten Jahr erreichte, beklagte sich Frau Anders dann auch folgerichtig darüber, dass ich ihr unterstellen würde, sie habe nicht die Absicht gehabt, zeitnah zu antworten. Für sie selbst sei die Sache vollkommen klar: Fußgänger hin oder her, die Treppe müsse so wie technisch ausgeführt beleuchtet werden, in dem Gebäude befände sich wertvolles Equipment, die Sicherheitsfirma habe das genau so und nicht anders verlangt.
Das war natürlich überhaupt nicht das, was ich hatte hören wollen. Also war für mich der Stand der Dinge Weihnachten 2020: Der Fehdehandschuh liegt im Ring!
Denn wie Sie inzwischen wissen, bin ich ein Mann, und einen derart offenkundigen, auf mich persönlich bezogenen Widerspruch kann ich gar nicht gut vertragen! :-/
Die Präsidentin
Bei uns macht jeder, was er will,
keiner was er soll,
aber alle machen mit!
Albtraum oder Realität? Der Chef hat's in der Hand.
Das zweite Beispiel genderspezifischen Führungskräfteverhaltens betrifft eine Gerichtspräsidentin mit dem typischen Problem (fast) aller Vorgesetzten: Sie muss den Kopf für einen Mist hinhalten, den ihre Untergebenen verbockt haben. Nennen wir sie daher „Die Unbeteiligte“ und schenken ihr (dem Alphabet folgend) den wie zuvor fiktiven Nachnamen „Berndt“.
Viele, die in jungen Jahren nach der ganz großen Karriere lechzen, werden dieses Problems: höchstpersönlich selbst für die Arbeitsleistung der eigenen Mitarbeiter einstehen zu müssen, erst gewahr, wenn es schon zu spät ist. Dann nämlich, wenn sie bereits mit Führungsverantwortung gesegnet sind. Um es ganz klar zu sagen, bezogen auf die Mitarbeiterführung werden von einem Chef — egal ob männlich oder weiblich — im Allgemeinen genau drei Dinge erwartet:
Erstens: Das Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass die Mitarbeiter ihre Arbeit bestmöglich ausführen können (nicht nur bezüglich Mitarbeiterzufriedenheit, sondern auch bezüglich Qualität und Effizienz).
Zweitens: Die Ursachen von Fehlleistungen — nicht nur der eigenen, sondern auch der der Mitarbeiter — aufzuklären und den oder die Kunden oder sonstigen Beschwerdeführer zufriedenzustellen, indem zu Recht reklamierte Mängel schnellstmöglich beseitigt werden.
Drittens: Zu verhindern, dass sich dieselben Fehler ständig wiederholen. (Vor neuen Fehlern ist allerdings niemand