Dombey und Sohn. Charles Dickens

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Dombey und Sohn - Charles Dickens

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Sphinx nicht erwehren und im Augenblick über sein Geschäft ins klare kommen. Er besaß ein sehr schönes Haus gegen die Seeküste gelegen, obschon es im Innern nichts weniger als einen aufheiternden Charakter zeigte. Dunkelfarbige Vorhänge von sehr ärmlich-bescheidenem Aussehen versteckten sich zaghaft hinter den Fenstern. Die Tische und Stühle standen in Reihen wie die Ziffern einer Additionsaufgabe; Feuer wurde so selten in den Zeremonienzimmern angezündet, daß man in einem Brunnen zu sein glaubte, in dem der Gast den Wassereimer vorstellte; der Speisesaal schien der letzte Platz in der Welt zu sein, wo einem möglicherweise Essen oder Trinken zufließen konnte, und durchs ganze Haus hörte man keinen anderen Laut, als das Picken einer großen Wanduhr in dem Flur, die sich bis in das Dachstübchen hinauf hörbar machte.

      Diese Eintönigkeit wurde nur hin und wieder durch ein dumpfes Knurren junger Menschen unterbrochen, die gleich einem Flug melancholischer Tauben über ihren Aufgaben murmelten.

      Auch Miß Blimber, obschon eine schlanke, anmutige Jungfrau, trug nicht dazu bei, die kalte Sphäre des Hauses zu mildern. Sie war keine Person, die sich mit leichtfertigen Dingen beschäftigte, hatte krause, kurz geschnittene Haare und trug eine Brille. Die Arbeit in den Gräbern erstorbener Sprachen hatte sie dürr und sandig gemacht. Was wollte auch Miß Blimber von lebendigen Sprachen? Sie mußten tot sein – steintot – erst dann grub sie Miß Blimber aus.

      Mistreß Blimber, ihre Mama, besaß selbst keine Gelehrsamkeit, tat aber doch dergleichen, und das lief ungefähr aufs gleiche hinaus. Bei Abendgesellschaften pflegte sie zu sagen, wenn sie das Glück gehabt hätte, Cicero zu kennen, so glaubte sie imstande zu sein, ihr Haupt zufrieden ins Grab niederlegen zu können. Es war immer eine neue Freude für sie, mitanzusehen, wie der Doktor seine jungen Gentlemen spazieren führte – letztere so gar nicht wie alle anderen jungen Gentlemen, sondern in möglichst großen Vatermördern und möglichst steifen Krawatten. Es sei so klassisch, sagte sie.

      Was den Mr. Feeder, B. A. Doktor Blimbers Lehrgehilfen, betraf, so war dieser eine Art menschlicher Drehorgel mit einer geringen Anzahl von Weisen, die sich ohne Unterlaß und ohne Abänderung stets aufs neue abhaspelten. Vielleicht hätte er in seinem früheren Leben, wenn sein Geschick günstiger gewesen wäre, sein Glück beim Militär machen können; da es ihm aber nicht so gut geworden, mußte er statt dieser Laufbahn sich auf eine andere einlassen, die ihn zwang, die unreifen Ideen von Doktor Blimbers jungen Gentlemen zu verwirren. Die jungen Gentlemen mußten sich schon früh mit quälenden Ängsten tragen. Die Einübung herzloser Verba, wilder Substantiven, unbeugsamer syntaktischer Sätze und gespenstischer Argumente, die ihnen wie ebenso viele Alpe in den Träumen wiederkamen, ließen sie nicht zur Ruhe kommen, und unter dem Treibhaussystem war in der Regel schon nach drei Wochen der Frohsinn eines jeden jungen Gentleman abgeschnürt. Ein Vierteljahr reichte aus, ihm alle Sorgen der Welt in den Kopf zu pflanzen. Nach vier Monaten lernte er seine Eltern oder Vormünder hassen, nach fünfen war er ein Misanthrop, nach sechsen beneidete er den Curtius, der im Innern der Erde eine glückliche Zufluchtsstätte fand, und am Ende des ersten Jahres war er zu dem Schluß gekommen, von dem er später nie wieder abging, daß alle Produktionen der Dichter und Lehren der Weisen weiter nichts seien, als eine Sammlung von Wörtern und grammatischen Regeln, die in der Welt keinen andern Sinn hätten.

      Gleichwohl fuhr er fort, in dem Treibhause des Doktors zu blühen, und groß war der Ruhm und die Herrlichkeit des Doktors, wenn der winterliche Wuchs zu seinen Freunden und Verwandten zurückkehrte.

      Eines Tages stand Paul mit klopfendem Herzen, mit der kleinen rechten Hand sich an der seines Vaters haltend, auf der Türschwelle des Doktors. Seine linke war von der seiner Schwester umfaßt. Wie fest und innig war der Druck der einen – wie schlaff und kalt der der andern.

      Gleich einem unheilverkündenden Vogel schwebte Mrs. Pipchin mit ihrem schwarzen Gefieder und ihrem krummen Schnabel hinter dem Opfer. Sie war außer Atem – denn Mr. Dombey hatte in der Überfülle seiner großen Gedanken rasch ausgeholt – und heiser erscholl ihr Krächzen, als sie unter dem Hause auf das Aufgehen der Tür harrte.

      »Nun, Paul«, sagte Dombey mit einer Siegermiene, »dies ist in der Tat der Weg, um Dombey und Sohn zu werden und zu Geld zu kommen. Du bist jetzt schon fast ein Mann.«

      »Fast«, wiederholte das Kind.

      Sogar seine kindliche Aufregung konnte den schlauen und doch ergreifenden Blick, mit welchem er die Antwort begleitete, nicht meistern. Über Mr. Dombeys Gesicht flog ein unbestimmter Ausdruck der Unzufriedenheit; als aber die Tür aufging, war alles plötzlich verschwunden.

      »Doktor Blimber ist wohl zu Hause?« sprach Mr. Dombey. Der Diener bejahte es, und als sie vorbeigingen, blickte er auf Paul, als wäre dieser ein Mäuschen und das Haus eine Mausefalle. Der Diener war ein etwas blöder junger Mensch, mit einem schwachen Dämmern von Grinsen in seinem Gesichte. Das war aber bloße Einfältigkeit von ihm; aber Mrs. Pipchin setzte es sich in den Kopf, daß es eine Unverschämtheit sei, und machte eine Attacke auf ihn.

      »Wie kann Er sich unterstehen, hinter dem Gentleman herzulachen?« fragte Mrs. Pipchin, »und für was hält Er mich?«

      »Ich lache über niemanden und halte Sie gewiß für nichts, Madame«, entgegnete der junge Mensch bestürzt.

      »Das müßige Hundepack!« rief Mrs. Pipchin, »ist für nichts da, als den Bratspieß zu drehen. Geh und sag deinem Herrn, daß Mr. Dombey hier ist, oder es soll Ihm übel bekommen.«

      Der schwachsinnige junge Mensch ging ganz kleinlaut ab, um sich seines Auftrags zu entledigen, und kam alsbald zurück, damit er sie in des Doktors Studierzimmer einlüde.

      »Schon wieder gelacht, Sir!« zischte Mrs. Pipchin, als die Reihe an sie kam, in der Nachhut an ihm vorbeizugehen.

      »Ich lache nicht«, entgegnete der junge Mensch ganz bekümmert.

      »So was ist mir noch nie begegnet!«

      »Was gibt es, Mrs. Pipchin?« fragte Mr. Dombey zurückblickend, »seien Sie doch leise, wenn ich bitten darf.«

      Mrs. Pipchin murmelte untertänig gegen den jungen Menschen, als sie an ihm vorüberging, nur die Worte: »Das ist ein sauberer Bursche«, und verließ den jungen Menschen, der ganz zerknirscht und vernichtet war, durch den Vorfall bis zu Tränen gerührt. Aber Mrs. Pipchin hatte die Eigenschaft, über alle untertänigen Leute herzufallen; und ihre Freunde fanden das nach den Vorgängen in den peruanischen Bergwerken ganz in Ordnung.

      Der Doktor saß in seinem unheimlichen Studierzimmer, einen Globus bei jedem Knie und zwischen Büchern vergraben; die Büsten von Homer und Minerva thronten über der Tür und auf dem Kamingesims.

      »Und wie befinden Sie sich, Sir?« sprach er zu Mr. Dombey, »und wie geht's meinem kleinen Freund?« Feierlich wie eine Orgel war die Stimme des Doktors, und als er aufhörte, schien die große Uhr (für Paul wenigstens) seine Worte aufzunehmen und zu wiederholen; wie – geht – es – mei – nem – klei – nen – Freund; wie – geht – es – mei – nem – klei – nen – Freund?

      Da der Freund etwas zu klein war, um von dem Sitze des Doktors über die Bücher seines Tisches hinweg sichtbar zu sein, so machte der Doktor verschiedene vergebliche Versuche, ihn hinter den Tischfüßen zu erspähen. Als Mr. Dombey dies gewahrte, befreite er ihn aus seiner Verlegenheit, indem er Paul auf die Arme nahm und auf einen andern kleinen Tisch dem Doktor gegenüber mitten ins Zimmer setzte.

      »Ah!« rief der Doktor, indem er sich mit der Hand auf der Brust in seinem Stuhl zurücklehnte.

      »Nun seh' ich meinen kleinen Freund, wie geht es, mein kleiner Freund?«

      Die Uhr in dem Saale wollte auf diese Veränderung

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