Dombey und Sohn. Charles Dickens
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Zur Bekräftigung dieses Umstandes hätte sich der Major wohl auf sein Gesicht berufen können, denn dieses schien wirklich den Beweis zu liefern, als hätte er ein bißchen zu lang gehangen.
»Aber es machte uns zu dem, was wir waren«, sagte der Major, den Busenstreif seines Hemdes ordnend, »Wir waren von Eisen, Sir, und solche Übungen dienten als Schmiede. Wohnt Ihr hier, Mr. Dombey?«
»Ich komme in der Regel einmal wöchentlich herunter, Major«, erwiderte dieser Gentleman. »Mein Wohnquartier ist an dem Bedford.«
»So werde ich die Ehre haben. Euch an dem Bedford meine Aufwartung zu machen, Sir, wenn Ihr es mir gestattet«, sagte der Major. »Joe B., Sir, hält im allgemeinen nicht viel auf Besuche, aber Mr. Dombeys Name gehört nicht unter die gewöhnlichen. Ich bin meinem kleinen Freunde sehr viel verpflichtet für die Ehre dieser Bekanntschaft.«
Mr. Dombey gab eine sehr gnädige Erwiderung, und Mr. Bagstok tätschelte Paul auf den Kopf, worauf er gegen Florence bemerkte, »ihre Augen würden bald mit den jungen Burschen ein Teufelsspiel anfangen. Und mit den alten dazu, Sir, wenn wir nun mal darauf kommen«, fügte er unter vielem Kichern bei, störte dann Master Bitherstone mit seinem Spazierstock auf und entfernte sich mit diesem jungen Gentleman in einer Art von Halbtrab, wobei er mit großer Würde seinen Kopf rollte und hustete, in seinem Marsch die Füße sehr weit auseinander spreizend.
In Erfüllung seiner Zusage machte der Major Mr. Dombey später einen Besuch, der von Mr. Dombey, nachdem er die Armeeliste zu Rate gezogen hatte, erwidert wurde. Dann sprach der Major auch in Mr. Dombeys Stadthaus vor und machte seinen nächsten Besuch zu Brighton in Mr. Dombeys Kutsche. Mit einem Worte, die Bekanntschaft dieser beiden Ehrenmänner nahm einen ungemein schnellen Fortgang, und Mr. Dombey bemerkte in betreff des Majors gegen seine Schwester, daß er zwar ein ganz militärischer Mann sei, aber trotzdem etwas mehr in sich trage, sintemal er eine ganz bewunderungswürdige Vorstellung über die Wichtigkeit von Dingen habe, die zu seinem Beruf in keiner Beziehung stünden.
Als später Mr. Dombey seine Schwester und Miß Tor nach Brighton nahm und den Major daselbst bereits vorfand, lud er ihn zum Diner nach dem Bedford ein und machte schon im voraus Miß Tor große Komplimente wegen ihres Nachbars und Bekannten. Ungeachtet des Herzklopfens, das dergleichen Anspielungen hervorriefen, waren sie doch Miß Tor durchaus nicht unangenehm, da sie sich dabei ungemein interessant machen und eine gelegentliche Verwirrtheit zur Schau tragen konnte, die sie nicht ungern blicken ließ. Der Major gab ihr reichlichen Anlaß, diese Erregung zu entfalten; denn er beklagte sich beim Diner sehr, daß sie von ihm und dem Prinzessinnenplatze desertiert sei, und da ihm dergleichen Klagen große Freude zu machen schienen, so lief alles ganz herrlich ab.
Bei Tafel übernahm der Major die Aufgabe der ganzen Unterhaltung und zeigte hierfür eine ebenso große Gier wie in Beziehung auf die verschiedenen Leckerbissen, in denen er sich, sozusagen, fast wälzte – sehr zur Steigerung seiner inflammatorischen Liebhabereien. Mr. Dombey ließ sich bei seinem gewöhnlichen, abgemessenen Schweigen diese Anmaßung gern gefallen, und der Major fühlte, daß er sich mit Glanz ausnahm. Auch entrang ihm der Schwung seines Geistes eine so endlose Anzahl von neuen Wechseln in seinem Namen, daß er selbst darüber erstaunte. Mit einem Wort, alles vergnügte sich recht gut. Man betrachtete den Major als einen Mann, der eine unerschöpfliche Unterhaltungsgabe habe, und als er endlich nach einer langen Partie Whist sich verabschiedete, machte Mr. Dombey Miß Tor abermals ein Kompliment über ihren Nachbar und Bekannten. Aber auf dem ganzen Weg zu dem Hotel sagte der Major unaufhörlich zu sich und von sich selbst: »Schlau, Sir – schlau, Sir – verteufelt schlau!« Und als er daselbst angelangt war, setzte er sich auf einen Stuhl nieder und brach in ein stummes Gelächter aus – ein Anfall, dem er hin und wieder ausgesetzt war und der ihn stets in einem besonders schauerlichen Licht erscheinen ließ. Bei der erwähnten Gelegenheit hielt er so lange an, daß ihn der schwarze Diener, der ihm aus der Ferne zusah und um keinen Preis der Welt heranzutreten sich erdreistete, zwei- oder dreimal für verloren gab. Seine ganze Gestalt, namentlich aber sein Gesicht und sein Kopf, erweiterte sich über alle frühere Erfahrung und boten dem Schwarzen einen Anblick, der sich wie eine keuchende Masse von Indigo ausnahm. Endlich verfiel er in einen ungestümen Hustenanfall, und als es damit etwas besser wurde, brach er in nachstehende Ergießung aus:
»Möchtet Ihr, Ma'am – möchtet Ihr? Mistreß Dombey, eh, Ma'am? Ich denke nicht, Ma'am, solange Joe B. eine Speiche in Euer Rad einsetzen kann, Ma'am. J. B. ist jetzt quitt mit Euch, Ma'am. Er ist noch nicht ganz ausgekegelt, Sir – nein, Bagstok ist's noch nicht. Sie ist gerissen, gerissen, Sir, aber Josh ist noch gerissener. Der alte Joe hat die Augen offen – hell offen – sperrangelweit offen, Sir!«
Die letzte Versicherung war ohne Zweifel bis zu einem furchtbaren Umfang wahr, und so blieb sie es auch während des größten Teils der Nacht, die der Major hauptsächlich in ähnlichen Ausrufen und unter unterschiedlichen Husten- oder Erstickungsanfällen verbrachte, womit er das ganze Haus aufstörte.
Am Tage nach diesem Vorgang, der ein Sonntag war, saßen Mr. Dombey, Mrs. Chick und Miß Tor eben beim Frühstück und ergingen sich in Lobeserhebungen über den Major, als Florence mit glührotem Gesicht und vor Freude funkelnden Augen hereingeeilt kam.
»Papa! Papa!« rief sie. »Hier ist Walter – er will nicht hereinkommen.«
»Wer?« entgegnete Mr. Dombey. »Was meint sie damit? Was soll das heißen?«
»Walter, Papa«, versetzte Florence schüchtern, denn sie fühlte wohl, daß sie mit allzu großer Vertraulichkeit ihrem Vater unter die Augen getreten war, »der mich fand, als ich mich verirrt hatte.«
»Meint sie den jungen Gay, Louisa?« fragte Mr. Dombey, seine Augenbrauen runzelnd. »In der Tat, das Benehmen dieses Kindes ist sehr lärmend geworden. Unmöglich kann sie den jungen Gay meinen. Sieh nach, was es gibt – willst du so gut sein?«
Mrs. Chick eilte in den Flur hinaus und kehrte mit der Kunde zurück, daß allerdings der junge Gay da sei und eine sehr seltsam aussehende Person zum Begleiter habe. Der Knabe wolle sich nicht die Freiheit nehmen, hereinzukommen, weil er gehört habe, daß Mr. Dombey beim Frühstück sei – er warte deshalb, bis ihm von Mr. Dombey die Erlaubnis dazu erteilt werde.
»Bemerke dem Jungen, er solle nur jetzt hereinkommen«, sagte Mr. Dombey. »Nun, Gay, was gibt es? Wer hat Euch heruntergeschickt? Hat niemand anders kommen können?«
»Ich bitte um Verzeihung«, entgegnete Walter, »ich bin nicht geschickt worden. Aus eigenem Antrieb habe ich mich erdreistet, zu kommen, und ich hoffe, Ihr werdet mir vergeben, wenn ich den Grund dazu erzählt habe.«
Aber Mr. Dombey blickte, ohne auf die Worte des Knaben zu achten, ungeduldig rechts und links von ihm, als wäre Walter ein Pfeiler in seinem Weg, nach einem dahinter befindlichen Gegenstand. »Was ist das?« fragte Mr. Dombey. »Wer ist das? Vermutlich habt Ihr die Tür verfehlt, Sir.«
»O, es tut mir sehr leid, wenn ich Euch mit irgend jemandem aufdringlich bin, Sir«, rief Walter hastig – »aber dies ist – dies ist Kapitän Cuttle, Sir.«
»Wal'r, mein Junge«, bemerkte der Kapitän mit tiefer Stimme, »halt stand!«
Zu gleicher Zeit kam er ein wenig weiter herein und stellte seinen weiten blauen Anzug, den segelförmigen Hemdkragen und die knaufige Nase ins volle Licht. Nachdem er sich gegen Mr. Dombey verbeugt hatte, schwenkte er, den harten Glanzhut in der einen Hand und den Eindruck desselben in einem roten Ring um seine Stirne zur Schau tragend, höflich seinen Haken gegen die Damen.
Mr. Dombey schaute mit Staunen und Unwillen auf diese Erscheinung; seine Blicke schienen anzudeuten, als wolle er Mrs. Chick und Miß Tox zur Abwehr aufbieten. Der kleine Paul, der hinter Florence hereingekommen war, ging, als