Dombey und Sohn. Charles Dickens
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»Ja, Papa, ja.«
»Dann sollst du auch –« erwiderte sein Vater. »Du siehst nun, Paul«, fügte er mit gedämpfter Stimme bei, »wie mächtig das Geld ist und wie sehr es sich die Leute angelegen sein lassen, welches zu erhalten. Der junge Gay ist so weit gekommen, um darum zu bitten, und du, der du es hast, bist so großmütig, es ihm zu geben. Du erweisest ihm damit eine große Gunst, und er muß dir sehr dankbar sein.«
Paul erhob für einen Moment das alte Gesicht, in dem sich aussprach, daß er den Sinn dieser Worte vollkommen begreife; unmittelbar darauf aber wurde sein Antlitz wieder jung und kindlich. Er glitt von dem Knie seines Vaters herunter und eilte auf Florence zu, um ihr zu sagen, sie solle nicht mehr weinen; denn er gehe jetzt, um dem jungen Gay das Geld zu bringen.
Mr. Dombey trat an einen Seitentisch, schrieb einige Zeilen und versiegelte sie. Inzwischen flüsterten Paul und Florence mit Walter, und Kapitän Cuttle schaute auf das Kleeblatt mit so hochstrebenden und unaussprechlich anmaßenden Gedanken herab, daß Mr. Dombey nie daran geglaubt haben würde. Nachdem dieser mit seiner Note zustande gekommen war, kehrte er nach seinem vorigen Platze zurück und hielt sie Walter hin.
»Das erste, was Ihr morgen früh zu tun habt«, sagte er, »ist, daß Ihr Mr. Carker dies übergebt. Er wird Sorge dafür tragen, daß jemand von meinen Leuten durch Bezahlung des Betrags Euern Onkel aus seiner gegenwärtigen Verlegenheit befreit und für die Rückerstattung Vorkehrungen trifft, wie sie sich mit den Umständen Eures Onkels vertragen. Vergeßt dabei nicht, daß Master Paul das für Euch getan hat.«
In der Freude, die Mittel zur Erlösung seines guten Onkels in der Hand zu haben, wollte Walter die Gefühle seines frohen Dankes aussprechen; aber Mr. Dombey fiel ihm ins Wort.
»Vergeßt nicht, daß es durch Master Paul geschehen ist«, wiederholte er. »Ich habe ihm dies auseinandergesetzt, und er begreift es. Ich wünsche, daß kein Wort mehr darüber falle.«
Da der Chef jetzt nach der Türe hin winkte, so konnte sich Walter nur verbeugen und entfernen, Miß Tor aber, als sie sah, daß der Kapitän das gleiche tun wollte, legte sich ins Mittel.
»Mein teurer Sir«, sagte sie zu Mr. Dombey, über dessen Großmut sowohl sie als Mrs. Chick in einen reichlichen Tränenguß ausbrachen, »ich glaube, Ihr habt etwas übersehen. Verzeiht mir, Mr. Dombey – ich denke, in dem Edelmut Eures Charakters und in dem hohen Ziele, das Ihr Euch setztet, habt Ihr eine Kleinigkeit außer acht gelassen.«
»Wirklich, Miß Tor?« versetzte Mr. Dombey.
»Der Gentleman mit dem – – Instrument«, fuhr Miß Tor fort, indem sie nach Kapitän Cuttle hinsah, »hat neben Euch etwas auf dem Tisch gelassen – –«
»Gütiger Himmel!« sagte Mr. Dombey, das Eigentum des Kapitäns vor sich wegstreifend, als wären es in der Tat nur Brotkrumen gewesen. »Nehmt diese Dinge zurück. Ich bin Euch verbunden, Miß Tor; ich sehe darin ganz Eure gewöhnliche Besonnenheit. Habt die Güte, diese Gegenstände wegzunehmen, Sir!«
Dem Kapitän blieb keine andere Wahl, als zu willfahren. Die Großmut Mr. Dombeys übrigens, der die neben ihm aufgehäuften Schätze zurückwies, erfüllte ihn dermaßen, daß er, sobald er die Teelöffel samt Zuckerzange in der einen, das bare Geld in der andern und die silberne Uhr in der eigens für sie angefertigten Tasche versorgt hatte, sich nicht enthalten konnte, die rechte Hand dieses Gentleman mit der ihm noch gebliebenen Linken zu ergreifen. Während er sie noch offen in seinen gewaltigen Fingern hielt, brachte er in einem Übermaß von Bewunderung den Hut auf den Kopf, und diese Berührung von warmem Gefühl und kaltem Eisen machte auf Mr. Dombey einen Eindruck, daß ihm ein Schauder durch alle Adern rann.
Kapitän Cuttle schwenkte sodann mehreremal mit größter Zierlichkeit und Galanterie seinen Hut gegen die Damen, nahm ganz besonders Abschied von Paul und Florence und folgte Walter nach. Florence wollte in der Fülle ihres Herzens gleichfalls hinaus, um dem alten Sol einen Gruß sagen zu lassen; aber Mr. Dombey rief ihr zu und befahl ihr zu bleiben, wo sie sei.
»Wirst du nie eine Dombey werden, mein liebes Kind?« sagte Mrs. Chick im Ton pathetischen Vorwurfs.
»Liebe Tante, seid nicht böse«, versetzte Florence. »Ich bin dem Papa so dankbar.«
Wie gerne wäre sie auf ihn zugelaufen und hätte ihre Arme um seinen Hals geschlungen; aber sie wagte es nicht, sondern entsandte nur einen Blick des Dankes gegen ihn, wie er sinnend dasaß. Zuweilen schaute er unruhig nach ihr hin; hauptsächlich aber hatte er Paul im Auge, der mit frohem Stolz im Zimmer umherstolzierte, weil er dem jungen Gay das Geld gegeben hatte.
Und der junge Gay – Walter – was ist mit ihm?
Er war überfroh, daß es in seiner Macht lag, das Heim des alten Mannes von Auspfändern und Gerichtsdienern zu reinigen; er eilte daher zurück, um seinem Onkel die gute Kunde zu bringen. Welche Wonne, daß am andern Morgen noch vor dem Mittagessen alles bereinigt und beseitigt sein sollte – daß er abends wieder mit dem alten Sol und dem Kapitän im kleinen Hinterstübchen sitzen – daß er Zeuge sein konnte, wie der Instrumentenmacher wieder auflebte und einer besseren Zukunft entgegensah, in dem Bewußtsein, daß der hölzerne Midshipman noch immer sein Eigentum war. Ohne daß übrigens seiner Dankbarkeit gegen Mr. Dombey dadurch ein Abtrag geschehen wäre, müssen wir doch gestehen, daß sich Walter gedemütigt und niedergeschlagen fühlte. Wenn unsere knospenden Hoffnungen unwiederbringlich durch einen rauhen Windstoß geknickt sind, fühlen wir uns am meisten geneigt, uns zu vergegenwärtigen, wie später die Blüten ausgefallen sein würden, und als sich jetzt Walter durch die Tiefe des neuen schrecklichen Sturzes so weit von der großen Dombey-Höhe abgeschnitten sah – als er empfand, daß seine alten, wirren Lieblingsvorstellungen bei dem Fall in die Winde zerstreut worden, begann er zu argwöhnen, sie hätten ihn zu harmlosen Visionen verleiten können, deren Ziel in irgendeiner späten Zeit Florences Hand gewesen wäre.
Der Kapitän betrachtete den Gegenstand von einem ganz andern Gesichtswinkel. Er nährte augenscheinlich die Ansicht, die Begegnung, in der er eine so befriedigende und ermutigende Rolle gespielt hatte, stehe nur um ein paar Schritt ab von einer regelmäßigen Verlobung zwischen Florence und Walter. Auch habe das kürzliche Geschäft die Whittingtonschen Hoffnungen ungemein gefördert, wo nicht gar völlig fest begründet. Von dieser Überzeugung, wie auch durch die Freude seines alten Freundes und die folgerichtig daraus fließende eigene Heiterkeit gespornt, versuchte er sogar, als er an demselben Abend die Ballade von der »lieblichen Peeg« zum dritten Male vortrug, aus dem Stegreif den Namen »Florence« einzusetzen. Da ihm das aber schwer wurde, weil das Wort Peeg unabänderlich auf Leg (Bein) reimte – ein Glied, durch dessen Schönheit die besungene Person alle andern Mitbewerberinnen ausstach –, so geriet er auf den glücklichen Gedanken, den Namen in Fle–e–eg umzuwandeln. Er tat dies mit einer fast übernatürlichen Schalkhaftigkeit und mit sehr lärmender Stimme, trotzdem die Zeit nahe war, die ihn nach der Wohnung der schrecklichen Mrs. Mac Stinger zurückbrachte.
Elftes Kapitel. PAUL BETRITT EINEN NEUEN SCHAUPLATZ.
Obschon Mrs. Pipchin der fleischlichen Schwäche unterworfen war, nach ihren Hammelrippchen der Ruhe zu bedürfen und sich durch die einschläfernde Tätigkeit von Zuckerbrot in Schlummer wiegen zu lassen, war ihre Konstitution doch von so hartem Metall, daß ihr Mrs. Wickhams Prophezeiungen nichts anhaben konnten und sich auch nicht eine Spur von Hinfälligkeit einstellen wollte. Gleichwohl währte Pauls aufrichtige Teilnahme an der alten Dame ungemindert fort, und Mrs. Wickham ließ sich´s nicht nehmen, daß ihre Behauptung sich sicherlich bewahrheiten müsse. Stets sich auf die Seite ihres Onkels Betsey Jane stellend, riet