Teufel Alkohol. Carl Betze
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Ärzte verlangen seit Jahren mehr Aufklärung über die Folgen, über Sucht, Missbrauch und Behandlungen. Aber die Politik weigert sich, Alkoholismus als Krankheit anzuerkennen. Das Problem: Viele führende Politiker halten es wie ihre Landsleute, sie trinken gern, regeln bei einem Gläschen wichtige Deals und würdigen jene, die besonders viel vertragen. So wurde ein ehemaliger Präsident des Unternehmerverbandes auf seinem Grabstein mit der Inschrift „geehrt“: „Er war ein begnadeter Trinker“ (34).
Gelegenheitstrinker bekommen nicht selten Organschädigungen. Sie sind weder körperlich noch seelisch vom Alkohol abhängig, aber gefährdet.
Praktiziert man das Gelegenheitstrinken über einen längeren Zeitraum besteht die Gefahr, zum Gamma- oder Delta-Alkoholiker zu werden.
Gamma – Alkoholiker sind suchtkrank und können ihren Alkoholkonsum nicht mehr steuern. Sie erleiden einen Kontrollverlust, das eigentliche Merkmal der Alkoholkrankheit, sie können ihren Alkoholkonsum nicht mehr kontrollieren, ihn mengenmäßig nicht mehr steuern. Gamma-Trinker müssen trinken, weil ihr Körper den Alkohol verlangt. Zwischendurch haben sie bisweilen völlig alkoholfreie Perioden, manchmal sogar über längere Zeiten bis zu mehreren Monaten.
Insbesondere vormalige „Problemtrinker“ neigen dazu, sich zu Gamma-Alkoholikern zu entwickeln.
Delta – Alkoholiker werden auch Spiegeltrinker genannt, weil sie einen andauernden, ständigen Blutalkoholspiegel aufrechterhalten müssen. So wird aus einem angedachten „Frühschoppen“ oft ein „Tagesschoppen“. Das Bier schmeckt schon lange nicht mehr, der Bauch bläht und der stetige Harndrang treibt einen wieder und wieder auf die Toilette – trotzdem ist ein „Schluss-für-heute“ vor dem Zubettgehen keine Option. Einmal Alkohol im Blut ist das Verlangen, diesen Zustand aufrecht zu erhalten, einfach zu groß.
Fehlt die Zufuhr von Alkohol, kommt es bisweilen zu starken Entzugserscheinungen. Die Spiegeltrinker sind nicht abstinenzfähig, die Entzugserscheinungen sorgen für ein ständiges Weitertrinken.
Auch, weil Spiegeltrinker oftmals eine sogenannte Alkoholtoleranz entwickeln. Das bedeutet, dass sie, um die gleiche Wirkung zu erzielen, mehr Alkohol trinken müssen (35).
Spiegeltrinker entwickeln sich oft aus Beta-Trinkern, aus Gelegenheitstrinkern. Sie sind krank.
Epsilon – Alkoholiker schließlich werden im Volksmund auch schlicht und einfach „Quartalsäufer“ genannt. Sie verspüren in zeitlichen Abständen einen unwiderstehlichen Drang nach Alkohol, der sich oft Tage zuvor durch Ruhelosigkeit und Reizbarkeit ankündigt. Sie veranstalten dann regelrechte Sauf – Exzesse, die einige Zeit andauern können, und leben dann oft tagelang in einem Rauschzustand.
Während dieser Trinkphase haben sie den Kontrollverlust. Sie trinken hemmungslos und haben Erinnerungslücken („Filmrisse“).
Zwischen den einzelnen Trinkphasen leben die Kranken oft wochenlang ohne Alkohol und haben nicht einmal das Bedürfnis, Alkohol zu trinken, bis wieder eine Rauschphase beginnt. Die Epsilon- Alkoholiker sind im Sinne der Reichsversicherungsordnung (RVO) ebenfalls krank (36).
Soweit die Trinkertypologie nach Jellinek. Ich möchte diese im Folgenden gern noch um vier weitere Trinkertypen erweitern, die ich für wesentlich im Hinblick auf die Frage „warum trinken wir Alkohol?“ halte, den „Selbstwerttrinker“, den „Schöntrinker“, den „Belohnungstrinker“ und den „Gewohnheitstrinker“.
Beginnen wir mit dem „Belohnungstrinker“.
Anfangen kann der Weg in die Sucht oft mit „harmlosem“ Belohnungstrinken.
Der Belohnungstrinker konsumiert alkoholische Getränke immer dann, wenn er glaubt, etwas Besonderes erreicht, etwas geschafft zu haben. Beruflicher Erfolg, die Bewältigung einer unangenehmen Situation im Privatleben, eine sportliche Höchstleistung – und schon heißt es „darauf trinke ich mir einen“.
In der Werbung findet der Belohnungstrinker vielfach die Bestätigung seines Verhaltens.
"das habe ich mir verdient“, „man gönnt sich ja sonst nichts“, „wenn einem so viel Gutes widerfährt, dann ist das einen … wert“, „darauf einen...“. - pfiffige Marketingspezialisten sprechen dem Alkohol eine Erlöserqualität zu, die er nicht hat.
Eine amerikanische Studie zeigt, dass der Alkoholgenuss auch stark vom Belohnungszentrum im Gehirn abhängt. Forscher gehen schon lange davon aus, dass Alkohol Endorphine im Gehirn freisetzt und so angenehme Gefühle hervorgerufen werden. Vermutlich verhält es sich so, dass bei Belohnungstrinkern das Belohnungszentrum im Gehirn besonders stark auf die Zufuhr von Alkohol reagiert.
„Offenbar ist ihr Gehirn irgendwie verändert, sodass sie im Gegensatz zu Normaltrinkern Alkoholkonsum als angenehmer empfinden und mehr wollen – und zwar unabhängig von der Menge der Endorphinfreisetzung oder -bindung“, glaubt Studienleiterin Jennifer Mitchell von der University of California (37).
Ein weiterer Trinkertyp ist der „Selbstwerttrinker“. Er konsumiert Alkohol, um auf diesem Wege sein Ego aufzupolieren, wohl wissend, dass die enthemmende, bisweilen gar euphorisierende Wirkung alkoholischer Getränke oft mit einer Steigerung des Selbstbewusstseins einhergeht.
Der Genuss von Alkohol zur Steigerung des Selbstbewusstseins oder, anders ausgedrückt, Trinken um „gut drauf zu sein“, ist weit verbreitet.
Ich erinnere mich an zwei Ereignisse im Kreise unserer Clique, damals alle Anfang 30.
Eine gute Freundin hat angekündigt, eine Bekannte auf ein Straßenfest mitzubringen. Ich hatte diese schon Wochen zuvor auf einem Geburtstag kennen gelernt und war zu der Ansicht gelangt, dass sie gut zu einem meiner besten Freunde, damals glücklich geschieden, passen würde. Wir sitzen in einem kleinen Zelt auf einer Biertischbank, mein Freund signalisiert mir unauffällig, dass er durchaus interessiert an dem Überraschungsgast ist. Nur sitzt er stocksteif auf der Bank, traut sich kaum einmal in Richtung des Objektes der Begierde zu schauen, vom Anbahnen einer Unterhaltung ganz zu schweigen.
Nach einer Weile steht mein Freund auf und verabschiedet sich, um „nur kurz eine Kleinigkeit essen“ zu gehen. Als er sich nach circa dreißig Minuten wieder zu uns gesellt, bietet sich uns ein ganz anderes Bild: breit grinsend, den von der Band zu Gehör gebrachten Musiktitel mitsingend, stolpert er fast über die Holzbank und quetscht sich geradezu in die kaum vorhandene Lücke zwischen meiner Freundin und derer Bekannter, um unmittelbar das Gespräch mit beiden aufzunehmen.
Die Vermutung liegt nahe, dass er statt einer „Kleinigkeit essen“ am nächsten Tresen verweilt und eher flüssige Nahrung zu sich genommen hat.
Dass der Versuch, die Auserwählte an diesem Abend nachhaltig zu beeindrucken, kläglich scheitert, bedarf nicht der Erwähnung...
Frisch verliebt nehme ich eines Abends meine neue Herzdame zu einer Geburtstagsparty mit, man trifft sich in einem bekannten Kölner Stimmungslokal.
Als wir in dem Lokal feiern, verändert sich die Stimmung meiner Begleiterin schlagartig: Sie redet kaum, schaut mehrmals betreten auf den Boden und sieht einfach nur unglücklich aus. In diesem Lokal, bei dieser Musik und unter völlig unbekannten Menschen fühlt sie sich offenbar nicht wohl.
„Ich bin mal 'ne halbe Stunde weg“, sagt sie auf einmal, ich denke mir nichts dabei.