Elduria - Die Entscheidung. Norbert Wibben

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Elduria - Die Entscheidung - Norbert Wibben Elduria

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und dass es sich um einen ihrer Brüder handelt, der dort vielen Elfen und Menschen das Leben rettete. Dass der Westelfe die Hintergrundgeschichte bekannt sein musste, entging dem Jungen. Er wiederholte, was er dem Mädchen beschrieben hatte. Atropaia schmunzelte verstohlen über seinen Eifer. Sie spürte, dass er als Beschützer gerne genauso berühmt wie dieser Drache sein möchte, vorzugsweise aber ohne dessen tragisches Ende.

      Bevor sie aufbrachen, veränderte Runa mit Magie ihr aller Aussehen. Dieses Mal wurden sie zu älteren Frauen, wodurch sie nicht Gefahr liefen, zwangsrekrutiert zu werden. Das hatte außerdem den Vorteil, dass ihre Geschwindigkeit zu der immer noch schnell ermüdenden Atropaia passte. Trotz der Übertragung von Lebensenergie mussten sie viele Pausen einlegen.

      »Ich wundere mich, dass du inzwischen derart gewachsen bist«, wendete sich die Elfe an das Mädchen. »Ich durfte nur in unregelmäßigen Abständen nach draußen, um unter schwerster Bewachung wenige Runden im Innenhof der Festung zu laufen. In den Kerkerraum gelangte nur geringe Helligkeit durch einen Lichtschacht, so dass ich kaum Tage von Nächten unterscheiden konnte. Trotzdem schätze ich die verflossene Zeit auf einige Jahre. Ich meine, es müssen etwa vier bis fünf sein.«

      Runa schüttelte den Kopf.

      »Es sind tatsächlich mehr als sieben. Ich bin inzwischen zwölf!«

      »Was? Nein, das glaube ich nicht! So lange soll ich eingekerkert gewesen sein? – In der ersten Zeit wurde ich täglich von diesem Owain verhört, manches Mal auch mit Folterwerkzeugen.« Sie erschauerte bei der Erinnerung daran. Sie folgten schweigend der schnurgeraden Straße, bis sie fortfuhr. »Er wollte stets wissen, wo das Kind von Raika geblieben ist. Ich weiß nicht warum, aber Drakonia hatte ihm wohl verboten, mich zu töten. Auch wenn ich sie nie zu sehen bekam, habe ich damals sie und ihren ergebenen Helfer verflucht. – Die Trennung von dir und die Ungewissheit, ob es dir gut gehen würde, schmerzten sehr. Ich warf mir vor, das Versprechen Raika gegenüber gebrochen zu haben, dich gut zu behüten.« Runa wollte einwenden, dass sie das durch die Verwandlung in eine Haselmaus gehalten hätte, weshalb sie nicht auch gefangen genommen worden war. Doch sie kam nicht dazu. Atropaia forderte sie mit erhobener Hand zum Schweigen auf und fuhr fort. »Die Verhöre ließen mit der Zeit nach. Vermutlich, weil ich mit zunehmendem Abstand zum Zeitpunkt meiner Ergreifung kaum wissen konnte, wo du dich verstecken würdest. Owain besuchte mich nur noch gelegentlich. Einige Male war er auch in Begleitung eines ihm ähnlich sehenden, hochnäsigen jungen Mannes. Die letzten Monate bekam ich lediglich ab und zu etwas Essen, meistens nur hartes Brot. Die Hofgänge fielen jedoch weg. Ich wäre vermutlich in kurzer Zeit vergessen worden, wenn du nicht gekommen wärst.«

      »Hier müssen wir abbiegen«, unterbrach Dragon die Unterhaltung. »Wir befinden uns in Herzhagen!«

      Sie folgten dem Seitenweg, weg von der Hauptstraße, und wanderten gemeinsam zur gen Süden ausgerichteten Bergflanke. Sie streiften durch das besonders nahrhafte Gras, das von zottigen Schafen mit schwarzen Köpfen gefressen wurde. Sogar die jungen Tiere von diesem Jahr zeigten bereits ihr dunkles Antlitz. »Das muss der Ort sein, wo der Bruder meiner Lehrerin Moira nach der Rettung der Elfen bestattet worden ist«, stellte der Junge voller Überzeugung fest. Atropaia nickte zur Bestätigung.

      »Ich grüße dich von deiner Schwester«, begann Dragon, sobald sie an der Senke in der Bergflanke ankamen. »Sie ist stolz darauf, dass du die Nordelfen erfolgreich schützen konntest! Trotzdem vermisst sie dich. – Wenn du gestattest, bringe ich ihr als Andenken einen Blumengruß.« Er bückte sich und zupfte drei Stiele von frisch aufgeblühtem Wiesenschaumkraut ab. Dragon steckte die empfindlichen Blumen vorsichtig unter sein Hemd, um sie Moira zu bringen.

      Der letzte magische Sprung führt zum Heim im Elfenwald, genauer gesagt, an den Rand der großen Lichtung. Runa wundert sich über den Anblick des Hauses. Der ist völlig anders, als sie ihn, von ihrem Tage zurückliegenden Aufenthalt, in Erinnerung hat. Die verkohlten Überreste, der von ihr und Dragon aus dem Gebäude geschafften und danach verbrannten Möbel, sind verschwunden. Die Eingangstür ist geschlossen und scheint mit grüner Farbe neu gestrichen worden zu sein. Gleiches trifft auf die Sprossen und Rahmen der Fenster zu. In den Glasscheiben spiegelt sich ein rötlich angehauchter Himmel, der den nahenden Abend ankündigt. Das Blumenbeet wirkt wie frisch erblüht und der Weg zum Obstgarten ist geharkt. Die Dachrinnen und die Regentonne, in die ein neues Fallrohr führt, sehen funktionsfähig aus. Erst als Runa im Inneren den bequemen Sessel und auch die über der Armlehne liegende, zusammengefaltete Wolldecke wiedererkennt, weiß sie Bescheid.

      »Stimmt ja. Danrya hatte vor, zuerst das Haus in Ordnung zu bringen, bevor sie nach Elduria aufbrechen wollte. Sie muss diese Dinge aus ihrem Heim in Ochsenham geholt haben.«

      Atropaias Augen leuchten. Sie freut sich, endlich wieder daheim zu sein. Trotzdem sinkt sie erschöpft in den Sessel. Die Heimreise war mehr als anstrengend, auch wenn das Mädchen mehrfach Magie nutzte. Runa zaubert einen frisch zubereiteten Pfefferminztee herbei. Das feine, prickelnde Aroma wirkt belebend. Die Elfe nimmt einen vorsichtigen Schluck und lächelt.

      »Schön sieht es hier aus! Hast du unser Heim nach dem Eindringen von Owains Männern wieder hergerichtet? Ist das überhaupt möglich? Du warst doch erst fünf!«

      Das Mädchen erblickt für einen kurzen Augenblick erneut die chaotische Szenerie, die hier bei ihrer überhasteten Flucht vor den Verfolgern herrschte.

      »Ich versuchte damals, sofort deinen Entführern zu folgen, was mir leider nicht gelang. Vor wenigen Tagen bin ich zum ersten Mal nach sieben Jahren hier gewesen.« Es berichtet in einer Kurzfassung, was in dem langen Zeitraum geschehen ist. Runa schließt damit, dass sie die von Atropaia für sie hinterlassenen Informationen gefunden hat. Die Flucht vor den Verfolgern, das unerwartete Treffen mit Danrya und deren wertvolle Hilfe bilden den Abschluss. »Du kannst dir sicher vorstellen, dass es hier bis vor Kurzem noch anders ausgesehen hat. Deshalb wird dir vermutlich bald auffallen, dass einige deiner Einrichtungsgegenstände fehlen. – Nein, das Lob für den guten Zustand des Hauses gebührt Danrya. Sie wollte hier nach dem Rechten sehen, nachdem wir uns trennten.«

      »Dann hat sie das für unsere Rückkehr vorbereitet? – Sobald ich einigermaßen erholt bin, werde ich …« Sie stellt ihre leere Tasse auf das Tischchen neben dem Sessel und hustet heftig. Sollte sie sich am Tee verschluckt haben? Andererseits hatte sie schon unterwegs immer häufiger pausieren müssen, weil sie schnell außer Atem kam. Es dauert auch dieses Mal geraume Zeit, bis sie wieder verhältnismäßig normal atmet. Ihre Stirn ist schweißbedeckt und sie versucht, ihren Zustand mit einem Lächeln zu überspielen. Sie kann jedoch nicht verhindern, ermattet in den Sessel zurückzusinken.

      Runa stellte ihre Tasse mit Beginn des Hustenanfalls sofort auf den Wohnzimmertisch und hockt sich jetzt besorgt vor ihre Amme.

      »Bist du krank?« Sie blickt die Elfe ängstlich an. »Dagegen gibt es doch hoffentlich einen Zauberspruch, oder nicht?«

      Im gleichen Moment sieht sie erneut die Szene vor Augen, als Owain sieben Jahre zuvor ihre Paia entführt hatte. Damals sah Puschel, ihr Kaninchen, elend aus. Sie hatte die Hoffnung, dass ihre Amme es heilen könnte, doch dazu kam es nicht mehr. Atropaia wurde gefangen weggeführt und vorher war Runas Haustier von einem der Bewaffneten getötet worden. Das Mädchen schüttelt sich, um diese Erinnerung fortzuscheuchen. »Ich glaube, Danrya hat Dragon mit »Salvus« geheilt. Wird der Spruch auch dich heilen?«

      »Damit ist eine Heilung möglich. Er hilft jedoch nur, wenn die Krankheit oder eine Verletzung nicht durch einen dunklen Zauber hervorgerufen worden ist. Und das könnte bei mir der Fall sein.«

      Runa blickt die Elfe mit großen Augen erschrocken an. Sollte sie ihre Amme schon bald verlieren, und dieses Mal für immer? Nein! Dagegen muss sie alles zu unternehmen versuchen. Aufgeben

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