Totensee. Betty Hugo

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Totensee - Betty Hugo

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zu bewahren. So waren zwar moderne Bäder eingebaut worden, aber die Wände und Fußböden der Schlafzimmer waren nahezu im Urzustand erhalten. Die weiß gekalkten Zimmer mit ihren alten, knarrenden Bodendielen verströmten eine beruhigende Gemütlichkeit.

      Lisa ließ sich auf das mit rot-weiß karierter Bettwäsche bezogene Bett plumpsen und zückte ihr Handy, um ihrer Mutter Bescheid zu geben, dass sie gut angekommen war. Ihre Mutter reagierte ganz entspannt und freute sich, dass ihre Tochter einige erholsame Wandertage vor sich hatte.

      „Du hast schließlich einen sehr anstrengenden Job, da musst du dir unbedingt mal eine Auszeit gönnen, mein Schatz“, meinte ihre Mutter am Telefon. In Lisa regte sich ein wenig das schlechte Gewissen. Sie hatte ihre Mutter in kompletter Ahnungslosigkeit über die tatsächlichen Umstände dieses Urlaubs gelassen.

      Aber Lisa wusste genau, dass ihre Mutter sich nur irrsinnige Sorgen gemacht hätte, wenn sie den Grund ihrer Reise genannt hätte, deshalb durfte sie nichts verraten.

      Ihre Mutter wäre entsetzt gewesen und hätte mit allen Mitteln versucht, sie von diesem gefährlichen Ausflug abzuhalten.

      Wie nicht anders zu erwarten, lag auf dem Nachttischchen eine Bibel und vom Bett aus fiel ihr Blick auf das obligatorische Heiligenbildchen. Jesus am Kreuz. Der konzentrierte Ausdruck seiner dunklen Augen erinnerte Lisa stark an den Naturfreak von vorhin. Immerhin, sie befanden sich hier in einem Klosterhotel, da durfte man so etwas erwarten. Sie merkte langsam, dass sie doch etwas müde und verschwitzt von der langen Zugreise war und erhob sich vom Bett um das Bad zu inspizieren und sich frisch zu machen.

      Anschließend verließ Lisa ihr Gästezimmer im ersten Stock, um sich mit den anderen Gästen pünktlich in der Hotelhalle zur Kräuterlimo zu treffen. Als sie die Treppenstufen hinunter schritt bewunderte sie erneut, wie gut es bei dem Umbau zum Hotel gelungen war, die anheimelnde, ein wenig museale Atmosphäre zu erhalten. Die Hotellobby präsentierte sich wie ein alter Rittersaal. Ein riesiger, dunkler geschnitzter Eichentisch dominierte den Saal. Unter den dunklen Deckenbalken, entlang der Wände zierten uralte Porträts längst verstorbener Mönche den Raum.

      Lisa sah auf einen Blick, dass die Reisegruppe bereits vollzählig versammelt und in muntere Gespräche vertieft war. Nur Bruder Ansgar fehlte noch. Allerdings beobachtete Lisa, die als Letzte kam, wie seine breite Gestalt mit einem Tablett in den Händen auf sie zueilte. Die aus grobem Stoff gewebte, erdfarbene Kutte umwehte seinen korpulenten Körper wie ein Zelt. Vermutlich kam er gerade aus der Küche.

      Jeder Gast nahm sich ein Glas mit eisgekühlter Kräuterlimonade und probierte vorsichtig. Die teils misstrauischen Gesichtsausdrücke der Gäste verwandelten sich prompt in helle Begeisterung, als alle den ersten Schluck gekostet hatten. Auch Lisa musste zugeben, dass diese Limonade köstlich und erfrischend schmeckte.

      Sie umklammerte ihr Limonadenglas, nippte immer wieder kleine Schlucke und hielt sich etwas abseits der Gespräche. In diesem Augenblick hatte sie keine Lust mehr auf Smalltalk, weil sie sich gedanklich darauf vorbereiten wollte, welche Schritte sie demnächst unternahm. Alles, was sie bislang hier kennen gelernt hatte, wirkte ausgesprochen nett und harmlos. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich hier in dieser Gegend in der Vergangenheit tragische Todesfälle ereignet hatten, auch wenn das letzte Unglück hoffentlich schon einige Zeit zurück lag. Später musste sie sich allerdings eingestehen, dass sie, hätte sie in diesem Moment gewusst, welche Gefahren hier auf sie lauerten, auf der Stelle die Flucht ergriffen hätte.

      Überschrift 1

      9. Kapitel

      Lisa hob den Blick und bemerkte, dass auch der junge Typ etwas verloren herumstand. Sie beobachtete, wie er sie musterte und versuchte, ihren Blick zu erhaschen. Genervt blickte sie in eine andere Richtung, aber dadurch ließ er sich offensichtlich nicht abschrecken. Er pflügte durch die sportlichen Senioren entschlossen auf sie zu und machte Anstalten, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Immerhin, er roch gut, stellte Lisa fest, als er endlich neben ihr stand. Er hatte sein verschwitztes Reiseshirt von vorhin gegen ein rotes T-Shirt getauscht. Diesmal prangte darauf der Aufdruck einer bekannten Tierschutzorganisation. „Safe the Animals of the World“. Lisa entzifferte mühsam die ausgewaschenen Buchstaben. Immerhin, sehr abwechslungsreich, amüsierte sie sich heimlich.

      „Hey, bist du auch zum Wandern hergekommen?“, fragte er Lisa, nicht eben einfallsreich.

      „Ja, unter Anderem bin ich auch zum Wandern hergereist.“ Lisa lächelte ihn höflich an.

      Eine Augenbraue rutschte frech nach oben:

      „Unter anderem???“, bohrte er nach.

      Lisa biss sich in Gedanken auf die Zunge. Der Typ war nervig, hatte sie doch gleich gedacht. Und schlau war er auch, sonst hätte er nicht sofort das entscheidende Wörtchen aufgespießt. Aber ihr Anliegen ging keinen etwas an. Sie riskierte nur sensationslüsterne Nachfragen.

      Ihre Antwort fiel demnach patziger aus, als gewollt: “Ja, unter anderem“.

      Das tat seiner guten Laune keinen Abbruch.

      „Ach, entschuldige, ich habe mich dir noch gar nicht vorgestellt. Ich heiße Jonas.“

      „Lisa“, murmelte sie und schaute nach vorne zu Bruder Ansgar, der gerade mit seiner Führung über das Klostergelände starten wollte.

      Jonas lachte:

      „O.K., ich habe mir gleich gedacht, schon als ich dich im Bus gesehen habe, dass du irgendwie nicht zu den alten Leuten passt, die hier rumschwirren. Junge Leute verschlägt es nicht unbedingt freiwillig in diese Einöde. Ich bin auch eher beruflich hier. Wir sehen uns hoffentlich später.“

      Mit diesen Worten verabschiedete er sich von ihr und wandte sich den herzkranken Herren zu, um sie in ein Gespräch über Wandertouren zu verwickeln.

      Erleichtert nahm Lisa seine Worte zur Kenntnis. So übel, wie sie zuerst gedacht hatte, war der Typ gar nicht. Er war sogar ganz nett, wenn sie es recht bedachte. Allerdings hatte sie keine Zeit für einen unbeschwerten Urlaub, sie musste sich auf ihre Aufgabe konzentrieren. Diese Klosterführung war wichtig, so erhielt sie einen ersten Überblick über die Örtlichkeiten.

      Bruder Ansgar kannte die Geschichte des Klosters seit dessen Gründung im Jahre 1165 in und auswendig. Er überhäufte seine Schäflein mit Daten und Fakten, dass ihnen allen der Kopf schwirrte.

      Die Gruppe der Neuankömmlinge trabte ergeben hinter Bruder Ansgar über den Kopfsteingepflasterten Innenhof des Klosters in Richtung der imposanten Kirche. Der Rundgang über die Klosteranlage war wie eine Zeitreise ins düstere Mittelalter. Der gotische Baustil hatte etwas Magisches an sich, dachte Lisa, als sie, den Kopf im Nacken angesichts der hoch aufstrebenden Architektur, die Säulen und Bögen bewunderte. Die meisten Bauwerke der Anlage waren teilweise noch erstaunlich gut erhalten. Allerdings waren auch fortlaufend Restaurierungsarbeiten notwendig. Diese Aufgabe verschlang immens viel Geld, das musste Bruder Ansgar auf eine Nachfrage seitens der alten Herren eingestehen. Nach dieser Information beschloss Lisa, sich nicht mehr über die Hotelpreise zu ärgern.

      Die mächtige Kirche war der Mittelpunkt und das Prunkstück der Klosteranlage. Lisa bewunderte im Inneren des sakralen Bauwerkes die hoch aufragenden Säulen, die zahllosen Reihen der unbequemen, hölzernen Kirchenbänke und den mächtigen, Ehrfurcht gebietenden Altar. Dahinter ragten die bunt verzierten, kostbaren Kirchenfenster in die Höhe, die wichtige Begebenheiten aus der heiligen Schrift zeigten.

      Am Ende

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