Die gelbe Schlange. Edgar Wallace

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Die gelbe Schlange - Edgar Wallace

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Lauf. Sein unmöglich langer Bart wehte nach allen Seiten auseinander. Als er die Schlange sah, hielt er an.

      »Ein Gelbkopf«, sagte er nachdenklich. »Und ein gelber Bursche!«

      Letty war still, als der merkwürdige Mann gemächlich ins Zimmer kam, die Hände in den Hosentaschen.

      »Hat jemand hier in der Nähe einen Chinesen gesehen?« fragte er.

      Letty und Mabel sprachen zu gleicher Zeit. Aber er wandte sich an Joan, die weder zitterte, noch sonst Furcht zeigte.

      »Chinesen – und gleich zwei?« sagte er bedeutungsvoll. »Ich dachte es mir gleich!«

      Er ging zum Fenster und blickte hinaus. Dann kehrte er zum Tisch zurück und nahm die Watte aus dem Kasten heraus, Lage für Lage.

      »Tatsächlich nur eine! Was für eine Gemeinheit!«

       Er lugte wieder in den sonnigen Garten hinaus.

      »Ich dachte mir, sie würden ihre Messer gebrauchen. Diese Schlingel können ganz wunderbar mit dem Messer werfen. Es ist jetzt gerade ein Jahr her, daß so ein Chinesenschuft einen meiner Vormänner auf der Mine durch einen Messerwurf tötete – auf eine Entfernung von über hundert Meter.«

      Er hakte sich dabei an Joan gewandt, und seine Stimme klang freundlich und zuvorkommend.

      »Haben Sie den Täter erwischt?« fragte sie.

      Der Mann mit dem großen Bart nickte.

      »Nach den im Gebirge herrschenden Gesetzen haben wir ihn gefaßt und einfach aufgehängt. Ein tüchtiger Kerl in mancher Beziehung – aber zu temperamentvoll. Und die einzige Möglichkeit, mit solchen temperamentvollen Kulis umzugehen, ist, daß man sie aufhängt.«

      Sein Blick fiel auf Letty, die seine Ansicht über Temperament ungehörig, ja beleidigend fand. Er sah, wie sich ihre rosigen Lippen lächelnd kräuselten, aber es berührte ihn nicht unangenehm.

      »Sind Sie es?« fragte er.

      Sie begann zu sprechen. »Nein – nein – ich – was wollen Sie damit sagen?«

      Sic wußte ganz genau, was er meinte.

      »Ich soll jemand heiraten.«

      Er blickte nun auf Mabel Narth, die dunkelrot wurde. Ihre kindlich blauen Augen blickten ihn feindselig mit aller Verachtung, die sie für ihn fühlte, an.

      »Weder meine Schwester noch ich sind so glücklich«, sagte sie mit spöttischem Unterton. »Sie müssen sich an Joan wenden ...« Sie blickte sich nach Mr. Narth um. »Vater!«

      Verlegen genug stellte er seine Nichte vor.

      »Oh!« stieß Clifford Lynne hervor.

       Und dieses »Oh!« konnte alles mögliche bedeuten. Es konnte ebenso Enttäuschung als auch bewunderndes Erstaunen sein.

      »Nun gut, hier bin ich. Und ich bin bereit zum –« Er zögerte, da er im Augenblick kein Wort fand. Joan hätte schwören mögen, daß das Wort, das er wahrscheinlich gebraucht haben würde, »Opfer« heißen sollte, aber er war höflich genug und sagte »bereit zur Erfüllung der Bedingung«.

      »Der alte Joe ist gestorben«, sagte der Fremde. »Ich vermute, daß Sie das wissen? Der arme alte Schwärmer! Für viele wäre es besser gewesen, wenn er schon sechs Monate früher gestorben wäre. Eine gute alte Seele, früher ein großer Sportsmann – aber er war immer ein wenig verrückt.«

      Wieder wandte er sich zu Joan. Nach seinem blitzartig dramatischen Auftreten konnte sie ihn nun genauer beobachten. Er war ungefähr einhundertachtzig Zentimeter groß und selbst seine unmögliche Kleidung konnte doch seinen schönen Körperbau nicht ganz verleugnen. Sein Gesicht war stark gebräunt, sein zerzauster Bart war ebenso braun wie sein Haar und seine struppigen Augenbrauen. Alles an diesem Mann lebte; diese ungeheure Energie und Lebendigkeit war das erste, was einen starken Eindruck auf Joan machte. Sie besah sich seine unförmigen Schuhe. Während der eine mit einem Riemen zugeschnürt war, war der andere mit Bindfaden zugebunden.

      Für Mr. Narth war der Augenblick gekommen, sich in Szene zu setzen und seine Autorität zu wahren. Die Umstände machten ihn zur gewichtigsten Persönlichkeit im Raum. Er war nicht nur der Herr dieses Hauses, sondern er war vor allem auch der Haupterbe. Und dieser Mann hier war nur der Geschäftsführer des alten Joe Bray, einer, dem man keine guten Worte zu geben brauchte, sondern nur zu befehlen hatte. Er war nur ein Angestellter – und in Zukunft der Angestellte von Mr. Narth. Denn wenn er Joes Vermögen erbte, so ging doch damit auch zweifellos all die Autorität auf ihn über, die damit verknüpft war.

      »Hm – Mr. – Lynne, ich denke doch, daß diese Auslassungen über den Zustand meines armen Vetters ungehörig sind, und ich kann nicht zugeben, daß Sie sein ehrenvolles Ansehen schmähen.«

      Der Fremde sah ihn etwas verwundert von der Seite an.

      »Ah – Sie sind Narth – ich habe schon von Ihnen gehört! Sie sind also der Gentleman, der das Geld anderer Leute verspekuliert hat!«

      Stephen Narth wurde abwechselnd rot und blaß. Für den Augenblick hatte er die Sprache verloren. Die Roheit dieser Äußerung lähmte ihn. Wäre Mr. Narth vernünftig gewesen, so hätte er diesen Punkt überhaupt nicht weiter erörtert.

      »Diese Dinge sind ja allbekannt«, sagte Lynne, indem er sich den Bart strich. »Sie können dem Lichtkegel der öffentlichen Meinung nicht entfliehen!«

      Jetzt bekam Stephen Narth seine Stimme wieder.

      »Ich denke gar nicht daran, solche böswilligen Gerüchte hier zur Diskussion zu stellen«, sagte er. Dabei warf er Clifford Lynne einen Blick zu, aus dem tödlicher Haß loderte. »Es ist doch notwendig, daß ich Ihnen gegenüber im Moment feststelle, daß ich nach Mr. Brays Testament der Haupterbe bin und – der – Eigentümer –«

      »Vielleicht in Zukunft«, murmelte Lynne. »Sie möchten, daß ich meine Stelle weiter behalten soll. Ich bin dazu bereit. Brauchen Sie mich?«

      Er sah Joan interesselos, fast dumm an. Sie verspürte heftige Neigung zu lachen.

      »Also«, begann er wieder zu sprechen, »bin ich hier und bereit. Gott weiß, ich habe es wirklich nicht nötig, mich mit kleinen Mädchen abzugeben, aber die Sache liegt so: Joe sagte zu mir: ›Willst du mir dein Wort geben?‹ und ich antwortete ›Ja‹.«

      Er schaute in Gedanken noch immer zu Joan hinüber.

      Erwartete er etwa eine Antwort von ihr?

      Offensichtlich nicht, denn er fuhr fort:

      »Aber die letzten Vorfälle machen die Sache kompliziert. Ich hatte keine Ahnung, daß wir die »Freudigen Hände« beunruhigen würden – aber ich habe nun einmal mein Wort gegeben und bin hergekommen, um es zu halten!«

      Mr. Narth hielt nun den Augenblick für gekommen, ohne sich etwas zu vergeben, wieder gleichberechtigt an der Unterhaltung teilzunehmen.

      »Die ›Freudigen Hände‹? So sagten Sie doch – was in aller Welt sind denn die ›Freudigen Hände‹«

      Der Fremde schien die unberufene Einmischung nicht übelgenommen zu

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