Im Bann von covid-19. Peter Wolff

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Im Bann von covid-19 - Peter Wolff

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Wie aber sieht es mit den Langzeitfolgen aus, die, wen wundert's, mittlerweile als „Long Covid“ bezeichnet werden. Genesen, aber nicht gesund?

      Nach der Genesung ist Covid-19 längst nicht überstanden. Zehn bis 20% der Patienten leiden unter Langzeitfolgen – und zwar auch jene, die einen milden Krankheitsverlauf hatten.

      Auch Monate, nachdem der Sars-CoV-2 Erreger bei Patienten nachgewiesen wurde, leiden viele Erkrankte an langfristige Folgeschäden, dem sogenannten "Long Covid" - und das längst nicht nur im Bereich der Lunge.

      "Die Beine vieler Patienten, die zu uns in die Klinik kommen, sind wie Wackelpudding", sagt Per Schüller, Chefarzt der Abteilungen Kardiologie und Pneumologie der Median-Klinik Flechtingen, dem rbb im November 2020.

      Bei allen Patientinnen und Patienten, die in der Pneumologie behandelt werden, ist die Lunge betroffen, meistens in Form einer Gasaustauschstörung. Doch auch ausgeprägte Muskelschwächen seien eine häufige Begleiterscheinung, erklärt Schüller. "Wir haben auch Hinweise auf eine neurologische Beteiligung am Krankheitsbild unserer Patienten gesehen", sagt Schüller. Diese Patienten hätten neurologische Symptome wie ataktische Gangstörungen, Geruchs- und Geschmacksstörungen, Konzentrationsstörungen und Einschränkungen der Merkfähigkeit.

      "Diese Folgen hatten wir aber auch bei jüngeren Patienten", betont Schüller. Ebenfalls falle auf, dass neurologische Folgen nicht von der Schwere der Covid-Erkrankung abhängen. Auch bei milden Krankheitsverläufen könne es neurologische Begleiterkrankungen geben.

      Schon länger häufen sich Berichte, dass Covid-19-Patienten einen Verlust ihres Geruchssinns erleiden. Dieser kann wochenlang andauern - und ist auch ein Hinweis darauf, dass das Virus das Nervensystem angreift. Ob hinter dem Verlust des Geruchssinns auch schwerwiegendere Folgen für das Gehirn liegen, ist noch nicht abschließend geklärt.

      Manche Betroffene mit leichten Verläufen leiden noch Monate nach einer Covid-19-Erkrankung an anhaltender Erschöpfung und Müdigkeit, Atembeschwerden und Konzentrationsschwäche.

      Laut einer Studie des St.James's Hospitals in Dublin vom November 2020 leiden rund 52% der Befragten auch zehn Wochen nach ihrer Genesung noch unter Müdigkeit und Konzentrationsschwäche – ganz unabhängig von der Schwere der Corona-Erkrankung. Ähnliche Erkenntnisse gewinnt man bereits im Juli des Jahres. 87% der 143 genesenen Patienten eines Krankenhauses in Italien leiden noch zwei Monate nach ihrer Behandlung unter Müdigkeit.

      Studienergebnisse wie diese haben auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) alarmiert. "Für eine bedeutende Zahl von Menschen hat dieses Virus eine Reihe ernsthafter Langzeitfolgen", sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus im Oktober 2020. Berichte über anhaltende Komplikationen nach Covid-19 gebe es von Krankenhauspatienten ebenso wie von daheim behandelten, jungen sowie alten Menschen. "Besonders besorgniserregend ist die große Bandbreite an Symptomen, die sich im Laufe der Zeit verändern, oft überschneiden und jedes System im Körper betreffen können", sagte Tedros.

      Pneumologische und neurologische Folgen sind die häufigsten Langzeitfolgen, sagt Wolfgang Galetke, Ärztlicher Direktor und Chefarzt Pneumologie der auf Covid-19 spezialisierten Rehaklinik Hagen-Ambrock. Dabei seien die neurologischen Folgen überrepräsentiert. "Bei vielen Patienten bleibt die Störung im Geruchssinn über Monate persistierend.", so Galetke im November 2020. Auch Schwindel und Gangstörungen seien bei Patienten, die keine Lungenschäden hätten, auffällig. "Auf der anderen Seite beobachten wir Lungenveränderungen bei Patienten, bei denen Geschmacksstörungen nicht im Vordergrund stehen", fügt Galetke hinzu.

      Das lässt darauf schließen, dass bei Betroffenen mit einem milden Krankheitsverlauf häufig neurologische Folgen im Vordergrund stehen - bei Patienten mit schwerem Verlauf pneumologische Folgen. "Bei einigen scheint das Virus durch den ACE-Rezeptor in der Zunge und im Rachenbereich in das Nervensystem einzudringen, das Geruch und Geschmack meldet", erklärt Galetke. Bei einem Drittel der Patienten bleibe es jedoch nicht dabei, sondern das Virus könne neben Gangstörungen oder kognitiven Beeinträchtigungen beispielsweise auch Schlaganfälle hervorrufen.

      Ob sich die Langzeitfolgen erfolgreich behandeln lassen, kann Galetke noch nicht sagen. Bei den Krankheiten Mers und Sars, die ebenfalls durch ein Coronavirus hervorgerufen werden, habe jedoch die Hälfte der Patienten ein halbes Jahr nach der Erkrankung immer noch unter neurologischen Folgen gelitten - aber auch unter psychischen.

      Psychische Folgen beobachtet Mediziner Schüller in Flechtingen auch bei Covid-19. "Sehr viele Patienten leiden unter einer enormen Angst, das nicht noch einmal mitmachen zu müssen“ (19).

      Wie sieht es nun aus mit dem schlimmstmöglichen Verlauf der Erkrankung – hat die Pandemie einen signifikanten Einfluss auf die Sterbefälle in Deutschland?

      Der erste Fall des neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) wird in Deutschland am 28. Januar 2020 in Bayern registriert.

      Der ersten beiden Todesfälle in Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) meldet Deutschland am 9. März 2020.

      Bundesweit steigt die Zahl der Corona-Infektionen bis zum 11. Januar 2021 auf über 1,9 Millionen Fälle. 40.936 Todesopfer im Zusammenhang mit dem Virus gibt es zu beklagen.

      Weltweit beläuft sich die kumulative Zahl bestätigter SARS CoV-2-Infektionen Stand 11.01.21 auf über 90,3 Millionen, die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit dem Virus auf mehr als 1,9 Millionen.

      Das zugrunde liegende Coronavirus hat sich mittlerweile in mehr als 190 Ländern ausgebreitet.

      Derzeit werden aus den USA, Brasilien, Indien und Russland die höchsten Fallzahlen gemeldet. In Europa verzeichnen Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich die meisten Corona-Infektionen (20).

      Übersterblichkeit, häufig auch als „Exzess-Mortalität“ bezeichnet, ist ein vor allem in der Epidemiologie und der Public-Health-Forschung, aber auch in der Demografie genutzter Begriff. Es handelt sich hierbei nicht um ein konkret definiertes wissenschaftliches Konzept.

      Im Kontext der Covid-19-Pandemie wird der Begriff allerdings nicht angewandt, um die Mortalität zwischen Gruppen zu vergleichen, sondern um eine im Zeitverlauf auffällig erhöhte Sterblichkeit zu identifizieren und die Frage zu klären: Wie groß sind die Auswirkungen der Pandemie auf die Gesamtzahlen der Sterbefälle in Deutschland im „Corona-Jahr 2020“ ? Führt Covid-19 zu einer Übersterblichkeit? Um diese Frage zu beantworten betrachten wir die Sonderauswertung der vorläufigen Sterbezahlen in Deutschland.

      982.489 Menschen sind bis einschließlich der 52. Kalenderwoche 2020 in Deutschland gestorben. Das sind fast 48.100 Tote mehr als im Schnitt der Jahre 2016 bis 2019. Und es sind auch rund 27.000 mehr als 2018, im Jahr mit der schlimmsten Grippewelle seit 30 Jahren, verstorben sind. Eine erhöhte Sterblichkeit lässt sich anhand der Daten des Statistischen Bundesamtes für Ende März bis Anfang Mai, im August und ab dem letzten Oktober-Drittel feststellen. Just in diesen Zeiträumen ist, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet, auch ein Anstieg der Todesfälle zu beobachten, die mit dem Coronavirus in Zusammenhang stehen.

      Dass Corona für diese Übersterblichkeit wenigstens mitverantwortlich ist, liegt auf der Hand.

      Decken sich doch in der Tendenz die Befunde zur Übersterblichkeit mit den beim Robert Koch-Institut gemeldeten Daten zu Covid-19-Todesfällen.

      Die saisonale Entwicklung der Sterbefallzahlen im Jahr 2020 mit einem Anstieg Ende März und Anfang April ist zudem auffällig, weil sie aufgrund der ausklingenden Grippewelle üblicherweise in dieser Jahreszeit von Woche zu Woche kontinuierlich abnehmen (21).

      Das folgende Schaubild veranschaulicht die Entwicklung der Sterbefallzahlen

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