Wahre Kriminalfälle und Skandale. Walter Brendel
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Oder das so genannte "Hoßbach-Protokoll", das schon sein angeblicher Verfasser, der - als Widerstandskämpfer etwaiger Sympathien für die Nazis sicher unverdächtige - Fritz Hoßbach als Zeuge der "Nürnberger Prozesse" unter Eid als Fälschung bezeichnet hatte? Was freilich nicht gehindert hatte, die deutschen Angeklagten dennoch wegen "Planung und Vorbereitung eines Angriffs-Krieges", wie sie jenes Protokoll vermerkte, zu verurteilen. Das war indes nur ausgleichende Gerechtigkeit, denn auch von Rechts wegen hätten diese Leute verurteilt werden müssen, nämlich wegen nicht ausreichender Vorbereitung eines Verteidigungs-Krieges - aber das ist eine andere Geschichte. Nun, direkt nach dem Krieg war es erklärlich, dass die Fälschung des "Hoßbach-Protokolls" nicht erkannt bzw. nicht zur Kenntnis genommen wurde; weshalb sich aber manche deutsche "Historiker" bis heute nicht entblöden, es für echt zu halten, ist dem Autor ein Rätsel. Und hatte nicht ein Jahr zuvor ausgerechnet die Konkurrenz in Person des ZEIT-Redakteurs Karl-Heinz Janßen nachgewiesen, dass der Stern schon mit seiner Artikelreihe "Unternehmen Reichstagsbrand" den Fälschungen eines dreisten Schmierfinken und seiner Helfershelfer aufgesessen war? (Auf jenen Erich Kuby hätte der "Hermann Willié" aus Schtonk eigentlich viel besser gepasst als auf den armen Gerd Heidemann, und auf seinen Hintermann, den falschen Doktor Edouard Calic der falsche Professor "Fritz Knobel" viel besser als auf den eher harmlosen Falsifikaten-Händler und Gelegenheits-Maler Konrad Kujau; aber auch das ist eine andere Geschichte.) Und waren nicht diese Fälle womöglich nur die Spitze vom Eisberg?
War es nicht mehr als peinlich, jetzt herum eiern zu müssen mit blumigen Umschreibungen für offenkundige Fälschungen wie "nachträglich aus dem Gedächtnis rekonstruierte Kopien der leider verloren gegangenen Originale"? [Nicht dass Ihr glaubt, liebe Leser, solche Fälschungen gäbe es nur in der deutschen Geschichte oder nur in der des 20. Jahrhunderts: Wie wir heute wissen, sind auch die meisten der so genannten "Washington Papers" und der so genannten "Lincoln Papers" gefälscht und sogar viele der - ursprünglich deutsch geschriebenen - Tagebücher der Queen Victoria: Deren jüngste Tochter Beatrice hat erst die Originale vernichtet und dann ein paar Märchenbücher - auf Englisch - geschrieben, pardon "rekonstruiert", was ihre Mutter angeblich so gewünscht hatte.
Und dann war da noch ein peinlicher Fall aus dem Jahre 1967, in den der Stern direkt verwickelt war, nämlich die Behauptung, der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke sei ein "KZ-Baumeister" und "Kriegsverbrecher" gewesen. Die Stasi hatte dem Stern Unterlagen zugespielt, wonach unter Lübkes Leitung Baracken für KZ-Häftlinge gebaut wurden. Ja, Lübke hatte die Baracken bauen lassen – als Unterkünfte für Rüstungsarbeiter; und später, als die Rüstungsproduktion infolge der alliierten Luftangriffe unter die Erde verlagert wurde, zogen dort tatsächlich KZ-Häftlinge ein. Aber die Stasi hatte noch ein paar Unterlagen hinzu gefälscht, um die - an sich echten - Unterschriften herum; und so kam es zu genau den Szenen, die als Vorbild für den Film Schtonk gedient haben: Der Stern schaltete mehrere Schriftsachverständige ein, u.a. den Schweizer Kriminologen Dr. Frei-Sulzer und den New Yorker Gerichts-Keksperten Howard Haring (eine schillernde Figur; er hatte mit seinem Schriftgutachten schon den Grundstein zu dem berühmt-berüchtigen Justizmord an Bruno Richard Hauptmann, dem vermeintlichen Kidnapper und Mörder des Lindbergh-Babys, gelegt). Da die Stasi ihre Fälschung um zwei echte Handschriftproben Lübkes herum aufgebaut hatte, kamen die Sachverständigen zu dem einhelligen Urteil: Jawohl, das Material ist echt. (Wobei die Expertise Frei-Sulzers auf Druck der Bundesregierung hin nicht veröffentlicht werden durfte.)
Dieses Ergebnis wurde denn auch notariell beglaubigt - ebenso feierlich wie im Film die Ergebnisse der Handschrift-Gutachten -, freilich nicht in Hamburg, sondern in New York, bei Mrs. Eleanor P. DeVito. Erst die Gauck-Behörde sollte den Schwindel aufdecken, als Lübke schon lange unter der Erde weilte. Gleichwohl hält der damalige Ressortchef des Stern, Gerd E. Gründler, bis heute ebenso hartnäckig an seiner These fest, dass das Material echt und Lübke folglich ein "Kriegsverbrecher" gewesen sei, wie "Hermann Willié" in Schtonk daran, dass "Adolf Führer" den Krieg überlebt und die Tagebücher danach geschrieben hat - Gewissenmassen "aus dem Gedächtnis rekonstruiert".
Kurzum, es war also ein ganz normaler Vorgang, wenn die Stern-Verantwortlichen auf einer Untersuchung durch Schriftsachverständige bestanden. Was lag näher? Grafologie hat ja - wenn sie ernsthaft betrieben wird - nichts mit Sterndeuterei zu tun; vielmehr ging es um einen Schriftvergleich zur Ermittlung des Urhebers. Dafür brauchte man Vergleichsschriften, richtig. Aber nun setzt die Geschichtsfälschung des Helmut Dietl erst richtig massiv ein: Es war nicht so, dass Kujau dem Stern von ihm selber gefälschtes Vergleichsmaterial unter jubelte. Hätte er das getan, hätten die Richter ihm schwerlich die Einlassung geglaubt, er habe Heidemann von Anfang an gesagt, dass er Fälschungen liefern würde - aber halt gute Fälschungen, die auch ihren Preis haben -, und sie dürften unter keinen Umständen veröffentlicht, sondern nur an private Sammler verkauft werden. Aber ist diese Einlassung nicht lächerlich?
Allerdings unterläuft Dietl in einer der Anfangs-Szenen ein Lapsus, als er Knobel sagen lässt: "Der Hitler hat doch viel besser gemalt als der Toulouse-Lautrec..." Wohl wahr - alles ist relativ. Dennoch geben manche Verrückte für den letzteren (und viele andere, noch schlimmere) Schmierfinken, pardon moderne "Künstler" noch viel mehr Geld aus, Millionen, bisweilen gar 'zig Millionen - vor allem, wenn es nicht ihr eigenes Geld ist, sondern das der Steuerzahler. Ist das weniger lächerlich? [Nein, eigentlich ist das gar nicht zum Lachen, sondern vielmehr zum Heulen: In den meisten Fällen machen nämlich die korrupten Verschwender von Steuergeldern augenzwinkernd Halbe-Halbe mit den so genannten "Künstlern", mit deren Machwerken sie öffentliche Plätze und Gebäude verschandeln.
Warum sollte also nicht ein anderer Verrückter für ein paar Dutzend gut nachgemachter Hitler-Tagebücher ebenso viel auf den Tisch zu blättern bereit sein? Aber erstens behauptete Kujau ja, dass Heidemann nur einen Bruchteil jenes Geldes an ihn weiter gegeben habe, und zweitens darf man zugunsten seiner Richter unterstellen, dass sie nichts vom Kunstmarkt verstanden.
Zurück zu unserer Geschichte. Am 25. April 1983 trat Stern-Chefredakteur Peter Koch vor die versammelten Medien und erklärte: „Die Geschichte des Dritten Reiches wird in weiten Teilen neu geschrieben werden müssen“. Der Stern sei im Besitz von Hitlers geheimen Tagebüchern. Die Welt hielt einen Augenblick den Atem an.
„Stern“-Reporter Gerd Heidemann präsentierte am 25. April 1983 stolz auf einer Pressekonferenz die „Hitler-Tagebücher“, seinen „Sensationsfund“. „Hitlers Tagebücher entdeckt „ stand auf der Titelseite der Zeitschrift „Stern“, des 33. Jahrganges, Heft 5 vom 28. April 1983. In dieser Ausgabe wird der Öffentlichkeit der Fund der angeblichen Hitler-Tagebücher präsentiert.
Der „Stern“-Reporter Heidemann (Jahrgang 1931) gehört zu den seltsamen Zeitgenossen der Epoche.
Als Heidemann erfolgreicher „Stern“-Reporter war, kaufte er eine Yacht, die „Carin II“, die einst Hermann Göring gehört hatte. Das Boot wurde Schauplatz für gesellige Treffen ehemaliger Nazis, mit Heidemann als fasziniertem Gastgeber. Auch Kujau war fasziniert von NS-Veteranen und Neonazis. Dazu gehörten Hitlers Fahrer Erich Kempka und Mitglieder der HIAG, der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS“. Mit der Zeit scharte er eine Gruppe von Sammlern um sich, die sich in seinem Ausstellungsraum in Stuttgart trafen. Unter ihnen waren mehrere höhere Polizeibeamte und Fritz Stiefel, ein 53-jähriger Selfmademan aus Stuttgart.
Im Juni 1979 rief Kujau Stiefel an und teilte ihm mit, er habe von seiner letzten Reise nach Ostdeutschland etwas ganz Besonderes mitgebracht, nämlich ein handschriftliches Tagebuch Hitlers. Tags darauf wurde ihm in Kujaus Laden eine dünne Kladde gezeigt, mit der Aufschrift „Jahrbuch der Partei“. Der Text bezog sich auf