Wahre Kriminalfälle und Skandale. Walter Brendel

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Wahre Kriminalfälle und Skandale - Walter Brendel

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eines geschrieben. Das ist eine Lüge. Sowohl sein früherer Anwalt in Stuttgart, Peter Stöckicht, als auch sein „Gönner“, ein heute in Florida lebender, in Deutschland gebürtiger US-Bürger, Wolfgang Schulze, haben bestätigt, dass sie sie in der Hand gehabt haben. Vermutlich hatte Kujau bereits mindestens sieben Tagebücher für den Verkauf an Privatsammler fertig gestellt.

      Besitzer von Görings Schiff „Carin II“ mit Edda Göring als Borddame und mit Trauzeugen wie den ehemaligen SS-Generälen Mohnke und Wolf, wollte nichts mehr als mit der Vergangenheit des III. Reichs Karriere zu machen. Die Chefredakteure des „Stern“, Koch, Schmidt und Gillhausen unterstützten dieses mehr oder weniger.

      Dr. Manfred Fischer, der Vorstandschef des Verlages wollte zur Thematik „Stern“- Bücher herausbringen. Also Arbeitsauftrag für Heidemann und mit „Stern“-Arbeitseifer ging es ans Werk. Der Partner für dieses Vorhaben war schnell gefunden. Ein gewisser Fischer alias Kujau, mit einem Vorstrafenregister wegen Diebstahl, Waffenbesitz und Fälschung und, wie der Zufall so will, mit einem DDR-General als Bruder, konnte Tagebücher des Führers beschaffen.

      Wer war Konrad Kujau? Am 27. Juni 1938 wurde er in Löbau / Sachsen geboren. Seine Kindheit und frühe Jugend verbrachte der spätere Meisterfälscher im Waisenhaus Ruppersdorf, da sich seine Familienmitglieder beim großen Bombenangriff auf Dresden aus den Augen verloren hatten und erst 1951 wieder zueinander fanden. In Löbau besuchte der junge Kujau Volks- und Oberschule und legte dort 1956 das Abitur ab. Bis zum Juli 1957 war er an der Kunstakademie Dresden eingeschrieben. Danach verließ er die DDR auf illegalem Wege und flüchtete in das damalige West-Berlin. Die Zentrale Studienvergabe schickte den Künstler 1958 nach Stuttgart zum Studium, wo er bis 1961 auch als ordentlich Studierender eingeschrieben war. 1963 drängte es Kujau ins pralle Leben, in die Welt vor den Toren der Universität: Er machte sich mit Hilfe seiner Lebensgefährtin Edith Lieblang auf dem Kunstsektor selbstständig. Schon während des Studiums ging er Kunstmalern und Restauratoren zur Hand. Auch während der Schulzeit zeigte sich Genie und Talent des Jungen: Schon früh veröffentlichte er Karikaturen und Zeichnungen für Zeitungen wie „Junge Welt“, „Sächsische Zeitung“, „Fröhlichsein und Singen“ und den „Eulenspiegel“. Richtig bekannt wurde Kujau jedoch zunächst nicht als Maler und Aktionskünstler, sondern als hervorragender Fälscher.

      Was verbirgt sich hinter dem begabten Fälschergenie? Konrad Kujau – landesweit bekannt als Meisterfälscher - fühlt sich gut. Ein bisschen Robin Hood muss sein, ein bisschen Robin Hood ist er gern. Ein Schlitzohr mit Herz gewissermaßen. So ganz einfach ist er nicht zu nehmen, dieser Konrad Kujau. Zu viele haben schon versucht auf seine Kosten ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen. Und ein bisschen eitel ist er ja auch - wenn da einer kommt, und ihn versucht nachzuahmen, fühlt er sich schon persönlich beleidigt.

      Wie sehen sie aus, seine Erinnerungen? Nicht mal so sehr die an die Hitlertagebücher - das war sein Coup, das hat ihn aber auch einige Jahre seines Lebens gekostet, die er hinter Gittern verbringen musste. Vielmehr die an seine Jugend in Löbau. Damals, als er sich Postkarten von Ulbricht und Pieck besorgte, ihre Unterschriften fälschte und diese „Originale“ an Leichtgläubige verscherbelte.

      „Hätten die nachgedacht, hätten sie wissen müssen, dass bei dieser Anzahl von Autogrammen was nicht stimmen konnte. Da hätten die in Berlin ja sagen müssen „He, heute schließen wir, lassen die Politik mal sein und unterschreiben dem Kujau ein paar Karten“, das war unmöglich“ sagte er einmal und lehnt sich zufrieden zurück. Oder wie er die Trottel ausgetrickst hat mit seinen Westfahrrädern: gebrauchte gekauft, Aufkleber in Berlin besorgt, aufgepeppt mit neuen Teilen aus Görlitzer Läden, verziert mit Originalaufklebern aus der Westzone und das ganze Stück für 300 Mark weitergegeben. Wer sich das leisten konnte – so seine Überlegung - der hatte es nicht anders verdient. Fälschen kann eine hohe Kunst sein. Das wissen Liebhaber des Schönen, Guten und Wahren spätestens seit 1983, als der kolossale Kopist Konrad Kujau Deutschland einen der folgenreichsten Fälscher-Skandal seiner an Klitterungen ohnedies reichen Geschichte bescherte.

      Kurz vor seinem Tod wollte Kujau übrigens noch als Bürgermeister in seiner Heimatsatdt Löbau kandidieren. Gewählt hätten ihn sicherlich viele der braven Sachsen.

      Zurück zu den Tagebüchern. Heidemann hatte diese also vom damaligen Militariahändler und Kunstmaler Konrad Kujau bekommen. Der hatte erzählt, dass DDR-Generäle die Kladden gegen harte West-Mark verkauften. Sie wären in Sachsen gefunden worden, wo die letzte „JU“ abgestürzt sei, die u. a. mit Hitlers Diener 1945 aus dem eingekesselten Berlin gestartet sei... Heidemann und führende „Stern“-Herren bissen an. Kujau machte - sich mit Spucke‚ Asche, Schleifpapier und seiner phänomenalen Fälscher-Begabung ans Werk: „Ich habe einfach drauf zu geschrieben.“ Das war der Illustrierten für eine lange Serie insgesamt 9,34 Millionen Mark wert. Oberflächliche Gutachten hatten die Kladden mit den seltsamen Initialen „FH“ (Führer Hitler) für echt befunden. So der britische Historiker Hugh Trevor-Roper,

      der am 4. April 2003 im Alter von 89 Jahren gestorben ist. Trevor-Roper verbürgte sich für die Authentizität der 60 Bände in Sütterlin-Schrift. Davon hat sich Trevor-Ropers Reputation nie mehr erholt. Seine Aussagen, gespickt mit Kommentaren wie „Muss für Eva noch Karten für die Olympischen Spiele besorgen“ sorgten europaweit für Heiterkeitserfolge.

      63 angeblich von Hitler verfasste Tagebücher verkaufte er über Heidemann an den „Stern“. Übernacht avancierte der Filou zum Weltstar. Im anschließenden Prozess wurde er jedoch zu mehr als vier Jahren Gefängnis verurteilt. Von denen er aber nur 3 Jahre hinter Gittern zubrachte, da er sehr schwer an Kehlkopfkrebs erkrankte.

      Konrad Kujau überwand die schwere Krankheit und lernte wieder sprechen. Stets umschwärmt von der internationalen Presse, stand er abwechselnd als Koch, Fernsehmoderator, Galeriebesitzer, Kneipenwirt und Buchautor im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Bis kurz vor seinem Tod arbeitete Kujau vorwiegend als Maler in seinem Atelier. Gejagt zum Erfolg durch grenzenlose Kreativität, vergaß er völlig seine Gesundheit. Konrad Kujau starb am 12. September 2000 in Stuttgart nach einem schweren Krebsleiden.

      Der listige Fälscher Konrad Kujau ist tot. Die Hinterbliebenen des Debakels schieben sich auch heute noch leidenschaftlich die Schuld zu. Da sind der erfolgsbesessene Reporter Gerd Heidemann, die vermarktungslüsternen Verlagsmanager und die eilfertigen Experten, die von der erhofften Bedeutung des Fundes ergriffen waren. Und da sind die Warner - die nicht gehört wurden.

      Das Aktendepot Hitlers, ein geheimnisvoller Flugzeugabsturz, Heidemanns Einbildung von Bormanns Doppelgänger und Görings Yacht: Reale und irreale Zutaten der Affäre sind die eines Thrillers. Lag der Fehler in der Geheimhaltungs-Paranoia der Verantwortlichen?

      Die aufkommenden Zweifel sollten ausgeräumt werden: Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin untersuchte Papier und textile Fasern. Das Ergebnis am 6. Mai 1983: Fälschung! Der New Yorker Graphologe Kenneth Rendell entlarvte die Fälschung mit einfachsten Mitteln innerhalb von wenigen Stunden. Der Stern hatte dafür über zwei Jahre Zeit gehabt. Wollte man, koste es was es wolle, an die journalistische Sensation des Jahrhunderts glauben? Eine nie dagewesene Blamage war die Folge.

      Was wussten Geheimdienste schon vorher von dem drohenden Skandal? Zu beleuchten wäre da die Rolle des damaligen Bundesinnenministers Friedrich Zimmermann (CSU). Dieser wusste bereits vier Wochen vor der „Stern“-Veröffentlichung von der Fälschung. Aber da der „Stern“ eher linksgerichtet war, verschwieg Zimmermann tunlichst sein Wissen. Nach der Veröffentlichung schlug er aber mit einer Pressemitteilung dann geballt zu.

      Am 21. August 1984 beginnt der Prozess vor dem Hamburger Landgericht der Illustrierten „Stern“ gegen Konrad Kujau, den Fälscher der 1983 veröffentlichten „Hitler-Tagebücher“, und den ehemaligen „Stern“-Journalisten Gerd Heidemann. Am 8. Juli 1985 das Urteil: Kujau bekam viereinhalb Jahre Haft, Heidemann zwei Monate mehr, der Ex-Reporter bekommt heute Sozialhilfe. Seine „Carin II“ wurde zwangsversteigert.

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