Raban und Röiven Eine magische Freundschaft. Norbert Wibben
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Raban und Röiven Eine magische Freundschaft - Norbert Wibben страница 2
Ein ganz normaler Junge
Ein Huhn und ein Hahn – die Geschichte fängt an
Es ist Sommer. Die Sonne steht hoch am blauen Himmel, an dem nur wenige, duftig geformte Wolken zu sehen sind. Es ist früher Nachmittag und der erste Ferientag. Was kann es Schöneres geben?
Ein leiser, warmer Windhauch streicht über die sanften Hänge mit dem wenigen Buschwerk im bergigen Norden des Landes. Weiße Schafe mit schwarzen Köpfen grasen friedlich auf den mit Steinmauern eingegrenzten, hügeligen Weiden. Die älteren rupfen gemächlich herumwandernd das fette Gras, um es langsam zu kauen, während die schon recht großen Lämmer verspielt herumtollen. Auch sie haben schwarze Köpfe mit weißen Flecken, aber noch keine Hörner. Gelegentlich versucht eines von ihnen doch noch etwas Milch von seiner Mutter zu ergattern. Es stößt auffordernd mit dem Kopf an den Bauch des Muttertieres und bückt sich tief hinab, um mit dem Maul an eine der Zitzen zu gelangen. Manchmal hat eines Glück, so wie jetzt und kann eine kurze Zeit die nahrhafte Milch genießen, während sich dabei sein Schwänzchen wie ein Propeller dreht.
»So ein kleiner Schlingel«, denkt Raban. »Es ist ja auch viel einfacher, den Bauch mit der fetten Milch zu füllen, als selber Gras zu fressen.« Wohlwollend lächelnd schaut er dem cleveren Lamm zu. Doch nach nicht einmal einer Minute unterbricht das Mutterschaf die Fütterung, indem es sich ein paar Schritte vorwärts bewegt. Das erneute Anstoßen des Lamms an ihren Bauch führt nun nicht zum gewünschten Erfolg. Das Schaf dreht sich vielmehr zu seinem Kind und senkt drohend den Kopf mit den Hörnern. Die Geste wird von diesem verstanden und es tollt in mehreren hohen Sprüngen davon, um anschließend doch etwas vom Gras zu naschen. Raban lacht lauthals beim Anblick dieses übermütigen Verhaltens.
Er wendet sich von der Weide ab und folgt dem Pfad hangaufwärts.
In Gedanken versunken achtet er nicht weiter auf das Gesumm der Insekten, die Nektar von den Blumen am Wegrand sammeln. Das gelegentliche Trillern und Zwitschern der Vögel dringt nur unbewusst zu ihm vor, obwohl gerade Vögel seine Lieblingstiere sind. Eigentlich hätte er sich sofort davon überzeugt, wessen Gesang er gerade hört. Den eines Trauerschnäppers oder ist es vielleicht der einer Gartengrasmücke? Aber nicht heute. Raban überdenkt seine Situation. Er ist froh, in den Ferien machen zu können, was ihm am Liebsten ist: Lesen, Zeichnen, Wandern und Tiere beobachten. Während der Schulzeit hat er dafür nicht so ausgiebig Zeit. Dann bestimmt der Unterricht den ganzen Vormittag, bis hin zum halben Nachmittag.
Raban grübelt darüber nach, was es Schönes für ihn im Schulleben gibt. Na klar, Sport macht er gerne, auch wenn er nicht so talentiert wie die meisten Jungen in seiner Klasse ist. Überall dort, wo Kraft und nicht unbedingt Geschicklichkeit wichtig ist, befindet er sich den anderen gegenüber im Nachteil. Obwohl er wie die meisten seiner Klasse 14 Jahre alt ist, wirkt er neben ihren massigen Staturen eher zierlich. Zum Fußballspiel wird er sehr oft nicht direkt in die Mannschaft gewählt. Meistens ist er der Letzte, der notgedrungen genommen wird, um die Anzahl der Mitspieler auszugleichen. Viele Mädchen werden sogar vor ihm gewählt.
Biologie und Kunstunterricht sind seine Lieblingsfächer. Besonders wissbegierig nimmt er alle Informationen auf, wenn es dabei um Tiere geht. Er ist im Zeichnen von Vögeln sehr begabt und sicher einer der Besten der Schule, nicht nur seines Jahrgangs, obwohl er dafür oft gehänselt wird.
»Du bist ein richtiges Weichei!« und »Zeichnen und Tiere sind doch Dinge, für die sich Mädchen interessieren, aber keine Jungen, die zu echten Männern werden wollen!«, bekommt er immer wieder vorgehalten. Auf dem Schulhof wird er häufig von Klassenkameraden oder Schülern aus den oberen Klassen angerempelt, falls er nicht vorher geschickt ausweichen kann. Er hat keine besonderen Freunde und ist in den Pausen meist allein für sich, wobei er oft abseits sitzt und in einem Skizzenheft zeichnet. Es ist daher nur verständlich, wenn er sich besonders über die Zeit der Ferien freut.
»Da kommt ja unser Weichmichel«, schreckt ihn plötzlich eine bekannte Stimme aus seinen Gedanken. Er folgt dem Pfad um ein Gebüsch herum.
»Hallo Rabine«, neckt gleich darauf eine weitere Stimme.
»Haben wir dich in deinen Träumen gestört?« lacht ihn ein dritter Junge aus.
»Hallo Jungs«, antwortet Raban kurz angebunden und versucht, seine Klassenkameraden nicht weiter beachtend, die bisherige Richtung beizubehalten. Er ist ihnen körperlich nicht gewachsen und befürchtet, sie sind wieder einmal auf eine Balgerei aus.
»Halt, warte doch mal!«, wird er nun von Alexander, dem Anführer der drei, aufgefordert. »Wir haben einen Vogel gefangen, sind uns aber nicht einig, was es für einer ist. Du kennst dich doch ganz gut aus. Derjenige von uns, der Recht hat, kann ihn mit nach Hause nehmen.«
Tatsächlich bleibt Raban jetzt interessiert stehen.
»Wo habt ihr denn den Vogel und wie habt ihr ihn überhaupt gefangen?« Er lässt seinen Blick suchend umherschweifen.
»Bist du denn blind? Schau doch mal da«, weist Alexander mit ausgestrecktem Arm auf das Weißdorn-Gebüsch, unter dem sich etwas im Schatten zu bewegen scheint.
Langsam nähert sich Raban dem Strauchwerk. Als er noch ein paar Meter entfernt ist, hockt er sich abwartend nieder. Er betrachtet forschend den großen, dunklen Vogel. Dieser hat sich so weit wie möglich unter den Strauch gedrückt und lässt seinen rechten Flügel etwas hängen. Sehr dunkle Augen blicken aus einem etwas schräg gehaltenen Kopf zu Raban hoch, um ihn, so sieht es aus, ebenfalls forschend zu betrachten.
Raban hält erschrocken kurz den Atem an. Das kann doch nicht wahr sein.
»Sch, sch! Du musst keine Angst haben, ich tue dir nichts«, versucht der Junge mit leiser Stimme den Vogel zu beruhigen. Langsam bewegt er sich rückwärts, erhebt sich und wendet sich den drei Anderen zu. Er muss einige tiefe Atemzüge machen. Erst einmal ist Ruhe notwendig.
»Nun? Du kennst diese Vogelart wohl auch nicht!«, wird er von Alexander verhöhnt.
»Ich weiß genau, was das für ein Vogel ist«, entgegnet Raban bestimmt. »Ich verstehe nur nicht, wie ihr es wagen konntet, auf ein wehrloses Tier mit euren Steinschleudern zu schießen.« Aufgebracht schaut er in die Gesichter seiner Klassenkameraden und deutet auf die hölzernen Waffen, die halb aus deren Taschen schauen.
»Da ist doch nichts dabei! Wie hätten wir diesen Vogel denn sonst bekommen können?« Brummig blicken die drei zurück. »Außerdem ist das doch bloß ein Tier! Und du kennst es auch nicht.«
»Doch, ich kenne diesen Vogel. Wenn ihr die falsche Art nennt, dann nehme ich ihn mit. Er ist verletzt und muss dringend behandelt werden!«
Als die anderen lauthals zu lachen beginnen, hebt er seine Fäuste und macht drohend einen Schritt auf sie zu. Das Gelächter verstummt sofort. Die drei glauben ihren Augen nicht zu trauen. Dieser schmächtige Junge, der etwa einen halben Kopf kleiner als sie ist, fordert sie heraus? Sie werden auf dem Schulhof von den anderen Kindern gefürchtet, da sie zusammenhalten und keiner Rauferei aus dem Weg gehen. Aber irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht. Raban wirkt heute nicht lächerlich, sondern tatsächlich bedrohlich. Woran es liegt, wissen die Jungen nicht, aber sie treten erschrocken einen Schritt zurück.
»Langsam,