Raban und Röiven Eine magische Freundschaft. Norbert Wibben

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Raban und Röiven Eine magische Freundschaft - Norbert Wibben Raban und Röiven

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der Handel gilt«, bestätigt Raban nickend. »Also nennt mir eure Vorschläge.«

      »Das ist eine Dohle«, kommt sofort der erste.

      »Nein«, entgegnet Raban, »die hätte blaue Augen, wenn sie jung ist, oder hellgraue, wenn sie erwachsen ist, und außerdem wäre sie wesentlich kleiner.«

      Nach kurzem Zögern lautet der zweite Vorschlag:

      »Das ist ’ne etwas zu groß geratene Schwarzdrossel!«

      »Nein!« lacht Raban, »die hätte einen gelben Schnabel und wäre nicht einmal halb so groß.«

      Nach einer langen Pause erfolgt die letzte Nennung von Alexander:

      »Das ist eine Saatkrähe oder eine Rabenkrähe.«

      »Das war jetzt geschummelt, trotzdem hat es dir nichts genutzt. Beide Antworten sind nicht richtig. Augen- und Schnabelfarbe stimmen zwar, aber beide Arten wären kleiner.«

      »Was soll das denn dann für ein Vogel sein? Vielleicht ein Rabe, so ähnlich lautet dein Name doch auch?« Alexander ist wütend, da Raban von ihnen den Vogel gewonnen hat. Er hätte ihn nur zu gern zu Hause in einen Käfig gesperrt und sich als großer Jäger gefühlt, wenn andere Jungen einen Blick darauf werfen dürften.

      »Es ist ein Kolkrabe! Und jetzt lasst mich das Tier mitnehmen, damit es die notwendige ärztliche Hilfe bekommt. Es soll die von euch verursachten Schmerzen nicht länger als nötig aushalten müssen. Geht!«

      Der Blick, den Raban ihnen zuwirft, ist drohend. Erneut sind seine Fäuste geballt und erhoben.

      Einen Moment zögern die Drei, unschlüssig, ob sie sich geschlagen geben sollen. Wenn das die anderen aus der Klasse erfahren, ist ihre bisherige Überlegenheit in Gefahr. Doch dann geschieht das Unerwartete. Sie grummeln leise etwas vor sich hin, zucken mit den Schultern, drehen sich um und schlurfen davon. Alexander blickt sich noch einmal kurz um, spuckt hinter sich auf den Boden und murmelt wütend:

      »Weichei, Mädchen!«

      Raban atmet auf. Das war aber knapp. Er hatte den Atem angehalten und nicht zu hoffen gewagt, diesen Sieg zu erringen.

      Langsam dreht er sich zum Weißdorn-Gebüsch um und traut seinen Augen nicht. Der Kolkrabe kommt aus dem Schutz des Gebüschs hervor und befindet sich nun ganz in seiner Nähe. Der Junge geht in die Hocke. Ihre Blicke begegnen sich. Plötzlich hört er eine knarzige Stimme:

      »Danke! Du hast mich gerettet.«

      Erschrocken fährt Raban hoch und blickt sich um. Aber der Vogel und er sind die einzigen Lebewesen hier.

      »Spinne ich?«, rätselt der Junge, als er erneut die Stimme wahrnimmt.

      »Nein, Raban. Du spinnst nicht. Du hörst meine Stimme in deinem Kopf, so wie ich deine Gedanken hören kann. Du hast Recht. Ich bin ein Kolkrabe, so wie ihr Menschen unsere Art nennt. Mein Name ist Röiven. Ich bin dir sehr dankbar, wenn du mir helfen und meinen Flügel wieder richten kannst. Mittlerweile sind die Schmerzen schon unerträglich.«

      In diesem Moment schließt der Kolkrabe seine Augen und kippt auf die Seite.

      Obwohl Raban sprachlos darüber ist, was der Vogel zu ihm gesagt hat, reagiert er sehr schnell. Er fängt ihn auf, bevor er den Boden berührt. Vorsichtig erhebt er sich mit dem Tier in seinen Armen und rennt in Richtung des Dorfes.

      »Kann ich wirklich den Vogel gehört haben?«, überlegt der Junge. »Falls das möglich sein sollte, werde ich davon lieber nichts zu anderen sagen. Ich werde sonst sicher für verrückt erklärt. Jetzt muss ich den Tierarzt um die Behandlung des Vogels bitten. Der Flügel scheint gebrochen zu sein und muss sicher gerichtet werden.«

      Es ist Abend und Raban liegt in seinem Bett. Durch das Fenster leuchtet der Mond herein. Gerade als ein Mondstrahl auf das dunkle, blau glänzende Gefieder fällt, bewegt sich der große Vogel. Seine dunkelbraunen Pupillen sind nachdenklich auf den fest schlafenden Jungen gerichtet. Der Kolkrabe hockt auf einem kleinen Tischchen neben Rabans Bett und überlegt. Soll er dem Jungen erzählen, wer er ist und warum er hier ist? Wird er das überhaupt glauben? Menschen sind oft grausam zu Tieren. Doch dieser Junge hat sein Mitgefühl für ihn bewiesen, hat sich sogar mit den anderen anlegen wollen. Er hatte es wohl bemerkt.

      »Dabei ist dieser Junge eher schmächtig und macht nicht gerade den Eindruck, ein geübter Kämpfer zu sein. Aber ich habe seinen wachen und forschenden Blick gesehen. Für sein Alter wirkt er bereits sehr klug. Die hellblauen Augen scheinen mir sehr gut zu seinen kurzen, blonden Haaren zu passen. Zusammen mit den wenigen Sommersprossen auf und um seine Nase wirkt er etwas verschmitzt aber freundlich. Was er wohl von mir denken mag?«, grübelt Röiven. »Im Moment, da die Gefahr vorüber ist, falle ich in Ohnmacht. Ich bin in seinen Augen sicher ein Schwächling! Hm, ich glaube, jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Der Mond schickt sein silbernes Licht direkt auf das Gesicht des Jungen.« Leise, unverständliche Worte ertönen.

      Raban bewegt sich, reibt verschlafen die Augen und erhebt sich. Sein Blick sucht den Vogel. Erleichtert atmet er auf, als er ihn im Mondlicht erkennt. Der Verband über dessen Schulter zum rechtem Flügel hin ist nicht zu übersehen.

      Raban erinnert sich. Der Tierarzt hatte sehr erstaunt geschaut, als er mit dem großen Kolkraben im Arm in der Praxis stand. Die Behandlung verlief schnell und einfach, da der Vogel noch nicht erwacht war. Nach einer gründlichen aber vorsichtigen Abtastung hatte der Arzt ihn beruhigt.

      »Zum Glück ist der Flügel nicht gebrochen. Aber ich habe eine heftige Prellung an seinem kleinen Brustmuskel ertastet. Dadurch wird er einige Tage den Flügel nicht heben können. Ich werde ihm einen Schulter-Flügel-Verband anlegen, der diesen fixiert. Dadurch werden Muskelbewegungen vermieden, die sonst heftige Schmerzen verursachen würden. Vorher gebe ich dem Tier eine schmerzstillende und abschwellende Salbe auf den Muskel. In etwa drei bis fünf Tagen kannst du den Verband entfernen und die Reste der Salbe mit lauwarmen Wasser abwaschen, damit der Vogel diese womöglich nicht mit dem Schnabel entfernen muss. Schaffst du das?«

      Der Arzt hatte ihn freundlich angesehen und zu seiner Bestätigung genickt. Danach wollte er noch wissen, wie das Tier zu dieser Verletzung gekommen sei. Ohne die anderen zu verraten, erzählte Raban ihm, er habe den Kolkraben betäubt in der Nähe eines Baums gefunden, den dieser vermutlich im Flug gestreift haben musste.

      Er erinnert sich noch genau an den forschenden und leicht ungläubigen Blick des Mannes durch die runden Brillengläser. Der Junge weiß genau, Kolkraben sind ausgezeichnete Flugkünstler und würden nie eine derartige Verletzung durch Selbstverschulden bekommen. Viel wahrscheinlicher könnten Menschen den Tieren so etwas antun. Diese betrachten Rabenvögel oftmals negativ als Unglücksboten, als diebisch, ungeschickt oder gefährlich, und gehen gegen sie vor. Nach kurzem Schweigen hatte der Arzt ihm wieder zugelächelt. Er traute Raban offenbar eine das Tier verletzende Tat nicht zu, da er dann nicht mit dem Vogel im Arm zu ihm gekommen wäre.

      Der Junge betrachtet den Vogel, der wieder mit leicht schräg gestelltem Kopf und wachen, dunkelbraunen Augen zurückblickt. Der Kolkrabe hat eine Körperlänge von weit mehr als 50 cm und eine schlanke Statur. Sein Schnabel ist sehr groß und kräftig, der Oberschnabel ist deutlich nach

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