Blaues Feuer. Thomas Hoffmann

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Blaues Feuer - Thomas Hoffmann

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Gedanken an Björn Feldnersohn verstummte Norbert. Majas Vater hatte ihn wie einen Sohn aufgenommen. Hilflos fuhr Norbert sich durchs Haar. Er konnte nicht verhindern, dass ihm ebenfalls Tränen in die Augen schossen.

      Maja nahm seine Hände: „Bert, es sind so schlimme Sachen passiert. Aber wenn wir beide erwachsen sind, machen wir das Unheil wieder gut. Das hast du immer gesagt. Du willst Wildenbruch beschützen, hast du gesagt.“

      Norbert zog durch die Nase hoch.

      „Glaubst du, dass wir das können, Maja?“

      Sie sah ihm in die Augen.

      „Ja! Wenn wir beide zusammen sind, können wir es. Ich glaube es ganz bestimmt. Bitte, Bert, rede nie wieder vom Weggehen. Das Dorf – die Familie – sind mein Leben. Ich könnte nie woanders leben. Genauso gut könnte ich tot sein.“

      Norbert schlang die Arme um das Mädchen und die beiden umarmten sich verzweifelt.

      „Es wird gut,“ flüsterte Maja. „Wir schaffen es - du wirst es schaffen, Bert, das Unheil gutzumachen. Ich helfe dir.“

      Norbert hielt Maja fest in den Armen. Nichts wünschte er sehnlicher, als dass sie recht hätte.

      ***

      Unmittelbar im Anschluss an das Frühlingsopfer feierten die Wilderbrucher die Heirat von Oliver, dem Sohn von Norberts Onkel Beorn, mit Grete Morgner. Die beiden zogen in die neuerrichtete Blockhütte beim Hof Kurt Morgners. Ulf Methorst, der sich auf das Zimmererhandwerk verstand, hatte das Bett, eine Truhe, Tisch und Bank als erste Einrichtung gebaut. Alle Familien steuerten Hausrat als Hochzeitsgeschenk bei.

      „So muss es sein,“ erklärte Hans Lederer seinem Sohn. „Wir Siedler halten zusammen, unterstützen uns gegenseitig. Niemand ist ausgenommen.“

      Drei Tage nach der Hochzeit kam Oliver verstört an den väterlichen Hof.

      „Die Grete sagt, sie kann in unserem Blockhaus nicht leben. Sie ist bei der Mutter und will nicht mehr zurückkommen in die Hütte. Sie meint immerzu, jemand schleiche nachts ums Haus. Sobald es dämmert, traut sie sich nicht mehr vor die Tür. Sie zittert immer so. Dabei war sie vor der Hochzeit doch so mutig und selbstbewusst, deshalb hab ich sie ja genommen. Gestern ist sie mitten in der Nacht aufgewacht und hat geschrien, der Lars Weidner stehe am Bett und wolle sie töten. Ich hab einen Kienspan am Herd entzündet, aber das Licht ging gleich wieder aus. Da war so ein eisiger Luftzug, wie ein Todeshauch.“

      Hans Lederer hörte seinem Neffen mit zusammengekniffenen Lippen zu. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen.

      „Bleib heute Nacht hier,“ knurrte er. „Wenn es Abend wird, gehe ich zu Kurt Morgner.“

      Leika wechselte einen Blick mit Norberts Vater.

      „Ich gehe hinüber zu den Morgners und spreche mit der Grete.“

      Als der Vater billigend nickte, sagte sie zu Oliver: „Mach dir keine Sorgen. Es wird gut.“

      Hoffnungsvoll blickte Oliver von Leika zum Vater.

      Am Abend nahm Hans Lederer seinen Dolch aus der Truhe und verließ den Hof. Zwei Stunden später kam er wieder herein. Er hielt sich die rechte Hand, als hätte er Schmerzen. Die Hand war rot und geschwollen. Der Dolch steckte in seinem Gürtel. Mit aufgerissenen Augen betrachtete Norbert die Klinge. Sie glühte blau.

      Der Vater ließ sich schwer auf die Bank fallen. Er nickte Oliver zu.

      „Grete ist wieder in eurer Hütte. Leika ist bei ihr. Geh zu ihr. Es ist vorbei. Der Lars Weidner behelligt euch nie wieder.“

      Mit verhaltener Wut blickte er auf seine Frau, die ein Dankgebet an die schwarze Dame murmelte.

      Norbert konnte lange nicht einschlafen. Er wurde den Gedanken nicht los, in dieser Nacht hätte der Vater den Lars Weidner zum zweiten Mal ermordet. Kurz vor Morgengrauen, als die Nacht fadenscheinig wurde, hörte er weit weg einen Wolf heulen.

      ***

      Der Regen hielt bis weit in den Mai an und ein großer Teil der Saat verfaulte. Dazu brach unter den Schafen eine Krankheit aus, die viele Tiere dahinraffte. Die Wildenbrucher hielten Prozessionen zur Grotte der schwarzen Dame ab und beteten um Segen.

      „Die schwarze Dame will die Wiesenblumen, Möhren und Erbsenschoten nicht, die sie ihr bringen,“ konnte Norbert sich nicht verkneifen, Maja zu erklären. „Sie will Fleisch. Aber wenn sie welches bekommt, wird sie wild und grausam.“

      „Bert, erzähl doch nicht solche Sachen!“ schrie Maja.

      „Ich kann das gar nicht anhören. Was sollen wir denn machen, wie sollen wir denn um Segen bitten?“

      „Wir müssen es eben aushalten, bis es wieder besser wird,“ murmelte Norbert.

      Im Sommer wurde Norbert fünfzehn. Zu Sonnenwend schenkte Björn Feldnersohn seinem zukünftigen Schwiegersohn einen Jagdbogen, Köcher und Pfeile. Am Morgen nach der Sonnenwendfeier legte der Vater Norbert ein in Leinen gewickeltes Bündel auf den Tisch. Darin war ein Messer. Die Stahlklinge war eine Spanne lang. Norberts Herz machte einen Sprung.

      „Du wirst ein Mann,“ knurrte der Vater. „Für deine Jagdstreifzüge kannst du ein vernünftiges Messer gebrauchen. Ich hab es letzten Herbst aus Altenweil für dich mitgebracht. Aber bilde dir nichts darauf ein. Gegen die von jenseits der Grenze nützt es nichts.“

      Maja schenkte ihm eine wollene Schlupfjacke.

      „Ich hab sie selbst gestrickt. Mutter meinte, dafür sei es noch zu früh, ich soll dir erst zur Hochzeit was schenken, aber ich wollte unbedingt dieses Jahr schon etwas für dich machen.“

      Die beiden saßen auf der Bank vor Björn Feldnersohns Haus. Die Familie war bereits zur Hofarbeit auseinandergegangen. Norbert betrachtete die braun gemusterte Jacke. Maja gab ihm einen Kuss auf die Wange.

      Er nahm ihre Hände. „Wo du jetzt Schmalzkuchen backen kannst, da kann ich dir doch auch zeigen, wie man sich richtig küsst.“

      Vor Überraschung blieb ihr der Mund offen stehen. Norbert drückte schnell seinen Mund auf ihre Lippen. Sie wehrte sich nicht.

      Als sie sich genug geküsst hatten, flüsterte sie: „Nachher gehe ich Holzsammeln. Die kleine Lichtung bei den Haselsträuchern, weißt du, welche ich meine?“

      Norbert nickte. Sein Herz begann zu rasen.

      „Ich warte dort auf dich,“ hauchte sie. „Kommst du?“

      Norbert konnte wieder nur nicken. Er brachte kein Wort hervor. Sie küssten sich noch einmal.

      Es war ein heißer, trockener Sommer nach dem verregneten Frühling. Staubige Hitze brütete zwischen den Haselsträuchern, als Norbert sich mit klopfendem Herzen durch die Büsche zwängte. Es roch nach Harz und Kiefernnadeln. Maja wartete auf ihn auf der kleinen Grasnarbe zwischen den Sträuchern. Sie saß barfuß mit angezogenen Beinen im braunen Gras. Ihre bloßen Unterschenkel lugten unter ihrem Kleid hervor. Die Kiepe mit dem Klaubholz stand bei den Büschen.

      Wie hübsch sie ist, dachte Norbert, während er das hagere Mädchen betrachtete.

      Mit

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