Blaues Feuer. Thomas Hoffmann
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„Du musst aufhören mit dem Trinken und wieder anfangen, zu arbeiten,“ begann der Vater ohne Einleitung. „Im Suff kommt dir lauter Unsinn in den Kopf. Im Dorf wird erzählt, du hättest behauptet, dass du aus Wildenbruch weggehen willst.“
Im Halbdunkel sah Lars‘ vom wilden Haar und Bart umrahmtes Gesicht blass aus. In seinem Blick lag ein trüber Glanz.
„Was geht es dich an, was ich tue,“ murrte er. „Was soll ich noch in diesem Nest in der Einöde? Wenn ich gehen will, dann gehe ich. Schließlich könnt ihr mich nicht daran hindern.“
„Du bist einer von uns, Lars.“
Lars fuhr auf: „Hör auf damit! Was hab ich hier schon? Nichts! Ich gehöre nicht zu euch!“
„Hör mir zu! Als du vor acht Jahren in der Siedlung erschienst, haben wir dich nicht gefragt, woher du kommst, was dich aus dem Reich zu uns getrieben hat. Wir haben dich aufgenommen, haben dir angeboten, zu bleiben, Siedler zu werden. Du hast eine Frau genommen, wir haben gemeinsam dein Haus gebaut. Und du hast geschworen, dich an unsere Gesetze zu halten. Hast du das vergessen, Lars Weidner?“
Lars schnaufte wütend. Er antwortete nichts.
Drohend fuhr Hans Lederer fort: „Wir Grenzsiedler halten zusammen, Lars. Keiner von uns verlässt die Siedlung. Wir bleiben beieinander. Das ist das Gesetz. Und es gilt für dich genau wie für jeden von uns.“
Schwer atmend rief Lars: „Und wenn ich mich an eure verdammten Gesetze nicht halte? Was willst du dann machen, Lederer? Du kannst dich aufspulen, als wenn du der Dorfchef wärst, aber wenn ich gehen will, dann gehe ich!“
„Überleg dir das gut, Junge. Du hast einen Schwur getan. Es ist deine eigene Schuld, dass du dich so benommen hast, dass kein Mädchen in Wildenbruch dich mehr heiraten will. Geh wieder an die Arbeit. Und hör auf mit dem Saufen.“
Lars sprang auf.
„Nein! Ich brauch nichts zu überlegen. Du hast mir nichts zu sagen. Ich tue, was ich will.“
„Du bist betrunken, Junge. Sei vorsichtig, was du sagst.“
„Ich lasse mir von dir nicht drohen,“ schrie Lars. „Ich gehe! Morgen früh mach ich mich auf den Weg. Ihr könnt mich alle am Arsch lecken, ihr verfluchten Siedler!“
Hans Lederer stand auf.
„Komm mit vor die Tür, Lars Weidner. Wir reden draußen weiter.“
Norbert kannte diesen Tonfall. Ein Schauder lief ihm über den Rücken.
„Du kannst genauso gut drinnen bleiben,“ krächzte Lars. „Ich rede nicht mehr mit dir.“
Er schwankte zur Tür und riss sie auf. Draußen strömte der Regen in der Dunkelheit. Als Lars zur Tür hinausstolperte, wandte Hans Lederer sich zum Herd. Sein Gesicht verzerrte sich. Er griff das Handbeil vom Holzstapel neben dem Herd, schritt hinaus und warf die Haustür von außen zu. Alle starrten blass in die Herdglut. Niemand sagte ein Wort. Draußen war Lars‘ empörte Stimme zu hören. Dann ein überraschter Ausruf, der in einen Schrei überging. Der Schrei brach ab. Etwas Schweres polterte gegen die Tür.
Hanna weinte in der Totenstille. Wie gelähmt saß die Hofgemeinschaft um den Herd. Der Vater kam nicht wieder herein.
Erst Stunden später kam Hans Lederer durchnässt vom Regen ins Haus. Norbert, Lene und die Mutter saßen noch immer an der wieder und wieder geschürten Glut. Die anderen hatten sich auf ihre Lager zurückgezogen.
Ein Schwall feuchter Kälte drang mit dem Vater in den Raum. Hans Lederers Kleider waren lehm- und dreckverschmiert. Mit einer von Erde schwarzen Hand warf er das Beil neben dem Herd auf den Boden. Langsam, als schleppte er eine schwere Last, ging er zum Lehnstuhl in der Ecke, ließ sich in den Stuhl sinken und begrub das Gesicht in den dreckigen Händen. Niemand wagte, ihn anzusprechen. Norbert, Lene und die Mutter schlichen zu ihren Lagern.
Der Regen rauschte in der Finsternis. Klamme Kälte kroch durch Norberts Decken. Mit rasendem Herzen lag er auf seinem Lager. Kaum wagte er zu atmen.
Er hat ihn umgebracht!
Er konnte und konnte den Gedanken nicht zum Schweigen bringen.
***
Hans Lederer sprach kein Wort über das, was vorgefallen war. Die Hofgemeinschaft und das gesamte Dorf schlossen sich seinem Schweigen an. Selbst wenn hier und da leise über den Mord getuschelt wurde, sprach niemand laut darüber. Lutz Thorstensohn räumte die leer stehende Hütte aus, die Lars Weidner bewohnt hatte, und nutzte sie als Schweinestall.
Mit niemandem außer Maja konnte Norbert über die quälenden Gedanken reden, die ihn verfolgten. Nicht einmal Leika traute er sich anzusprechen. Maja und er saßen auf einem Holzstapel beim Ziegenstall, wohin sie sich in der milden Luft des Frühjahrsabends vor den anderen zurückgezogen hatten. Es war fast dunkel. Maja hatte Schmalzkuchen gebacken.
„Es ist ganz einfach,“ meinte sie. „Mutter hat es mir gezeigt.“
Norbert schluckte den fettigen Teig, aber er empfand keine Freude daran.
„Alle tun so, als hätte es den Lars Weidner nie gegeben!“
Maja sah ihn erschreckt an.
„Wir wollen nicht darüber sprechen,“ flüsterte sie.
„Ich muss aber darüber reden. Mit wem kann ich das denn, außer mit dir?“
Maja blickte zu Boden. Sie knetete ihre Hände im Schoß.
Es drängte Norbert, sich von der Seele zu reden, was ihn verfolgte.
„Von der Smeta haben sie behauptet, sie hätte die Siedlung verlassen und sich davongeschlichen. Den Lars Weidner hätten sie auch ziehen lassen können.“
„Aus dem Dorf weggehen ist dasselbe, wie tot sein,“ sagte Maja leise. „Es macht keinen Unterschied.“
„Das heißt, du findest das richtig, dass... dass mein Vater ihn ermordet hat?“
Maja schniefte.
Erst nach einer Weile antwortete sie sehr leise: „Er war kein guter Mensch.“
Norbert spürte einen heftigen Stich in der Brust. Fassungslos blickte er Maja an.
„Es war Mord! Genau wie es Mord war, die Smeta zur schwarzen Dame gehen zu lassen. Und wie das, was sie den Elben angetan haben.“
Maja schüttelte verzweifelt den Kopf. Sie hatte Tränen in den Augen. Aber Norbert wurde nur noch wütender.
„Das Dorf ist auf Mord gebaut! Die Gesetze, von denen Vater redet, sind Mordgesetze! Ich will hier nicht mehr bleiben. Lass uns weggehen, Maja. Lass uns nach Altenweil gehen. Ich weiß dort von einem Gelehrten...“
Maja unterbrach ihn schreiend.
„So