Blaues Feuer. Thomas Hoffmann
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Norbert blickte auf seine Suppenschale. Hinter seinen Augen brannte die Wut. Er blinzelte, damit ihm keine Tränen kamen.
Als die Hofgemeinschaft vom Tisch aufstand, um sich um den Herd zu setzen, trat der Vater Norbert in den Weg.
„Norbert, komm einmal mit.“
Norbert blickte verzweifelt nach Leika, aber die wandte ihm den Rücken zu. Norbert zog die Schultern hoch in Erwartung von Schlägen gegen Ohren und Nase, als er dem Vater vor die Tür folgte.
Bitte, lass ihn nicht den Stock nehmen. Nicht den Stock!
Draußen pfiff der Wind in der Nachtschwärze. Hans Lederer zog die Haustür von außen zu, beugte sich zu Norbert herunter und griff ihn bei den Schultern. Norbert kniff die Lippen zusammen und schloss die Augen.
Eines Tages zahl ich ihm das heim! Alles!
„Wer hat dir das gesagt?“
Norbert hatte so sehr mit Prügel gerechnet, dass er die Frage nicht verstand.
„Was?“
„Stell dich nicht dumm! Wer hat dir gesagt, dass der Winter hart wird?“
Vaters Stimme war ernst, nicht wütend. Norbert starrte ihn an. Er konnte nur stottern.
„Du... du hast gesagt, ich darf nicht...“
„Nicht vor den anderen, du Esel! Raus mit der Sprache! Oder muss ich es aus dir herausprügeln?“
Norbert holte Luft. Was um alles in der Welt wurde von ihm erwartet? Er schluckte einen Kloß hinunter.
„Die Ruthild Morgner.“
„Wann?“
„Vorhin, heute Abend. Sie ist aus dem Wald gekommen, mit so einer großen Kiepe Holz auf dem Rücken und ist an mir vorbeigegangen. Und hat ganz schrecklich gekreischt.“
Der Vater ließ ihn los und richtete sich auf. Norbert hörte ihn heftig atmen. Dann wandte Hans Lederer sich zur Tür.
„Kein Wort davon da drinnen – zu niemandem, hörst du?“
Der Vater wartete auf keine Antwort. Er riss die Tür auf und ging hinein. Norberts Herz schlug heftig, als er dem Vater hinterher in die Wohnküche stolperte. Er wusste kaum, wie ihm geschah. Die betroffenen Augen der Hofgemeinschaft starrten ihn an. Als der Junge sich unversehrt auf die Bank neben Lene setzte, entspannten sich die Gesichter.
„Beorn kann gut erzählen,“ brummte der Vater, dem Sigurd mit ihren schmalen, blassen Händen hastig einen Krug Bier eingoss.
„Erzähl den Kindern von den Vorfahren, Beorn. Erzähl die Sage von Beowulf.“
Während Beorn von Hrothgars Halle erzählte und von giftigen Dämonensümpfen, tastete Lene vorsichtig nach Norberts Hand. Er nahm die Hand seiner älteren Schwester.
„Petra ist ja bei mir,“ flüsterte er ihr zu.
Obwohl er vorhin vor der Tür in der heulenden Nacht überhaupt nicht an das Püppchen gedacht hatte.
Am anderen Morgen machten der Vater und Onkel Beorn sich in den Wald auf, um Holz zu fällen.
***
Leika passte Norbert beim Heuschober hinter dem Haus ab. Wie am vorherigen Abend der Vater legte sie ihm die Hände auf die Schultern. Sie kniete sich zu ihm hinab und blickte ihn mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an. Lange betrachtete sie ihn mit diesen verwirrenden, ernsten Augen. Ihr Blick war Norbert unangenehm und er wand sich unter ihren Händen, aber sie ließ ihn nicht los. Endlich wurde ihr Gesicht milde.
„Siehst du, Norbert? Nun weißt du, wofür deine Gabe nützt.“
Norbert verstand gar nichts. „Wieso darf ich nicht darüber reden?“ Und trotzig fügte er hinzu: „Warum haben sie alle solche Angst vor den Toten? Aber den wirklich bösen Dämonen bringen sie Opfergaben!“
„Eben weil sie gefährlich sind – und mächtig. Glaub nicht, dass die Opfer nichts bewirken.“
Das einzige, was bewirkte, dass der Dämon nicht aus der Grotte herauskam, wenn Lebende zu nahe kamen, war Vaters Silberfibel, soviel war Norbert klar, wenn er auch nicht verstand, warum. Er dachte an das Ferkel, das Smeta der schwarzen Dame hatte opfern wollen.
Leika betrachtete Norbert ernst. „Wenn du älter bist, wirst du es verstehen. Denk daran: Deine Gabe ist gefährlich, aber du kannst sie zum Nutzen der Dorfgemeinschaft einsetzen. Und zu etwas anderem darfst du sie niemals einsetzen!“
Norbert blickte zur Seite. Er biss die Zähne zusammen. Er hatte der Smeta helfen wollen, aber niemand hatte das gewollt. Nicht einmal sie selbst.
Aber er murmelte doch: „Ja.“
Und wenn auch nur deshalb, damit Leika ihn in Ruhe ließ.
Obwohl Hans Lederer der Hofgemeinschaft verboten hatte, über das Vorgefallene zu sprechen, verbreitete sich die Nachricht, Norbert habe einen ungewöhnlich strengen Winter vorhergesagt, wie ein Lauffeuer im Dorf. Jeden Tag war im Wald um die Auenniederung das Schlagen der Holzfälleräxte zu hören. Kränze für die schwarze Dame wurden geflochten und in der Klamm vor der Grotte niedergelegt. Gerlinde Hüttner wusste sogar zu berichten, dem von den armen Brüdern gesegneten Norbert sei die heilige Mutter von Altenweil in Gestalt einer weißen Hirschkuh erschienen und habe ihm den schlimmen Winter vorausgesagt. Bald stand für die Wildenbrucher fest, dass die heilige Mutter von Altenweil den Siedlern zu Hilfe gekommen war, den Winter zu überstehen. Der Vater und Leika schwiegen. Die Mutter betrachtete Norbert stolz, fuhr ihm wieder und wieder durchs Haar.
„Bist ein guter Junge,“ murmelte sie.
Nur Norbert wusste, dass die Heilige von Altenweil keine Mutter war, sondern ein junges Mädchen und dass Rehe und Hirsche nicht zu ihren Lieblingstieren gehörten. Aber er hielt den Mund, um seinen Vater und die anderen nicht zu reizen. Sie hätten ihm sowieso nicht zugehört.
***
Auf Lutz Torstensohns Heuboden verkündete Ulrich atemlos, der als letzter der Gefährten heraufgekommen war:
„Ich hab in unserem Schober ein Katzennest mit Babys entdeckt. Die können wir totmachen. Kommt schnell, sonst trägt ihre Mutter die Katzenbabys weg!“
Hastig kletterten die Kinder die Leiter hinunter.
„Norbert, komm, und lösch den Kienspan!“ rief Roderig von unten.
„Ich mach doch keine Katzenbabys tot,“ sagte Norbert, der nicht im Traum daran dachte, aufzustehen.
Maja blieb neben ihm sitzen. Norbert kramte eine Dörrpflaume aus seiner Tasche.
„Hier, das ist meine letzte. Du kannst die Hälfte haben.“
Maja biss von der Dörrpflaume ab und gab den Rest Norbert zurück.
„Dein