Kleine Novellen. Уилки Коллинз
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Er nahm sein Taschentuch heraus und fuhr damit über das Gesicht, indem er erleichtert aufatmete. »Dies ist meine letzte Hoffnung!« sagte er. »Wenn sie mir treu sein wird, wenn sie mir immer nahe sein wird, morgens, mittags, abends, so werde ich von seinem Anblick befreit sein. Sehen Sie! Er verschwindet schon. Er ist fort!« rief er mit einem Freudenschrei. Er fiel auf die Knie und blickte Fräulein Laroche wie ein Wilder an, der zu seinem Götzenbild betet. »Wollen Sie mich jetzt von sich weisen?« fragte er demütig. »Lionel liebte Sie in seinem Leben, und sein Geist ist ein barmherziger Geist. Er will Sie nicht erschrecken; er hat mich um Ihretwillen verlassen; er wird mich um Ihretwillen freigeben. Haben Sie Erbarmen mit mir, nehmen Sie mich auf, damit ich mit Ihnen lebe – und ich werde ihn nie wiedersehen.«
Es war schrecklich, ihn reden zu hören. Ich sah, dass das arme Mädchen dies nicht länger ertragen konnte. »Verlassen Sie uns,« flüsterte ich ihr zu; »ich werde Sie zu Hause wieder treffen.« Er hörte dies und trat sofort zwischen uns. »Sie soll mir ein Versprechen geben, sonst lasse ich sie nicht weggehen.« Fräulein Laroche fühlte wie ich die gebieterische Notwendigkeit, etwas zu sagen, was ihn besänftigen konnte. Auf ein Zeichen von mir gab sie das Versprechen, wieder zu kommen.
Er war befriedigt und bestand darauf, ihr die Hand zu küssen; dann ließ er sie gehen. Es war mir damit gelungen, ihn zu bewegen, dass er mir vertraute. Er schlug mir unaufgefordert vor, ihn nach dem Wirtshause im Dorfe zu begleiten, wo er sich aufgehalten hatte. Der Wirt, der seinem unglücklichen Gast selbstverständlich nicht traute, hatte ihn diesen Morgen aufgefordert, sich irgendein anderes Unterkommen zu suchen. Ich übernahm es, durch meinen Einfluss auf den Mann ihn zu bestimmen, von seinem Vorhaben abzustehen, und ich setzte auch die notwendigen Anordnungen durch, dass nach dem armen Mann gehörig gesehen werde. Nach meiner Rückkehr nach Hause schrieb ich sodann an einen Amtsbruder in meiner Nähe und an den Direktor der Provinzial-Irrenanstalt, die ich beide ersuchte, mit mir über die beste Art zu beraten, um Hauptmann Stanwick auf gesetzlich zulässige Weise so lange in Verwahrung zu halten, bis wir uns mit seinen Verwandten in Verbindung gesetzt hätten.
Konnte ich mehr als dies tun? Das Ereignis des nächsten Morgens beantwortete diese Frage — beantwortete sie sogleich und für immer.
III.
Als ich mich zu Nettlegrove Hall gegen Abend einfand, um Fräulein Laroche meine Fürsorge zuzuwenden, stieß ich auf den Widerspruch ihrer Tante.
Diese gute Dame hatte von der Anwesenheit des Hauptmanns Stanwick im Parke gehört und sie missbilligte es sehr, dass ihre Nichte ihn zu einem weiteren Verkehr ermutigt hatte. Sie hielt auch dafür, dass ich meine Pflicht versäumt hätte, indem ich den Hauptmann noch frei umhergehen lasse. Ich sagte ihr, dass ich, um zu handeln, nur auf den Rat kompetenter Leute warte, die am nächsten Tage eintreffen würden, um mit mir zu beraten; und ich tat mein Bestes, sie von der Zweckmäßigkeit der Schritte zu überzeugen, die ich inzwischen getan hatte. Fräulein Laroche ihrerseits war fest entschlossen, dem Versprechen treu zu bleiben, welches sie gegeben hatte. Wir brachten ihre Tante endlich dazu, unter gewissen Bedingungen nachzugeben.
»Ich kenne den Teil des Parkes, in dem die Zusammenkunft stattfinden soll,« sagte die alte Dame; »es ist der bevorzugte Spazierweg meiner Nichte. Wenn sie nicht in einer halben Stunde zu mir zurückgebracht worden ist, werde ich die Bedienten ausschicken, um sie in Schutz zu nehmen.«
Die Dämmerung trat ein, als wir den verabredeten Ort erreichten. Wir fanden dort bereits Hauptmann Stanwick; er war ungeduldig und misstrauisch, und es war nicht leicht, ihn über unsere Verzögerung zu beruhigen. Sein Wahnsinn schien jetzt mehr denn je hervorzutreten. Er hatte den Geist Varleighs während der vergangenen Nacht gesehen, oder doch geträumt, ihn zu sehen. Zum ersten Mal, sagte er, habe die Erscheinung des toten Mannes zu ihm gesprochen. In feierlichen Worten habe er ihn dazu verurteilt, sein Verbrechen zu sühnen, indem er sein Leben für das Leben hingebe, das er geraubt habe. Er habe ihn gewarnt, nicht auf einer Verheiratung mit Bertha Laroche zu bestehen. »Sie soll Ihre Strafe teilen, wenn sie Ihr Leben teilt. Und Sie werden es an diesem Zeichen erkennen — sie soll mich sehen, wie Sie mich sehen.«
Ich versuchte, ihn zu beruhigen. Er schüttelte den Kopf in starrer Verzweiflung. »Nein,« antwortete er; »falls sie ihn sieht, wenn ich ihn sehe, so hört die einzige Hoffnung auf Erlösung auf, die mich an das Leben fesselt. Wir müssen uns dann Lebewohl sagen, ein Lebewohl für immer!«
Während wir sprachen, waren wir weiter zu einem Teile des Parkes gegangen, durch den ein Bach mit klarem Wasser floss. Am jenseitigen Ufer führte das unbepflanzte Gelände in ein waldiges Tal hinab. Am diesseitigen Ufer des Baches erhob sich eine dichte Anpflanzung von Tannen, die von einem gewundenen Pfade durchschnitten wurde. Hauptmann Stanwick blieb stehen, als wir diese Stelle erreichten. Seine Augen hefteten sich in der zunehmenden Finsternis auf den schmalen Zwischenraum, den der Pfad zwischen den Bäumen bildete. Plötzlich erhob er die rechte Hand mit demselben Schmerzensschrei, den wir früher gehört hatten, mit der linken fasste er Fräulein Laroche am Arme. »Dort!« sagte er. »Sehen Sie dorthin, wohin ich blicke! Sehen Sie ihn dort?«
Als diese Worte über seine Lippen kamen, wurde eine nicht deutlich zu erkennende Gestalt sichtbar, welche den Pfad entlang auf uns zukam.
War es die Gestalt eines lebenden Menschen, oder war es nur ein Gebilde meiner eignen erregten Phantasie? Ehe ich diese Frage tun konnte, schritt der Mann näher auf uns zu. Der letzte Strahl des scheidenden Lichtes fiel durch eine Öffnung in den Bäumen auf sein Gesicht. In demselben Augenblicke fuhr Fräulein Laroche mit einem Schrei des Entsetzens vor Hauptmann Stanwick zurück. Sie würde zur Erde gefallen sein, wenn ich nicht nahe genug gewesen wäre, sie aufrecht zu halten. Hauptmann Stanwick war augenblicklich wieder an ihrer Seite. »Sprechen Sie!« rief er. »Sehen Sie ihn auch?«
Sie war gerade noch imstande, »Ja« zu sagen, als sie in meinen Armen in Ohnmacht fiel.
Er beugte sich über sie und berührte mit seinen Lippen ihre kalte Wange.
»Leben Sie wohl!« sagte er in einem Tone, der seltsamerweise plötzlich in die ausgesuchteste Zärtlichkeit überging. »Leben Sie wohl für immer!«
Er sprang über den Bach, überschritt den freien Raum und war in dem waldigen Tale jenseits bald unseren Blicken entschwunden.
Sowie er verschwand, kam auch die Erscheinung jenes anderen Mannes näher, ging schweigend an uns vorüber, sprang in einem Satze über den Bach und verschwand, wie die Gestalt des Hauptmanns vor ihm verschwunden war.
Ich war allein mit dem ohnmächtigen Mädchen geblieben. Nicht ein Laut, weder fern noch nah, unterbrach die Stille der herankommenden Nacht.
Nr. 5.
Herr Friedrich Darnel, Mitglied der