Kleine Novellen. Уилки Коллинз

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Kleine Novellen - Уилки Коллинз

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berechtigen konnte, mich als seine Verlobte zu bezeichnen.

      In seiner niedrigen Furcht vor einer ehrlichen Mitbewerbung Herrn Varleighs hatte er meine Worte mit Vorbedacht falsch gedeutet.

      »Wenn ich einen von beiden heirate,« erklärte ich, »so wird es Herr Varleigh sein.«

      Meine Tante schüttelte den Kopf. »Diese beiden Herren scheinen in dich verliebt zu sein, Bertha. Es ist ihnen gegenüber eine bedenkliche Lage, in welcher du dich befindest, und ich fürchte, dass du ein wenig unvorsichtig gehandelt hast. Hauptmann Stanwick sagte mir, dass er und sein Freund bereits in Zwiespalt geraten seien. Ich fürchte, dass du die Ursache bist. Herr Varleigh hat den Gasthof, in dem er mit dem Hauptmann wohnte, infolge eines heute morgen zwischen ihnen stattgehabten Streites verlassen. Du wusstest dies nicht, als du seine Einladung annahmst. Soll ich eine Entschuldigung für dich schreiben? Wir müssen den Besuch wenigstens so lange verschieben, liebe Bertha, bis du dich mit Hauptmann Stanwick auseinandergesetzt hast.«

      Ich fing an, mich ein wenig beunruhigt zu fühlen, aber ich war zu halsstarrig, um ohne Not nachzugeben. »Gib mir Zeit, darüber nachzudenken,« sagte ich. »Eine Entschuldigung schreiben hieße des Hauptmanns Gewalt über mich anerkennen. Lass uns bis morgen früh warten.«

      Der nächste Morgen brachte uns noch einen Besuch des Hauptmanns Stanwick. Diesmal war meine Tante anwesend. Er blickte nach ihr, ohne zu sprechen, und wandte sich dann in seiner erregten Stimmung, die sich schon in seinen Augen zeigte, an mich.

      »Ich habe mit Ihnen ein Wort unter vier Augen zu sprechen,« fing er an. »Ich habe keine Geheimnisse vor meiner Tante,« antwortete ich. »Was Sie mir auch zu sagen haben, Herr Hauptmann, es kann hier gesagt werden.«

      Er öffnete die Lippen zu einer Erwiderung, hielt aber plötzlich inne. Er drängte seinen Ärger durch eine so gewaltsame Bemühung zurück, dass sein sonst so frisches Gesicht auf einmal leichenblass wurde. Für den Augenblick erlangte er seine Ruhe wieder – und er wandte sich an mich, indem er wenigstens den äußeren Schein einer Rücksichtnahme mir gegenüber wahrte.

      »Hat dieser Varleigh gelogen,« fragte er, »oder haben Sie auch ihm Hoffnung gemacht — nach dem was Sie gestern mir sagten?«

      »Ich habe Ihnen gestern nichts gesagt, was Ihnen irgendwelches Recht geben könnte, diese Frage an mich zu stellen,« erwiderte ich. »Sie haben mich gänzlich missverstanden, wenn Sie dies glauben.«

      Meine Tante versuchte, ihm einige ruhige Worte zu sagen, in der Hoffnung, ihn zu besänftigen, aber er machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand, ohne sie anzuhören, und schritt näher auf mich zu.

      »Sie haben mich missverstanden,« sagte er, »wenn Sie glaubten, dass ich ein Mann sei, der sich zum Spielzeug in der Hand einer Koketten machen ließe.«

      Meine Tante legte sich wieder ins Mittel mit einer Entschiedenheit, die ich nicht von ihr erwartet hätte.

      »Hauptmann Stanwick,« sagte sie, »Sie vergessen sich.« Er achtete nicht auf sie und sprach weiter mit mir. »Es ist mein Unglück, Sie zu lieben« stieß er heraus. »Mein Herz hängt an Ihnen. Ich hoffe, Ihr Gatte zu werden, und kein anderer Mann auf Erden soll mir im Wege stehen. Nach dem, was Sie mir gestern sagten, habe ich das Recht, anzunehmen, dass Sie meiner Werbung geneigt sind. Das ist keine Tändelei; denken Sie das nicht! Es ist die Leidenschaft eines Lebens! Hören Sie? Es ist die Leidenschaft des ganzen Lebens eines Mannes! Ich lasse nicht so mit mir spielen. Ich habe um Ihretwegen eine schlaflose, elende Nacht gehabt — ich habe Ihretwegen genug gelitten — und Sie sind dies nicht wert. Lachen Sie nicht! Das ist kein Gegenstand zum Lachen. Hüten Sie sich, Bertha, hüten Sie sich!«

      Meine Tante erhob sich von ihrem Stuhle. Sie setzte mich in Erstaunen. Sie, die in gewöhnlichen Verhältnissen die zurückhaltendste und sanfteste Frau war, schritt nun auf Stanwick zu und blickte ihm fest ins Gesicht, ohne auch nur einen Augenblick zu wanken.

      »Sie scheinen vergessen zu haben, dass Sie in Gegenwart von Damen sprechen,« sagte sie. »Ändern Sie Ihre Sprache, mein Herr, sonst werde ich genötigt sein, meine Nichte aus dem Zimmer zu nehmen.«

      Halb erbittert, halb erschreckt versuchte ich ebenfalls zu sprechen. Meine Tante winkte mir aber, stille zu sein. Der Hauptmann trat einen Schritt zurück, als wenn er ihren Vorwurf fühlte; aber seine Augen, die noch immer auf mich gerichtet waren, blitzten mehr denn je in wildem Grimme auf. Hier vermochte die oberflächliche Bildung dieses Herrn nicht, seine wahre Natur zu verbergen.

      »Ich will Sie im ungestörten Besitze des Zimmers lassen,« sagte er mit bitterer Höflichkeit zu meiner Tante. »Ehe ich gehe, werden Sie mir erlauben, ihrer Nichte Gelegenheit zu geben, nochmals über ihr Benehmen nachzudenken, ehe es zu spät ist.« Meine Tante zog sich zurück und gestattete ihm, mit mir zu sprechen. Nachdem er einen Augenblick überlegt hatte, legte er seine Hand fest, aber nicht rauh auf meinen Arm. »Sie haben die Einladung Varleighs, ihn zu besuchen, unter dem Vorwande angenommen, seine Raritäten zu besichtigen,« sagte er. »Denken Sie nochmals darüber nach, ehe Sie sich dazu entschließen, der Einladung zu folgen.

      Wenn Sie morgen zu Varleigh gehen, werden Sie es bis zum letzten Tage ihres Lebens zu bereuen haben.« Indem er diese Worte in einem Tone sprach, der mich wider Willen erbeben ließ, ging er nach der Türe. Als er seine Hand auf das Schloss legte, wendete er sich zum letzten Mal nach mir um. »Ich verbiete Ihnen, zu Varleighs Wohnung zu gehen,« sagte er ruhig und bestimmt. »Hören Sie, was ich Ihnen sage! Ich verbiete es Ihnen.« Mit diesen Worten verließ er uns.

      Meine Tante setzte sich an meine Seite und ergriff freundlich meine Hand. »Hier bleibt nur eins zu tun übrig,« sagte sie, »wir müssen sogleich nach Nettlegrove zurückkehren. Wenn Hauptmann Stanwick versuchen sollte, dich in deinem eigenen Hause zu belästigen, so haben wir Nachbarn, die uns beschützen werden, und wir haben Herrn Loring, unseren Pfarrer, um uns an ihn um Rat zu wenden. Was Herrn Varleigh betrifft, so will ich ihn schriftlich um Entschuldigung bitten, ehe wir abreisen.«

      Sie streckte die Hand aus, um die Schelle zu ziehen und den Wagen zu bestellen. Ich hinderte sie daran. Mein kindischer Stolz trieb mich dazu, mich doch in irgendeiner Weise zu äußern, nachdem ich gezwungen gewesen war, während des Zusammentreffens mit Hauptmann Stanwick untätig zu bleiben.

      »Nein,« sagte ich, »es ist nicht schön gegen Herrn Varleigh gehandelt, wenn wir unserer Verabredung mit ihm nicht nachkommen. Lass uns auf alle Fälle nach Nettlegrove zurückkehren, aber lass uns vorher bei Herrn Varleigh vorsprechen und Abschied von ihm nehmen. Sollen wir deshalb, weil Hauptmann Stanwick uns durch feige Drohungen zu erschrecken versucht hat, uns einem gebildeten Manne gegenüber ungeziemend benehmen, der uns immer mit der größten Aufmerksamkeit behandelt hat? Das gewöhnlichste Gefühl der Selbstachtung verbietet uns dies.«

      Meine Tante widersprach ruhig und vernünftig diesem Ausbruch von Torheit, aber meine Hartnäckigkeit (meine Festigkeit, wie ich damals dachte) war unerschütterlich. Ich ließ ihr die Wahl, entweder mit mir zu Herrn Varleigh zu gehen, oder mich allein zu ihm gehen zu lassen. Da sie fand, dass es nutzlos sein würde, sich mir zu widersetzen, entschloss sie sich natürlich, ich brauche es nicht zu sagen, mit mir zu gehen.

      Wir fanden Herrn Varleigh sehr höflich, aber ernster und stiller wie gewöhnlich. Unser Besuch währte nur einige Minuten: meine Tante benutzte den Einfluss, den das Alter und die Stellung ihr gab, ihn abzukürzen. Sie führte Familienangelegenheiten als den Grund an, der uns nach Nettlegrove zurückrufe. Ich nahm es auf mich, Herrn Varleigh einzuladen, mich in meinem eignen Heim zu besuchen. Er verneigte sich und dankte mir, ohne meine Einladung ausdrücklich anzunehmen. Als ich ihm beim Abschiede die Hand reichte, brachte

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