Kleine Novellen. Уилки Коллинз
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Herr Varleigh schien seine Heftigkeit nicht zu bemerken; es entstand eine Pause. Die beiden Männer standen auf der braunen Erde der Lichtung Auge in Auge — und des Engländers frische Gesichtsfarbe, hellbraunes Haar und Bart und seine offenen, kühn blickenden, blauen Augen stachen auffallend ab gegen die bleiche Gesichtsfarbe und das schwarze, kurzgehaltene Haar, gegen den scharf beobachtenden Blick und das feingeschnittene Gesicht des Amerikaners. Aber dies dauerte nur einen Augenblick; ich fühlte mich kaum beunruhigt, so beherrschten sie sich auch schon und führten uns zum Wagen zurück, während sie so angenehm miteinander plauderten, als wenn nichts vorgefallen wäre. Indessen, noch tagelang nachher kam mir der Vorfall in der Lichtung — Gesicht und Gestalt der beiden Männer, die dunkle Reihe von Bäumen, die sie von allen Seiten einschloss, das braune runde Fleckchen Erde, auf welchem sie standen — immer wieder ins Gedächtnis zurück und verdrängte hellere und glücklichere Gedanken aus ihm. Als meine Tante mich fragte, ob mich dieser Tag gefreut hätte, verneinte ich dies zu ihrer Überraschung. Und als sie nach der Ursache fragte, konnte ich nur antworten: »Es wurde alles durch den Hernewald verdorben.«
III.
Drei Wochen sind seitdem vorübergegangen.
Das Entsetzen über jene furchtbaren Tage beschleicht mich wieder, wenn ich an sie denke. Ich gedenke die Wahrheit ohne Beben zu sagen; aber ich möchte doch wenigstens meine eigenen Gefühle insoweit berücksichtigen, als ich bei gewissen Einzelheiten so kurz wie möglich verweile. Ich werde mein Verhalten gegen die beiden Männer, die um mich warben, am deutlichsten schildern, wenn ich sage, dass ich keinen von beiden bevorzugte. Aber in unschuldiger, ja in törichter Weise ermutigte ich sie beide.
In Büchern werden die Frauen im allgemeinen so geschildert, dass sie in Fragen, welche sich auf Liebe und Heirat beziehen, ihr eigenes, sicheres Urteil haben. Diese Erfahrung habe ich bei mir selbst nicht gemacht.
Ein Tag folgte dem anderen, und so lächerlich dies auch erscheinen mag, ich konnte nicht entscheiden, welchen von beiden Verehrern ich am besten leiden mochte.
Anfänglich war Hauptmann Stanwick der Mann meiner Wahl. So lange er sein Temperament beherrschte, entzückte er mich. Aber wenn er ihm freien Lauf ließ, war ich enttäuscht, zuweilen sogar erzürnt. In dieser Verfassung wandte ich mich zum Trost an Herrn Varleigh, da ich fühlte, dass er der edlere und der würdigere der beiden Männer war, und ich alsdann ehrlich glaubte, dass ich ihn seinem Mitbewerber vorziehe. In den ersten Tagen nach unserem Besuche des Hernewaldes hatte ich vortreffliche Gelegenheit, sie miteinander zu vergleichen. Sie statteten uns zusammen ihre Besuche ab und teilten ihre Aufmerksamkeit sorgsam zwischen mir und meiner Tante. Am Ende der Woche indessen fingen sie an, sich getrennt vorzustellen. Wenn ich irgendwelche Erfahrung von dem Wesen der Männer gehabt hätte, so hätte ich wissen können, was dies bedeutete, und ich hätte die Möglichkeit einer ernsteren Entfremdung zwischen den beiden Freunden voraussehen können, deren Ursache ich unglücklicherweise sein sollte. So aber beunruhigte ich mich niemals darüber, was sich in meiner Abwesenheit ereignen mochte. Ob sie zusammen, oder ob sie einzeln kamen, ihre Besuche waren mir immer angenehm, und ich dachte an nichts und kümmerte mich um nichts.
Aber die Zeit, die mich aufklären sollte, war nicht mehr fern.
Eines Tages sprach Hauptmann Stanwick viel früher als gewöhnlich bei uns vor. Meine Tante war von ihrem Morgenspaziergang noch nicht zurückgekehrt. Der Hauptmann brachte eine Entschuldigung vor, dass er sich unter diesen Umständen einfinde, doch habe ich diese jetzt wieder vergessen.
Ohne wirklich bis zu einem Heiratsantrage zu gelangen, sprach er doch mit einem so zärtlichen Gefühle, und übte seinen Einfluss meiner Unerfahrenheit gegenüber in so feiner Weise, dass er mich dazu brachte, einige Worte meinerseits zu sagen, deren ich mich, sobald ich wieder allein war, mit einer gewissen Besorgnis erinnerte. Eine halbe Stunde später wurde Herr Lionel Varleigh als nächster Besucher gemeldet. Ich bemerkte sogleich in seinem Blicke aus seinem Benehmen eine gewisse Unruhe, welche, soweit ich ihn kannte, ganz neu bei ihm war. Ich bot ihm einen Stuhl an. Zu meiner Überraschung lehnte er ihn ab. »Von Ihrer Nachsicht erbitte ich mir die Erlaubnis, eine sonderbare Frage an Sie zu richten,« fing er an. »Es steht bei Ihnen, Fräulein Laroche, zu entscheiden, ob ich hier bleiben oder ob ich Sie von meiner Gegenwart befreien soll, indem ich das Zimmer verlasse.«
»Was können Sie damit nur meinen?« fragte ich.
»Ist es Ihr Wunsch,« fuhr Lionel Varleigh fort, »dass ich Ihnen fernerhin nur noch in Gesellschaft des Hauptmanns Stanwick, oder mit seiner ausdrücklichen Erlaubnis Besuche abstatte?«
Mein Erstaunen beraubte mich für den Augenblick der Fähigkeit ihm zu antworten. »Wollen Sie wirklich damit sagen, dass Hauptmann Stanwick Ihnen verboten habe, bei mir vorzusprechen?« fragte ich, sobald ich wieder sprechen konnte. »Ich habe genau das wiederholt, was Hauptmann Stanwick vor einer halben Stunde zu mir sagte,« antwortete Lionel Varleigh.
Als ich dies hörte, vergaß ich in meinem Unwillen ganz die unvorsichtigen Worte der Ermutigung, die der Hauptmann mir entlockt hatte. Wenn ich jetzt daran denke, schäme ich mich, die Ausdrücke zu wiederholen, in welchen ich die anmaßende Behauptung dieses Mannes von seiner Gewalt über mich zurückwies. Obgleich ich schon eine Unbesonnenheit begangen hatte, so trieb mich doch das Bestreben, mir die Freiheit des Handelns zu bewahren, dazu, noch eine solche zu begehen. Ich erklärte Herrn Varleigh, dass er mir willkommen sei, so oft es ihm beliebe, mich zu besuchen, und ich tat dies in Worten, die sein Gesicht unter den Gefühlen der Freude und Überraschung, die ich in ihm erweckt hatte, erröten ließen. Meine verletzte Eitelkeit kannte keine Grenzen. Ich winkte ihm, an meiner Seite auf dem Sofa Platz zu nehmen; ich versprach, am nächsten Tage mit meiner Tante zu ihm zu kommen und die Raritätensammlung, die er auf seinen Reisen zustande gebracht hatte, zu besichtigen. »Ich glaube beinahe, wenn er versucht hätte, mich zu küssen, wäre ich über den Hauptmann hinreichend erzürnt gewesen, jenen dies tun zu lassen.
Erinnert euch, was mein Leben früher gewesen war; erinnert euch, wie unwissend ich die kostbaren Tage meiner Jugend verbracht hatte, wie bedenklich dann ein plötzlicher Zuwachs von Vermögen und Ansehen meine Torheit und meinen Stolz ermutigt hatte — und versucht deshalb, wie gute Christen, ein wenig Nachsicht mit mir zu haben!
Meine Tante kehrte von ihrem Spaziergange zurück, ehe der Besuch des Herrn Varleigh zu Ende war. Sie empfing ihn ziemlich kalt, und er bemerkte dies. Nachdem er mich noch an unsere Verabredung für den nächsten Tag erinnert hatte, nahm er Abschied.
»Was für eine Verabredung meinte Herr Varleigh?« fragte meine Tante, sobald wir allein waren. »Ist es klug, unter den jetzigen Umständen mit Herrn Varleigh Verabredungen zu treffen?« sagte sie, als ich ihre Frage beantwortet hatte. Ich fragte natürlich, was sie meine. Meine Tante erwiderte: »Ich bin auf meinem Spaziergang Hauptmann Stanwick begegnet. Er hat mir etwas erzählt, was ich durchaus nicht verstehen kann. Ist es möglich, Bertha, dass du einen Heiratsantrag von ihm günstig aufgenommen hast, ohne mir auch nur ein Wort von deinen Absichten zu sagen?«
Ich