Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutsches Leben in Amerika - Teil 2. Rudolf Cronau
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Fleiß, Sparsamkeit und Genügsamkeit bildeten die Tugenden, durch welche die Ansiedler von Germantown sich auszeichneten und die Achtung aller Umwohner erwarben. Besondere Sorgfalt wendeten sie auf den Anbau von Flachs und Wein, die hoch in Ehren gehalten wurden. Der Flachs hatte Bedeutung, weil die Krefelder Leineweberei betrieben. Dies Gewerbe setzten sie in der Neuen Welt fort und stellten allerlei Zeuge her, die wegen ihrer Güte und Haltbarkeit überall willige Abnehmer fanden. Als Rheinländer waren sie Freunde des Frohsinns und wussten den Wein als Quelle desselben zu schätzen. So währte es nicht lange, dass sich um die Fenster und Türen ihrer Hütten schwertragende Reben rankten, andere sich zu schattigen Lauben verbanden.
Das Siegel von Germantown
Gewiss war es ein sinniger Gedanke, dass Pastorius beim Entwurf eines Ortssiegels in dasselbe ein Kleeblatt zeichnete, dessen drei Blätter den Weinstock, den Flachs und die Weberei darstellen sollten, was durch die Umschrift: „Vinum, Linum et Textrinum“ („Wein, Lein und Webeschrein“) Ausdruck fand. Dadurch wurde zugleich die Mission der Deutschen in Amerika, die Förderung des Ackerbaues, des Gewerbes und des heiteren LebensGenusses in der glücklichsten Weise angedeutet.
Welch glückliche Stunden mögen die Väter der deutschen Auswanderung in Germantown verlebt haben, wenn sie abends nach vollbrachter Arbeit auf den nach heimischer Art zu beiden Seiten der Haustür angebrachten Bänken saßen, von Bienen umsummt, von Tauben umflattert und vom Wohlgeruch der Blumen umwallt, die den aus Deutschland mitgebrachten Sämereien entsprossen! Wie oft mögen sie da der fernen Heimat gedacht haben, in der sie nur Kümmernisse und Verfolgung erlebt hatten, die ihnen aber trotzdem heilig und teuer blieb! Die Anhänglichkeit an dieselbe bekundeten sie, indem sie drei neue Ortschaften, die der Zuwachs später notwendig machte, Krefeld, Krisheim und Sommerhausen tauften.
Unter den alltäglichen Arbeiten vergaßen die Bewohner der deutschen Stadt nicht die Pflege des Geisteslebens. Den Mittelpunkt desselben bildete Pastorius, der die Errichtung einer Schule durchsetzte und persönlich eine Abendklasse leitete, in der er den reichen Born seines Wissens allen erschloss, die auf Vertiefung ihrer Kenntnisse bedacht waren. Der in jeder Beziehung merkwürdige Mann fand neben der Erledigung seiner Berufspflichten auch noch Zeit, schriftstellerisch tätig zu sein. Von seiner Vielseitigkeit und Gemütstiefe zeugt gewiss die Tatsache, dass er nicht weniger als 43 Bände mit Aufsätzen über Rechtskunde, Naturwissenschaft, Geschichte, Landwirtschaft, Theologie, Gedichten, Sinnsprüchen und philosophischen Betrachtungen füllte. Wie warm in seinem Herzen echte Liebe für das Vaterland und für seine Landsleute glühte, geht aus seinem berühmten, in lateinischer Sprache geschriebenen „Gruß an die Nachkommen“ hervor, mit dem er das Grundbuch von Germantown eröffnete. Der um die deutsch-pennsylvanische Geschichte hochverdiente Oswald Seidensticker, dessen Hauptwerk „Die Gründung von Germantown“ eine Perle echter, gemütstiefer Geschichtsschreibung ist, um die jedes Volk das Deutschamerikanertum beneiden dürfte, übersetzte denselben folgendermaßen: „Sei gegrüßt, Nachkommenschaft! Nachkommenschaft in Germanopolis! Und erfahre zuvörderst aus dem Inhalt der folgenden Seite, dass deine Eltern und Vorfahren Deutschland, das holde Land, das sie geboren und genährt, in freiwilliger Verbannung verlassen haben – oh, ihr heimischen Herde! – um in diesem waldreichen Pennsylvanien, in der öden Einsamkeit minder sorgenvoll den Rest ihres Lebens in deutscher Weise, d. h. wie Brüder, zu verbringen. Erfahre auch ferner, wie mühselig es war, nach Überschiffung des Atlantischen Meeres in diesem Striche Nordamerikas den deutschen Stamm zu gründen. Und du, geliebte Reihe der Enkel, wo wir ein Muster des Rechten waren, ahme unser Beispiel nach; wo wir aber von dem so schwierigen Pfade abwichen, was reumütig anerkannt wird, vergib uns; mögen die Gefahren, die andere liefen, dich vorsichtig machen. Heil dir, Nachkommenschaft!
Pastorius' Gruß an die Nachkommenschaft.
Kopie der im Grundbuch von Germantown befindlichen Originalniederschrift.
Heil dir, deutsches Brudervolk! Heil dir auf immer!“
Der lateinische Originaltext lautet:
A ex argumento in sequentis paginae primibus observa, Parentes ae Majores Tuos Alemaniam Solum quod eos genuerat, alueratque diu, voluntario exilio deseruisse, (oh! Patrios Focos!) ut in Silvosa hac Pennsylvania, deserta Solitudine, minus soliciti residuum Aetatis Germane, h. e. instar Fratrum, transigerent. Porro etiam inde addiscas, quantae molis erat, exant lato jam mari Atlantico, in Septentrionali isthoc Americae tractu, Germanam condere gentem. Tuque Series dilecta Nepotum! ubi fuimus exemplar honesti, nostrum imitare exemplum; Sin autem a semita tam difficili aberravimus, quod poenitenter agnoscitur, ignosce; Et sic te faciant aliena pericula cautam. Vale Posteritas! Vale Germanitas! Aeternum Vale!
Bereits im Jahre 1691 erhielt Germantown städtische Gerechtsame. Dass die Bewohner Pastorius zum Bürgermeister erwählten, war der Ausdruck der von allen gegen ihn empfundenen Dankbarkeit. Zugleich bekleidete er das Amt eines Friedensrichters. Als er am 2. Juni ein Ratsbuch beschaffte, eröffnete er dasselbe mit einigen seinen Gerechtigkeitssinn kennzeichnenden Sprüchen.
„Lasset die Forcht des Herrn bey Euch seyn und nehmet nicht Geschenke. Beleidigt keine Wittib noch Waisen. Schaffet dem Armen Recht und helffet dem Elenden und Dörftigen. Richtet recht zwischen Jedermann; sehet keine Person an, sondern höret den Kleinen wie den Großen. In euren Wahltagen setzet zu Häuptern übers Volk redliche, weise, erfahrene und verständige Leute, die wahrhafftig und dem Geitze feind sind.“
Wie wohl würde es um die amerikanische Nation stehen, wenn alle Richter sich bestrebten, gleich einem Pastorius solchen Grundsätzen gerecht zu werden.
Als Richter hatte Pastorius kaum etwas zu tun. Mitunter vergingen Monate, ehe er Anlass fand, einen Bewohner von Germantown in eine gelinde Geldstrafe zu nehmen. Seidensticker, welcher die Gerichtsakten von Germantown einer Durchsicht unterzog, nennt dieselben trocken und langweilig, fügt aber hinzu: „Glücklich die Gemeinde, deren Gerichts-Annalen langweilig sind!“
Unzweifelhaft ist auch eine Großtat der ersten deutschen Ansiedler in Amerika auf den hochherzigen Pastorius zurückzuführen: der erste in der zivilisierten Welt erhobene Protest wider die Sklaverei, die unfreiwillige Knechtschaft. Die Einfuhr von Negersklaven in die an der Ostküste von Nordamerika gelegenen holländischen und englischen Kolonien wurde bereits seit Anfang des 17. Jahrhunderts betrieben, ohne dass die für allgemeine Menschenrechte eintretenden Puritaner und Quäker den Menschenhandel als eine Ungerechtigkeit empfanden. Erst als William Penn für seine Provinz den „Frame of Government“ entwarf, und das Dokument seinem Freunde Benjamin Furley, einem in Rotterdam geborenen Quäker, der zugleich Agent der Frankfurter Gesellschaft war, zur Begutachtung vorlegte, hatte dieser ihm den Vorschlag unterbreitet: „Lasst keine Schwarze direkt eingeführt werden. Und wenn solche aus Virginien, Maryland oder sonst woher mit Familien kommen, welche dieselben früher irgendwo kauften, so lasst dieselben (wie nach der Verfassung von West Jersey) nach acht Jahren frei erklären.“
Aber die Handelsgesellschaft, welcher Penn angehörte, und die gleich