Jochen Kleppers Roman "Der Vater" über den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I - Teil 2. Jochen Klepper

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Jochen Kleppers Roman

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dem König gegenüber Platz. „Ich werde die Narren aus allen Ämtern, die mir unterstehen, entfernen“, sprach der Mächtige gelassen zu dem König.

      „Dann wären wir aller Wahrscheinlichkeit nach allein, Euer Gnaden“, bemerkte der König. Gundling hob die Locken mit gespreizten Fingern von den Ohren weg.

      „Ein Weiser und ein König, Majestät“, gab er zur Antwort. Es war ein hübscher Dialog, nur dass die Herren rings ihm nicht zu folgen wussten. Zwischendurch versank der König einmal ganz in die Betrachtung des Gefeierten und schwieg. Dieser Mensch war wahrhaftig vollkommenes Gleichnis und Bild. Alle waren sie in ihm getroffen. Dieser Mensch war Bild von seiner Hand. Der König handelte und dachte in Bildern. Niemand um ihn wusste davon. Als sei er unter die Müßiggänger gegangen, sah der König Gundling zu; es waren Augenblicke tiefsten Sinnens, Augenblicke seltsamsten Grübelns über vertane Gaben, verlorene Zeit, vernichtete Würde; über alle Narrheit der Erde.

      Rätselhafterweise hatte der König gerade an diesem Tage von Gundlings Apotheose den Narrenprofessor gemalt, wie er ein überaus hohes Vorlesepult erkletterte, emsig und leidenschaftlich drei Stufen für eine nehmend. Drunten sah die Menge der Großen ihm höhnisch und sogar mit derber Drohung nach. Er aber „blickte“, eine Brille auf dem Hosenboden, nur mit seinem Hinterteil auf sie herab.

      Und dieses Bild war die wahre große Ehrung, die König Friedrich Wilhelm einem Jakob von Gundling widerfahren ließ. Aber sie blieb vor ihm selbst und vor der Welt des Hofes ein Geheimnis.

      Die Tabaksrunde war ratlos; man wusste nicht, wie sich verhalten. Wozu war dieser ganze Auftritt ersonnen? Der König sprach so ernst und leise mit Gundling. Neckereien mit dem frischgebackenen Freiherrn schienen nicht geduldet; Ruß und Kreide lagen vergeblich bereit. Das Gerücht kam auf, Gundling habe wirklich Einfluss auf den Herrn erlangt. Es überdauerte die Stunde und sprengte nur zu rasch den engen Kreis der Tabagie. Hohe Herren sollten ihm nur zu bald ihre Visite machen, um durch ihn etwas Schwieriges zu erreichen.

       Zu der ungewöhnlichen Zurückhaltung, die man sich heute hier auferlegte, trug allerdings noch ein besonderer Umstand bei. Ein fremder Gast tauchte auf. Der König ließ ihn vom Paradeplatz hereinrufen, genau wie Grumbkow es berechnet hatte; denn der wusste, dass der König immer möglichst nahe am Fenster saß, wenn er seine Pfeife rauchte.

      Draußen brannten die neuen Laternen. Meist lag der Platz zu der Stunde, in der sie angesteckt wurden, schon sehr still. Jetzt aber promenierte ein nobel gekleideter Fremder äußerst interessiert zwischen den Laternen umher und suchte von Schloss und Exerzierfeld zu erspähen, was um den Anbruch der Dunkelheit noch sichtbar war. Der König, wie es seine Art war, erkundigte sich, ob einer am Biertisch wohl wisse, wer der Fremde sei. Herr von Grumbkow bekannte sich eiligst zu seinem Gast Graf Seckendorff.

      Warum er ihn nicht mitgebracht habe, fragte der König, warum es versäumt worden sei, ihn bei Hofe einzuführen. Und er erhielt zur Antwort, Graf Seckendorff halte sich gar zu kurz in Berlin auf; er sei nur während des englischen Königsbesuches von Wien nach Berlin herübergekommen, um endlich einmal einer der berühmten neuen preußischen Paraden beizuwohnen, von denen er am kaiserlichen Hofe gar so viel hörte; nun wolle er morgen noch rasch das Potsdamer Exerzitium besichtigen, um dann schleunigst wieder zu dringenden Geschäften nach Wien zurückzugehen. Er bedauere es ganz außerordentlich, dass sein Aufenthalt so kurz sein müsse; denn als erfahrener Militär und Taktiker habe er in den wenigen Tagen das neue Preußen als Fundgrube für einen alten Soldaten schätzen gelernt.

      Graf Seckendorff wurde schleunigst geholt. Der König begegnete ihm ganz außerordentlich freundlich und achtungsvoll. Der Graf solle unbedingt noch bei ihm bleiben, als sein Gast; Grumbkow dürfe es nicht übelnehmen. Dass aus Wien einmal einer nur als Offizier kam! Und wollte sich mit dem Potsdamer Obristen nicht einmal bekannt machen! Der König hatte allerlei Grund, sich zu wundern und zu freuen und zu schelten.

      Der Graf verstand zu antworten. Er wisse, die preußischen Herren Offiziere hätten keine Zeit für müßige Visiten.

      Der König schenkte ihm Bier ein. Er nahm selbst den neuen Humpen vom Bord. Grumbkow verbarg sein inneres Lächeln vollkommen. Der Graf, so sagte er dem König, wisse sich noch gar keinen Rat, wie er einen längeren Aufenthalt in Potsdam bewerkstelligen solle. Man ersuchte Majestät um einen Kurier nach Wien, und Seckendorff bat, diesem ein paar Zeilen über seine Berliner Eindrücke mitgeben zu dürfen. Der König war selig.

      * * *

       An dem Tage, an dem ein Vierteljahrhundert über der Gründung des Königreiches Preußen hingegangen war, am 18. Januar 1726, spät am Nachmittag, gebar die Welfin Sophie Dorothea dem Hause Brandenburg den sechsten Sohn. Drei tote Söhne waren vergessen angesichts der drei lebenden. Monate hindurch hatte der Gedanke, dass ihr neues Kind, vielleicht ein Sohn, um den 18. Januar geboren werden würde, im Zusammenhang mit ihren britischen Träumen die Königin mit eigentümlicher Erregung erfüllt. Unter solch erhebenden Auspizien musste auch diesem Kinde aus welfischem Mutterblut mit aller Gewissheit eine Krone bestimmt sein! Die Tochter des Königs von England gebar keine apanagierten Prinzen!

      So wurde nun der Jubiläumstag des jungen Königreiches doch noch mit Prinzensalut und Glockengeläut gar feierlich begangen, obwohl der König für das Fest seiner Dynastie und seines Staates keinerlei Anordnungen getroffen hatte.

      Der Gatte und die acht Kinder erschienen bald am Bett der Wöchnerin. Ernst sah der König auf den neuen Sohn; er betrachtete, den Kopf tief über die Wiege geneigt, lange das überzarte, welke Kleine. Nun erst winkte er Ewersmann, dem Diener, er möge näher treten. Der trug ein großes Tablett an das Lager Ihrer Majestät; neun goldene Kästchen standen darauf, geschmückt mit Wappen, Initialen und reichen Emblemen; nur auf dem neunten war ein Schild für das Monogramm des Neugeborenen noch frei. Der König erklärte der Gattin die Gabe; jede der Dosen trage den Namenszug von einem ihrer Kinder. Auf einem Pergamente sollten die Umstände von eines jeden Geburt verzeichnet und in den goldenen Kästchen aufbewahrt werden.

      Wie er da stand, ernst und blank im langen, blauen Uniformrock, ohne Orden, goldene Schnüre und Perücke, hätte kein Fremder den Herrn für einen König zu halten vermocht, der einen großen Tag seines Reiches und Hauses beging. Aber er schien unermesslich stolz, als er nun verfügte, der Kronprinz solle das Brüderchen über die Taufe halten. Da Friedrich aber noch so jung war, bedurfte es eines theologischen Gutachtens. Es musste auf der Stelle eingeholt werden. Die Königin ließ die Königinnen des Erdteils zu Patinnen bitten. Nun fühlte sie sich hoch erhaben über sie.

      * * *

      Noch auf diesen Abend hatte König Friedrich Wilhelm den Präsidenten von Creutz zu sich bestellt, wie stets in die Räume des Generaldirektoriums. Keine Unterredung zwischen dem König und seinem einstigen Geheimsekretär und Wusterhausener Regimentsschreiber hatte mehr anders stattgefunden als im Anblick all der Kassenschränke und Regale mit den Rechnungsfolianten des Königreichs Preußen.

      Präsident von Creutz, der sonst nur noch im eigenen fürstlichen Empfangssaal zu verhandeln gewohnt war, erschien zu der Audienz in ungleich prächtigerer Aufmachung als der König selbst. Das flatterte von Spitzen um die Handgelenke und den Westenausschnitt seines goldverbrämten Staatsrockes! Das schimmerte von überreich gestickten Ornamenten! Die langen, harten Hände des einstigen Schreibers dufteten von teurem, modischem Balsam. Früher war seine Rechte an Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger von nächtelangem Umklammern des Federkieles manchmal wund und entzündet und verschwollen gewesen.

       Aber die Rede vom Sparen, Erwerben und Vermehren blieb seine größte Leidenschaft. Noch immer erschienen die dichten und klaren Gefüge der Zahlen dem harten Kontrolleur als das schönste Poem; und ihre langen, dunklen Reihen in schmalen, scharfbegrenzten Kolumnen aufs glatte, weiße Papier zu setzen, war ihm vom bitteren Anfang bis zur gegenwärtigen Höhe der Inbegriff beschwingten Malens, der Klang des Goldes

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