Jochen Kleppers Roman "Der Vater" über den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I - Teil 2. Jochen Klepper

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Jochen Kleppers Roman

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bloßes Kampffeld der Pastoren, Professoren und Konsistorialräte, des Klerus und der Orden ist: Ein König kann die Kinder lehren, von früh auf selbst die Bibel zu lesen –.“

       Der König, wie er es oft tat – ganz gleich, ob draußen Dunkelheit oder Helligkeit herrschte – redete, am Fenster stehend und dem Partner des Gespräches den Rücken kehrend. Freilich, dann musste er solchen Partner gut kennen. Fremderen sah er, was wenig beliebt war, unentwegt in die Augen.

      König Friedrich Wilhelms Worte klangen fast nach Schwärmertum.

      „Dann könnten sie Kinder der Seligkeit werden.“

      Das hatte der Pastor ganz deutlich gehört.

      Aber schon wurde aus der leisen, schwärmerischen Rede der klare Plan, das durchdachte Gebot, das formulierte Edikt.

      Das Schulproblem, das sei es, was dränge. Er habe vernommen, dass die Eltern, namentlich auf dem Lande, ihre Kinder nur sehr säumig zur Schule schickten. Die arme Jugend bleibe in großer Unwissenheit, unwissend im Rechnen, im Schreiben, im Lesen. Im Lesen – das heiße aber nun: in allem, was zu Heil und Seligkeit höchst notwendig ist. Denn Predigten – ah, die vermöchten heute das Heil nicht mehr zu wirken; in denen sei die Heilige Schrift verschüttet, wenn nicht gar entstellt und verraten. Wie wüchsen die preußischen Kinder auf; es mache ihn bitter.

      Aber nun wollte er es ganz bestimmt und überaus rasch verordnen, dass künftig die Eltern an allen Orten, wo Schulen wären und Schulen neu geschaffen werden sollten, bei nachdrücklicher Strafe angehalten würden, ihre Kinder im Winter täglich und im Sommer, wenn man sie auf dem Lande in der Wirtschaft brauchte, zum mindesten ein- oder zweimal in der Woche zum Schulmeister zu schicken.

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      Der König zergliederte bereits die Einzelheiten des Lehrplans; er setzte bereits die bestimmtesten Posten im neuen Schuletat ein. Zwei Dreier die Woche, das mussten die Eltern wohl noch zahlen können. Wenn sie es ganz und gar nicht erübrigen konnten, dann schien es nun nicht zu viel verlangt, wenn man ein Ortsalmosen für die Armenkinder forderte.

      Der König überschaute auch schon alle Schwierigkeiten, die aus dem Mangel an Lehrern und Gebäuden erwachsen sollten. Die Theologiestudenten sollten als erste einspringen und erst nach ein paar Jahren Schuldienst ins Pfarramt gelangen. Von den alten Schulmeistern mochten die kärglich besoldeten, bis eine Aufbesserung ihrer Bezüge möglich wurde, getrost ein Handwerk üben, das auf ihrem Dorfe gerade dringend fehlte. Grund und Boden für die neuen Schulen, ja, die Küchengärten für die Schulmeister, gedachte der König selbst zu schenken; die Baumaterialien auch; die Fuhren stellte er ebenfalls. Rasch sollte alles geschehen. Und umfassend sollte es sein. „Der Adel“, schloss der Herr, „wird sich hiernach zu richten haben und zur gemeinschaftlichen Einrichtung der Schulen die Hand bieten.“

      Dass nun eine allgemeine Schul-Pflicht ausgesprochen war, genügte dem Herrscher noch nicht. Die größeren Kinder sollten, ehe sie zur Firmung und Konfirmation gingen, noch einmal einen besonderen geistlichen Unterricht erhalten.

       Fünfzigtausend Taler, die wollte er als ersten Fonds für die Schulen zur Verfügung stellen. Die gedachte er gleich flüssig zu machen und aufs Neue zu sparen. Dann mochten sich die neuen Schulen mit den Kindern seines Landes füllen. Morgen wollte er die Anweisung auf fünfzigtausend Taler unterschreiben.

      Er hatte für den Fonds einen Namen bereit, noch von den armen, trügerischen Zeiten seines Vaters her. Diesem Namen – Mons pietatis, Berg der Frömmigkeit – gab er nun Inhalt, Sinn und Wert und verschwieg gerade durch ihn seine fromme Scheu.

      Was galt es ihm, dass schon sechs Millionen Taler droben im Ostland angelegt waren; dass elf Städte, feste Sitze des Handels und Handwerks, und dreihundertzweiunddreißig Dörfer wieder aufgebaut, verwahrloste Domänenämter in staatliche Bewirtschaftung genommen waren? Was machte er groß damit her, dass die Widerstände, die Ausflüchte, die Vorspiegelungen seiner Junker und Beamten sich von Jahr zu Jahr verringerten, wenn auch oft aus Resignation gegenüber seinem Machtanspruch?

      „Dieses ist nichts“, sprach der Stifter der Schulen, „denn die Regierung will das arme Land in der Barbarei behalten. Doch wenn ich baue und verbessere das Land und mache keine Christen, so hilft mir alles nichts.“

      Er kam ins Ostland als der letzte Ordensritter. Er wollte den Gottesstaat in der Öde, die ihm als Reich des Bettelkönigs übergeben war. Nun sollten in dem dunklen Land besonnte Berge mit blühenden Hängen aufstehen –.

      „Was seht ihr scheel, ihr großen Gebirge, auf den Berg, da Gott Lust hat zu wohnen? Der Herr bleibt immer daselbst.“

      Der Prediger sagte es dem Herrn zum Abschied.

      Über den Worten des Psalms kam dem König die Nacht.

      Er wusste nicht, als er an diesem Tag die Augen schloss, dass er nun für jegliches Kind seines Landes einen Erziehungsplan entworfen hatte, der jener hundertfach durchdachten Instruktion für seinen Ältesten nicht nachstand und im Letzten und Entscheidenden kein geringeres Ziel hatte, als einen frommen König und fromme Untertanen füreinander zu schaffen. Er sorgte nicht mehr nur für seine Erde. Der Mons pietatis erhob sich im Land.

      * * *

      Seit Wochen und Monden predigte die Königin: England.

      Es war nicht die Geschwätzigkeit einer lebhaften Frau. Es war mehr, war leidenschaftlicher und tiefer. Vielleicht war es die dauernde Überwältigung durch allen Glanz dieser Welt, die zu jedem Augenblick bei ihr den schillerndsten Ausdruck fand. Vielleicht war es auch eine ständige Beschwingtheit, mit der sie kaum wahrnehmbare Anfänge sofort zu märchenhafter Vollendung auszuspinnen vermochte. Und das erfolgte nun in der Sprache kühner, kühler Politik. Es geschah mit dem Schein des Kalküls. Das ließ die Königin so glaubhaft erscheinen. Logische Beweisführungen, taktische Winkelzüge mussten ihr dazu dienen, die Maßlosigkeit und Unerfüllbarkeit ihrer Wünsche zu verhüllen. Sie beherrschte das gesamte Vokabularium der Kabinette; sie dichtete in der Geheimsprache der Diplomatie. Dies war ihr Lebensinhalt; dies verlieh ihr das Gefühl der Größe; dies schuf ihr damals gerade auch den Ruf einer zu Höchstem befähigten und berufenen Fürstin.

       Sie prüfte sich nie. Sie lernte und sie überlegte und sie wägte nicht. Ihr flog alles zu, um, von dem Überschwang ihrer Lebensbegeisterung gewaltig entfacht, zu irdischer Prophetie in ihrem Munde zu werden. Freilich, das Leben begann ihr erst von den Stufen der Throne an lebenswert oder auch nur beachtungswürdig zu werden. Nie hätte sie nach der Erde gefragt, die, nur durch eine dünne Schicht aus edlem Holz und teurem Stein vom Sockel der Throne getrennt, allein und endlich auch die Throne selber trug.

      Rieb sie, wie es ihre Gewohnheit war, im Gespräch mit sehr Vertrauten ganz unbewusst die Handflächen rasch und leicht aneinander, so war es wie die Geste eines frohen, ungeduldigen und erwartungsvollen Kindes, das einer überwältigenden Überraschung schon völlig gewiss ist. Einen Augenblick danach aber saß sie dem gleichen Partner ihrer Unterhaltung – hoheitsvoll in ihren Sessel gelehnt, die Arme majestätisch auf die goldenen Lehnen aufgelegt – wie der Premierminister aller Premierminister gegenüber; und was sie redete, schien Weltgeschichte.

      Nicht selten kam es nun vor, dass dann der König vor ihr stand, den Kopf ein wenig gesenkt: und recht still. Manchmal zog er sich auch eines ihrer Taburetts heran und saß schweigend vor ihr, den Blick zu ihr erhoben: ein Abgehetzter, Erschöpfter, Staunender. Was war, so fragte er sich dann, sein zäher Fleiß vor solcher Spannkraft; was war sein mühsames Zusammentragen angesichts solchen Weitblickes? Vielleicht waren die Welfen die größeren Herrscher –.

      Auch

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