Max Liebermann: Gesammelte Schriften. Max Liebermann

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Max Liebermann: Gesammelte Schriften - Max Liebermann gelbe Buchreihe

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Sentiment.

      Man sieht daraus, er ist nichts weniger als einschmeichelnd, aber wir sind im Banne seiner kolossalen Individualität. Ob sie uns gefällt, ist Geschmacks- resp. Modesache. Aber wie Wagner sich aufgezwungen hat, so dass jeder Musiker mit ihm rechnen muss, ist Degas ein Faktor geworden, mit dem jeder moderne Maler, bewusst oder unbewusst, sich auseinandersetzen muss: ignorieren kann er ihn nicht mehr.

      Dass sich die ältere französische Schule ablehnend gegen Degas verhält, ist ebenso natürlich, wie die Abneigung, die er bei uns von den Künstlern der älteren Generation erfahren hat.

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      Adolph Friedrich Erdmann Menzel

      Als Menzel vor etwa zwanzig Jahren bei einem hiesigen Amateur eine vorzügliche Sammlung der Impressionisten sah, fragte er, nachdem er lange und eingehend die Bilder betrachtet hatte: „Haben Sie wirklich Geld für das Zeug gegeben?“ Derselbe Menzel, der in seiner Jugend in dem Garten des Prinzen Albrecht, in der Landschaft bei Schöneberg mit dem Eisenbahnzuge, in dem Bilde von 1848, die Aufbahrung der Särge der Märzgefallenen, in dem Opernhausballe (jetzt in der Hamburger Kunsthalle) ähnliche Probleme zu lösen versucht hatte wie die Impressionisten!

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      Aufbahrung der Särge der Märzgefallenen

      Es geht nur daraus hervor, dass Menzel, als er diesen Ausspruch tat, eine fertige Künstlerpersönlichkeit war, die auf dem schließlich eingeschlagenen Wege nicht weitergehen wollte oder konnte. Kein Mensch kann über seinen Schatten springen, und man kennt die Abneigung Goethes gegen die romantische Schule und Kleists Genie.

      Der alte Schadow, der seiner Generation dasselbe bedeutete, was Menzel der unsrigen, schrieb vor nunmehr 65 Jahren beim Erscheinen von Menzels Friedrichsbuch in der Haude & Spenerschen Zeitung: die Griffonagen oder Kritzeleien eines gewissen Menzel seien des großen Königs unwürdig – – und 60 Jahre darauf wird ihm – und zwar so verdient, wie je eine Auszeichnung verdient war – der Schwarze Adlerorden verliehen für die Verherrlichung der Taten des großen Königs, die sich in nuce wunderbar bereits in dem Jugendwerk offenbarte.

      Schadow konnte Menzel nicht verstehen, ebenso wie dieser Degas nicht verstehen konnte, weil in Degas wie in Menzel ein Neues steckt, was einer jeden vorhergehenden Generation fremd bleiben musste. Jedes Neue in der Kunst, hat – wenigstens in unserm demokratischen Zeitalter – zwei Generationen, die ältere und die gleichzeitige zu überwinden, bevor es zur Anerkennung gelangt; die vorhergehende kann es nicht mehr, die gleichaltrige noch nicht verstehen.

      Degas wird und kann niemals populär werden. Auch scheint er absichtlich den Beifall der profanen Menge zu vermeiden; er arbeitet nur für wenige Feinschmecker, den trivialen Geschmack des großen Haufens hassend. Ein stolzer Einsamer; von eifersüchtigem Egoismus, nicht auf den Erfolg, sondern auf seine Kunst.

      Manet ist vielleicht noch temperamentvoller als er, mehr Pfadfinder; keiner aber von allen modernen Malern war begabter als Degas, um auf dem von Manet urbar gemachten Wege die neue Kunst weiter zu führen, zu dem Ziele einer jeden Kunst: zum Stil.

      Der heilige Augustinus sagt einmal: „Und so wie alle sinnlich schönen Dinge, sei es, dass die Natur sie hervorbrachte oder dass Künstler sie arbeitend bildeten, durch Verhältnisse des Raums oder der Zeit schön sind, wie zum Beispiel ein Leib und die Bewegung des Leibes; so ist dagegen jene Gleichheit und Einheit, welche nur vom Verstände erkannt und nach welcher durch Vermittlung des Sinnes die körperliche Schönheit beurteilt wird, weder schwellend im Raum, noch wandelbar in der Zeit.“

      Wenn je ein moderner Maler, so hat Degas in seinen Bildern Kunstwerke geschaffen, die schwellend im Raum und wandelbar in der Zeit sind.

      * * *

      Jozef Israëls

       Jozef Israëls

Grafik 55

      Verlag Bruno Cassirer, 1901

      Wer zum ersten Male in seinem Leben auf die Jagd geht, hat immer Glück; wer aber auch nur einigermaßen gescheit ist, versucht es nicht zum zweiten Male.

      Nach dem günstigen Erfolge, den die paar Seiten gefunden haben, die ich über Degas veröffentlicht hatte, – sind sie doch sogar ins Russische übersetzt! – hatte ich mir das Schreiben hoch und heilig verschworen. Siegreich hatte ich den Lockungen der Verleger widerstanden, und nur wer jemals Druckerschwärze geleckt hat, kann nachfühlen, wie schwer das ist.

      Da traf sich‘s an einem schönen Septembernachmittag, eines Tages, als ich in Scheveningen mit Israëls nach dem Lunch Kaffee trinkend und Zigarren rauchend vor seinem Pavillon saß, dass die Unterhaltung – wie das nicht selten unter Kollegen – auf die Kritik fiel. Und plötzlich sagte der Meister: „Wie über Degas sollten Sie mal über mich schreiben.“ Und im Nu waren alle meine guten Vorsätze dahingeschwunden vor der freudigen Hoffnung, meiner Liebe und Verehrung für Israëls öffentlich Ausdruck geben zu dürfen. Schon am nächsten Tage fuhren wir nach den Haag und suchten im Atelier das nötige Material an Zeichnungen, Radierungen, Fotografien, das den Text begleiten sollte, zusammen.

      Bis hierher ging alles ganz famos. Aber als ich mich nun an die Arbeit machte, sah ich ein, dass ich Israëls viel zu sehr liebe, um über ihn schreiben zu können. Denn man kann eigentlich nur über die Schwächen eines Künstlers schreiben: woher denn auch die meisten Kritiker ihren Helden zu „zerreißen“ pflegen (was, nebenbei bemerkt, viel amüsanter ist). Um aber einem großen Künstler wahrhaft gerecht zu werden, müsste man seine Kunst in Worte fassen können; man müsste mit Kunst schreiben. Nur ein lyrischer Dichter könnte Israëls ganz gerecht werden, denn Israëls Malerei ist ein Farbe gewordenes Gedicht; ein schlichtes Volkslied, kindlich, im biblischen Sinne einfältig; alles Gemüt, Empfindung und nochmals Gemüt.

      Israëls sagte mir mal: „Außer Millet gibt es keinen Maler, der so wenig zeichnen und malen konnte wie ich, und dabei so gute Bilder gemacht hat.“

      Mit anderen Worten: wie Millet, ist auch Israëls kein Talent, doch – ein Genie.

      Beides fehlt, was mit Recht als das Kriterium des Talents angesehen wird: die behende Leichtigkeit, die Natur wiederzugeben. Statt den Gegenstand zu zeichnen, notiert ihn Israëls oft in sein Skizzenbuch er schreibt auf, wo sich ein Schrank, ein Stuhl oder eine Kuh befinden. Es ist sicherlich ein nicht zu unterschätzendes Zeichen von Talent, wenn einer einen Akt herunterstreichen kann, wie die Preisgekrönten, welche dutzendweise an den Wänden der Malschulen Paris oder Antwerpen hängen. Aber aus ihren Verfertigern wird schließlich im besten Fall ein Cabanel oder Bouguerau; meistens bleiben sie ihr Leben lang der „Ancien prix de Rome“. Selbst das mit größtem Talent gemalte Bild bleibt ohne den göttlichen Funken – gemalte Leinwand. Erst das sogenannte Genie flößt dem Bilde das Leben, die Seele ein: Die gemalte Leinwand wird zum lebendigen Kunstwerk.

      Israëls steht heute in seinem 88. Lebensjahre; er ist in Holland, was bei uns Menzel war, und wie beim Erscheinen Menzels im Restaurant Frederich einer dem anderen zuflüsterte: „da kommt Menzel“, so zeigt ihn ein Badegast dem anderen, wenn der kleine alte Herr – er ist beinahe ebenso klein wie Menzel – am Strande von Scheveningen spazieren geht.

      Als ich einmal vor Jahren in Delden, einem Städtchen unweit der deutschen Grenze, mit Israëls auf der Studienreise war, kam ein braver Bürger des Orts auf ihn zu, „ob er der große Meister wäre, den er in

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