Henry Morton Stanley: Im dunkelsten Afrika. Henry Morton Stanley
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Die große Masse der Leute war vermutlich zu dem Glauben gekommen, dass ich schon zu alt geworden sei, um den Marsch wie in früheren Zeiten zu überwachen; allein auf dem Wege nach Vombo am 7. April wurden sie sämtlich aus ihrem Irrtum gerissen. Der letzte Mann der in die Länge gezogenen Karawane war gegen 11 Uhr vormittags im Lager, und alle Offiziere konnten sich mittags zum Essen niedersetzen in dem frohen und beruhigenden Gefühle, ihre Pflicht getan und einen guten Tagemarsch gemacht zu haben. Es gibt kein angenehmeres Gefühl als dasjenige, wenn man einen tüchtigen Tagemarsch in kurzer Zeit ausgeführt hat. Wir haben uns eine gute Tagesrast gesichert; der Rest des Tages gehört uns, um zu lesen, zu essen, zu schlafen, den Luxus der Untätigkeit zu genießen und über das Morgen nachzudenken; während es kaum etwas Unangenehmeres gibt, als zu wissen, dass, obwohl der Marsch nur ein kurzer ist, das Nachlassen der Strenge jenes grausame Zeitvergeuden in dem erstickenden hohen Grase und in den sengenden Strahlen der glühenden Sonne am Wege gestattet. Die lange Linie der Träger hat sich in schwitzende Fragmente aufgelöst; Wasser ist, wenn man es am Notwendigsten braucht, weit entfernt, kein schattenspendender Baum befindet sich in der Nähe der Straße, die Lasten werden beraubt und sind über mehr als fünfzehn Kilometer Weges zerstreut, die Träger verstecken sich zwischen dem Röhricht oder suchen unter entfernteren Baumgruppen Kühlung, und die Offiziere, hungrig und ärgerlich, sind in Verzweiflung darüber, dass das Ende des Tages so nahe und sichere Aussicht auf eine Wiederholung dieser Schwierigkeiten morgen und am folgenden Tage vorhanden ist. Ein in der Nähe unserer Marschlinie befindlicher, nicht weiter nachdenkender Zuschauer könnte vielleicht glauben, dass wir unnötigerweise grausam seien, allein einige Hiebe, welche die regelmäßigen Nachzügler erhalten, sichern etwa 800 Leuten und ihren Offizieren eine 18stündige Ruhe und retten die Waren vor der Plünderung, da die Tagediebe oft gerade zu diesem Zwecke zurückbleiben: der Tag endet für alle glücklich und der morgige Marsch hat seine Schrecken verloren.
Am 8. April wurde die Expedition auf der Station Lukungu von den Herren Francqui und Dessauer willkommen geheißen, zwei gastfreien Belgiern, welche aus eigenem Antriebe vier Tagesrationen von Kartoffeln, Bananen, Eierpflanzen, Mais und Palmnüssen für unsere 800 Mann gesammelt hatten.
Kaum waren wir alle vereinigt, als die Sudanesen in Masse herbeikamen, um mehr Lebensmittel zu verlangen. Sie hatten in 15 Tagen je 20 kg pro Mann Zwieback und Reis verzehrt und kündigten ihre Absicht an, nach dem Unterkongo zurückzukehren, wenn ihnen nicht weitere Rationen zugeteilt würden. Die viertägigen Gemüserationen verschmähten sie anzurühren. Ich hatte den Entschluss gefasst, sehr geduldig zu sein, und es war auch noch zu früh, um selbst den Wunsch zu zeigen, anders zu sein. Infolge dessen erhielten sie Extrarationen an Reis und Zwieback.
Zum Glück für mich persönlich hatte ich gute Offiziere bei mir, welche mich der Notwendigkeit entheben konnten, mit solchen eigensinnigen Burschen, wie diese mürrischen, halsstarrigen Sudanesen, in Konflikt zu kommen. Ich behielt mir die Rolle des Vermittlers zwischen den erbitterten Weißen und den eigensinnigen Schwarzen vor. Vorausgesetzt, dass man durch das den ganzen Tag anhaltende Schelten mit dickköpfigen Leuten nicht selbst erschöpft ist, ist es eine höchst angenehme Arbeit, Vergehen zu beschönigen und Ärger zu beschwichtigen. Vielleicht wenden ärgerliche Leute sich ab mit der leisen Bemerkung, wir seien parteiisch, während die Gegenpartei ihrerseits ebenfalls mehr Sympathien finden will; allein der Vermittler muss darauf vorbereitet sein, dass er selbst hin und wieder einen Stich abbekommt.
Um den Sudanesen weniger Gelegenheit zu geben, unterwegs ihre Wut an den Sansibariten auszulassen, ersuchte ich Major Barttelot, mit seinen Sudanesen einen Tagemarsch vor den Sansibariten zu bleiben.
Es wird nicht überraschen, dass wir alle mehr Sympathie für die beladenen Sansibariten hatten. Sie bildeten unsere Kundschafter und Fouragierer, unsere Lebensmittelerwerber, schlugen unsere Zelte auf, sammelten Brennmaterial und trugen die Vorräte; die Hauptstärke der Expedition bestand in ihnen; ohne sie wären die Europäer und Sudanesen, und wenn ihre Zahl noch zehnmal so groß gewesen wäre, zum Entsatze Emins vollständig außerstande. Die Sudanesen trugen nichts als ihre Gewehre, Kleidung und Rationen. Wenn sie uns von wirklichem Nutzen wurden, waren wir wieder ein volles Jahr älter; vielleicht fehlten sie uns in der Stunde der Not, wenn wir dies auch nicht hofften, und bis dahin kam es allein darauf an, dass wir sie mit möglichst wenig Schwierigkeiten für sie, die Sansibariten und uns vorwärts brachten. Der Major wurde hier ohne Zweifel in schwere Versuchung geführt; aber wenn er in dieser Zeit gezwungen wurde zu schlagen, so waren die Sudanesen, wie ich zugeben muss, außerordentlich provozierend. Sogar Hiob würde ärgerlich geworden sein und gescholten haben.
Die Hitze war am 10. April – Ostern – an welchem Tage wir Lukungu verließen, schrecklich. Die Leute fielen auf allen Seiten, und Anführer wie Mannschaften erlagen der Hitze. Wir holten die Sudanesen wieder ein, und die unglückliche Folge war wieder das übliche Raufen und Schelten.
Am Ostermontag, den 11. April, wurde die Sudanesen-Kompanie vom Fieber befallen, das Lamentieren war allgemein, und mit Ausnahme von zwei Somali lagen alle darnieder. Barttelot war in einer fürchterlichen Wut über seine unglückliche Kompanie und wünschte, dass er dafür Jephson's Dienst im Boote hätte. Abends erhielt ich einen Brief von Jephson, in welchem dieser schrieb, er wünschte, er wäre bei uns oder sonst irgendwo, nur nicht auf dem verräterischen, reißenden Kongo.
Als wir am nächsten Tage im elendesten Zustand vereinzelt ins Lager kamen, sahen wir die Karawane beinahe Schiffbruch leiden. Die Sudanesen waren meilenweit voneinander entfernt; die Somali waren krank, und einer der Leute, welche sich mit Herrn Jephson im Boote befanden, war gestorben. Es mussten große Mengen von Fleischsuppe gekocht werden, sodass jeder schwach gewordene Mann, wenn er ins Lager wankte, mit einer Tasse voll erquickt werden konnte.
Am nächsten Tage erreichten wir Lutete, nachdem wir auf dem Marsche weitere ähnliche Erfahrungen gemacht hatten. Jeden Tag erlitten wir Verluste, und zwar an Leuten durch Desertion und Krankheit, sowie an Gewehren, Konserven-Proviant und schussfertiger Munition.
In Nselo am Inkissi trafen wir Jephson, der auf der Fahrt über die Kongoschnellen nach Manjanga das Leben von einigen neuen Seiten kennen gelernt hatte.
Die Sonne hat begonnen, unseren Zügen eine hochrote Färbung zu geben; ich sehe in dem Gesichte eines jeden Offiziers zwei entzündete Kreise, welche in glühendem Rot unter beiden Augen erglänzen, und es kommt mir vor, als ob die Augen größeren Glanz zeigen. Einige von den Offizieren haben es für malerischer und mehr dem idealen Typus eines Forschers entsprechend gehalten, die Arme ebenfalls gefärbt zu haben; sie haben ihre milchweißen Glieder entblößt, bis dieselben in Flammen gebadet zu sein scheinen.
Den 16. April verwendeten wir, um die Expedition über den Inkissi zu befördern, und um 5½ Uhr nachmittags waren alle Mann, sowie unsere 20 Esel und unsere Herde Kap-Ziegen am anderen Ufer.
Während der Überfahrt wechselten Selim, der Sohn Massud's und Schwager Tippu-Tib's, und Herr Mounteney Jephson, welcher als Kapitän des Bootes fungierte, hitzige Worte. Selim will, seitdem er die Schwester Tippu-Tib's geheiratet hat, über jeden Vorwurf erhaben sein, seine Einbildung