Mutige Studenten. Geri Schnell
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Drei Wochen später sitzt Anna wieder in ihrer Bude und grübelt über den zahlreichen Diagrammen, Statistiken und Berichten, die sie inzwischen gesammelt hat. Alles gut. - Material hat sie inzwischen reichlich, doch was soll man daraus herleiten?
Die Diagramme, welche sie ausgedruckt hat, zeigen, dass Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit eng miteinander verknüpft sind. Das ist eigentlich offensichtlich. Laufende Wirtschaft bedeutet viele Jobs. Wie soll man daraus einen Bericht verfassen. Nun zumindest kann sie mit ihren Diagramen den Zusammenhang belegen.
Sie ist vorerst zufrieden. Nun will sie erneut mit Tim ausgehen. Unter der Dusche denkt sie an Olivia. Wie geht es ihr im Urwald? Sicher kann sie sich unter einem kristallklaren Wasserfall duschen. Das muss herrlich sein. Doch dann bekommt sie Zweifel, so romantisch wird es wohl nicht sein. Überall wo sie hintritt ist der Boden schlammig, zum Essen gibt es nur Fische und ab und zu eine fette Made, nein wirklich, Olivia ist nicht zu beneiden.
Nun, sie ist selber schuld, sie hat sich freiwillig gemeldet. Einen Moment überlegt sie, ob man das Fernsehen haftbar machen kann? Nur auf Grund der Sendung über die Pfahlbauer von Pfyn, ist Olivia überhaupt auf eine so verrückte Idee gekommen.
Die Fahrt im Tram verscheucht ihre Gedanken an Olivia. Bald ist der Wettsteinplatz erreicht. Tim wartet schon, sie hat sich um eine Tram verspätet. Zum Glück ist er ein geduldiger Typ und lässt sich mit einer einfachen Entschuldigung abspeisen. In dieser Beziehung ist er ein kleiner Philosoph. Was man nicht ändern kann, muss man akzeptieren! ist sein Motto. Sicher wird er noch versuchen, sie zu mehr Pünktlichkeit zu erziehen, doch, zwanzig Minuten warten ist immer noch besser, als allein zu essen.
Tim schlägt vor, im schmalen Wurf zu essen. Anna hat nichts dagegen, sie will nichts riskieren, wenn er schon so lange warten musste.
Um ihn etwas abzulenken erkundigt sie sich, wie es mit seiner Semesterarbeit läuft. Dieses Thema ist genau die richtige Medizin, um seine Laune etwas aufzumuntern.
«Es ist ein interessantes Projekt», beginnt er, «so einfach, dass sogar ein Laie begreift, um was es geht. Wir klären ab, ob es Möglichkeiten gibt, dass man CO2 unterirdisch lagern kann, sodass es die Atmosphäre nicht mehr belastet.»
«Das müsste doch kein Problem darstellen», meint Anna.
«Eigentlich nicht, nur ist das Gas so leicht, dass es sich durch den Boden nach oben arbeitet, wenn man es nicht in einer gasdichten Gesteinsschicht einschliesst.»
«Das dürfte doch unter dem Meeresboden kein Problem sein.»
«Denkste, das Gas würde durch die Flüssigkeit hochsteigen, so einfach ist es nicht.»
Danach beginnt Tim ein kleines Referat, dass sich Anna schon reuig ist, das Thema angeschnitten zu haben. Wenigstens weiss sie jetzt, dass es nicht so einfach ist, die Welt zu retten. Nicht nur die Wirtschaft macht es einem schwer, auch die Natur wartet immer mit neuen Überraschungen auf.
Allerdings ist für Anna der heutige Abend gelaufen. Nach diesem Vortrag von Tim hat sie keine Lust mehr auf einen Diskobesuch. Das ist auch für ihr Budget besser, so kann sie wieder einiges einsparen.
Seit jenem Abend mit Tim hat sie sich wieder vermehrt ihrer Semesterarbeit gewidmet. Auch wenn sie gegenüber anderen Wissenschaften sehr offen ist, die Ökologie ist eher ein Feind der Wirtschaft. Wenn Tim nur nicht so gut aussehen würde. Sie will in warm halten, vielleicht wird er noch etwas mutiger, wenn er seine Arbeit abgegeben hat. Die Hinhaltetaktik ist auch für ihre Semesterarbeit von Vorteil. Sie ist froh, wenn sie etwas vorwärts kommt, wenn Olivia zurück ist, wird sie sicher weniger Zeit haben.
Olivia ist ein gutes Stichwort, eigentlich könnte sie jetzt wieder zurück sein, nur, so genau war ihr Aufenthalt nicht definiert. Den Rückflug wurde noch nicht gebucht. Olivia rechnete damit, dass sie nach drei Wochen genug vom Dschungel hat und froh ist, wenn sie wieder in die Zivilisation zurückkehren kann. Anscheinend gefällt es ihr als Jean im Dschungel. Womöglich hat sie noch einen Tarzan gefunden und kann sich nicht von ihm lösen. Als Optimistin geht sie eher von dieser Möglichkeit aus, die andere Alternativen macht ihr bedeutend mehr Sorgen. Was ist wenn sie, aus welchem Grund auch immer, nicht zurückkehren kann? Noch versucht sie diesen Gedanken zu verdrängen, mit jedem Tag den sie nichts hört, werden ihre Sorgen grösser und drängt sich diese Möglichkeit in den Vordergrund.
Heute Nachmittag hat sie noch ein Treffen mit Professor Gander. Das reicht als Ablenkung. Den ganzen Morgen ordnet sie ihr umfangreiches Material. Ein klares Konzept ist leider noch nicht auszumachen. Der Professor wird nicht begeistert sein. Sie hofft, dass sie ihn mit dem Thema Olivia ein wenig ablenken kann. Bis sie den fertigen Bericht abgeben muss, hat sie noch einige Wochen Zeit, doch wenn sie heute Minuspunkte holt, kann sie diese nur schlecht ausbügeln.
Diesmal ist sie fünf Minuten zu früh und sauber geschminkt. Sie will nicht, dass der Professor schon schlechte Laune hat, bevor sie ihm ihre Sammlung zeigen kann. Die Zeit die sie heute Morgen investiert hat, könnte etwas bringen. Die Tabellen sind alle in einem Ordner klassiert und bereits gut leserlich beschriftet.
«Grüezi Herr Professor!», mit gespieltem Optimismus betritt sie sein Büro.
«Ah, - Frau Fuchs», er reicht ihr die Hand, «diesmal sogar pünktlich. Sie steigern sich.»
«Olivia hat heute nicht angerufen», sie versucht sofort das Gespräch in die richtigen Bahnen zu lenken, «ich muss beinahe sagen, leider. Ich mache mir etwas Sorgen um sie.»
«Wie lange wollte sie bleiben?»
«Sie hat vom maximal sechs Wochen gesprochen. Ich ging jedoch davon aus, dass sie schon nach drei Wochen genug hat. Anscheinend täusche ich mich, das Leben ausserhalb der Zivilisation scheint doch Spass zu machen.»
«Warten wir ab, bis die sechs Wochen verstrichen sind», versucht sie Professor Gander zu beruhigen, «danach können wir versuchen mit dem Botschafter in Jakarta kontakt aufzunehmen.»
«Haben sie gute Beziehungen zum Botschafter?»
«Ich nicht, aber Professor Tobler. Er hatte mit ihm zu tun, als er sich um die Visa bemühte. Er und der Botschafter waren in der gleichen Studentenverbindung.»
«Das ist ausgezeichnet, gute Beziehungen sind sicher kein Nachteil.»
«So – nun zu Ihrer Arbeit», wechselt der Professor das Thema, «wir sitzen ja deswegen zusammen, wie sind sie vorangekommen?»
«Ach, ganz gut!», versucht Anna einen guten Eindruck zu vermitteln, «ich habe bereits viel Material gesammelt. Leider sind die meiste Daten zwei Jahre alt, für eine schlüssige Aussage sind sie zu alt, doch sie lassen eine Tendenz erkennen.»
«Gut, schauen wir uns die Daten an.»
Der Professor blättert im Ordner. Noch ist ihm nicht anzumerken, ob er zufrieden ist. Nach zehn Minuten hat er den Ordner durchgeblättert. Ab und zu stellt er eine Frage oder blättert wieder einige Seiten zurück.
Nach weiteren fünf Minuten klappt er den Ordner zu. Er zieht seine Brille aus und schaut Anna an: «Ist das alles?»
Anna ist überrascht, er hatte offensichtlich mehr erwartet. Was soll sie nun antworten.
«Ja, es gibt noch einige Tabellen, die mir unwichtig erschienen, deshalb habe ich sie noch nicht eingefügt, mehr konnte ich nicht finden. Die Daten sind einfach zu alt. Die Zahlen werden wie Staatsgeheimnisse